Update Schweizer Elsevier Agreement

Nach einer ersten ernüchternde Analyse zum Schweizer Elsevier Read & Publish Agreement (2020-2023) im August 2020 ist es nach 18 Monaten Vertragslaufzeit Zeit für eine weiteres Update.

77% Auschöpfung des Kontingents von 2020

Die Befürchtung, dass das Kontingent von 2850 OA Artikel nicht annähernd ausgeschöpft wird, hat sich inzwischen etwas abgeschwächt, ist aber noch nicht vom Tisch. Aktuell (Juni 2021) ist ist das Kontingent von 2020 zu 77% ausgeschöpft, dasjenige von 2021 zu 9%.

Es zeigt sich, dass die Durchlaufszeit von Einreichung bis zur Publikation bei Elsevier wirklich sehr lange dauern kann. Im Mai 2021 wurden beispielsweise 283 Publikationen als Teil des Schweizer Agreements OA publiziert. Etwas mehr als die Hälfte davon sind noch Einreichungen aus den Jahr 2020.

Das heisst bis alle 2020 eingereichten Publikationen entweder publiziert oder abgelehnt wurden, und der Stand des Kontingents abschliessend beurteilt werden kann, dürfte es noch mehre Monate oder länger gehen.

Viele Schweizer Corresponding Author Papers bleiben Closed Access

Dabei liegt der tiefe Auschöpfungsgrad nicht daran, dass Schweizer AutorInnen weniger bei Elsevier publizieren. Vielmehr bleiben viele Publikationen, die eigentlich durch das Agreement Open Access sein könnten/sollten Closed Access. Mein Monitoring kommt inzwischen auf über 500 solcher Schweizer Corresponding Author Papers, deren summierter APC-Listenpreis 1.5 Mio € beträgt. Publikationen, bei denen Elsevier das Einreichedatum nicht veröffentlicht und deshalb die Eligibility von Aussen nicht sicher festgestellt werden kann, sind in dieser Liste noch nicht einmal enthalten. Beispiel: 10.1016/j.cagd.2021.102003

Wieso so viele Papers Closed Access sind, scheint mehrere Gründe zu haben. Von zwei AutorInnen habe ich das Feedback erhalten, dass die Option zu OA im Einreiche-Prozess nicht angezeigt wurde und somit der Verdacht besteht, dass die Identifikation der Affiliation bei Elsevier nicht zuverlässig funktioniert.

Weitere AutorInnen haben offenbar bewusst auf die OA Option verzichtet, weil sie Hybrid-Kosten befürchteten. Da die Schweizer OA-Community (insbesondere der SNF) seit 15 Jahren den Forschenden auf Hybrid und Double-Dip sensibilisiert ist dies eigentlich eine gute Nachricht.

Zwar können eligible Closed-Access Artikel nachträglich noch bei Elsevier für eine Öffnung gemeldet werden. Allerdings scheint das nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt möglich zu sein sein, und für eine wirksame Änderung müssen auch die AutorInnen aktiv werden, was diese (ähnlich wie die Ablage auf ein Repository bei Green OA) leider nicht immer tun.

Ein Drittel aller Schweizer Publikationen OA durch das Agreement

Relevant für das Agreement ist das Einreichedatum ab 1.1.2020. Das heisst, dass die Auswirkung verzögert eintritt und erst 2021 so langsam richtig abgeschätzt werden kann. Von den 3437 Publikationen, die 2021 mit einer Affiliation einer teilnehmenden Institution publiziert wurden, sind ein Drittel (1118) OA durch das Schweizer R&P-Agreement. Das entspricht 54% aller Schweizer Corresponding Author Publikationen.

Damit wird das Agreement dem eigenen Anspruch, nämlich mindestens für die OA-Stellung aller lokaler Corresponding Authors zu sorgen, nicht gerecht. Man muss allerdings beachten, dass dies inbesondere bei den Rahmenbedinungen von Elsevier auch nicht möglich wäre. Einerseits sind etliche Journals von Elsevier ja explizit vom Schweizer Agreement ausgenommen (z.B. Cell Press, verschiedene Society Journals). Anderseits führt die Möglichkeit, dass ein Artikel mehrere Corresponding Authors hat, und ein Autor oder Autorin mehrere Affiliations haben kann, durchaus schon zum Effekt, das Artikel über andere Institutionen OA werden.

Schaut man sich deshalb der OA-Status (via Unpaywall) der Schweizer Publikationen an, sieht es etwas tröstlicher aus. So sind immerhin 61% aller Corresponding- und Non-Corresponding Publikationen von 2021 in einer Form zugänglich.

Verzerrtes Kosten- und Nutzenverhältnis

Eine Steigerung auf 61% OA ist ohne Zweifel eine klare Verbesserung zu den reinen Abos. Doch die Kosten für diesen Schritt sind extrem hoch. Zurzeit liegt die PAR-Fee für das Jahr 2020 bei über 6000€. Sollte das Kontingent ganz ausgeschöpft werden wird die PAR-Fee bei 4500€ EUR zu stehen kommen.

Mit Blick auf die einzelnen Institutionen sieht man erwartungsgemäss bereits grosse Unterschiede zwischen dem historischen Subskriptionspreis und dem Preis gemäss Publikationsverhalten der eigenen AutorInnen.

Man darf gespannt sein wie die Bibliotheken die innerkonsortiale Preisverteilung für das dritte und vierte Vertragsjahr neu aushandeln werden.

Internationaler Vergleich

Wie ist das Schweizer Elsevier Agreement im internationalen Vergleich zu werten? Während der ETH-Rat vor 10 Jahren bei dieser Frage ergebnislos kapitulierte, haben wir heute glücklicherweise bessere Möglichkeiten zum Vergleich. Ich habe dazu meinen Ansatz, denn ich für das Monitoring des Schweizer Agreements begonnen habe, nun auch auf andere Länder (Niederlande, Schweden, Finland, Norwegen, Polen, Ungarn, Österreich und Dänemark) übertragen. Das Ergebnis ist unter https://oa-monitoring.ch/elsevier_monitor/ zugänglich.

Ich hoffe ich kann zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich auf den internationalen Vergleich eingehen. Es fällt auf, dass das Phänomen, dass Publikationen die Open Access sein könnten bzw. solllten nicht frei zugänglich sind, sich bei allen Ländern zeigt. Bei Schweden sind es beispielsweise über 700 Artikel, was insofern unbefriedigend sein muss, da Schweden eigentlich ein „All you can publish“ Deal hat und im Agreement auch explizit ein Vorgehen mit Elsevier definiert hat, wie in im Falle nicht erkannter Publikationen vorzugehen ist.

Besser sieht die Situation in den Niederlanden aus, wo zwar auch noch viele Corresponding Author Papers Closed Access bleiben, jedoch für einen ähnlichen Preis massiv mehr OA-Publikationen enhalten sind.

Vergleicht man die Schweiz mit den Niederlanden und Schweden sieht man diesen Unterschied deutlich:

Da Elsevier bei Agreements ohne Limit die Publikationen nicht einem spezifischen Jahr zuweist, und manchmal das relevante Einreichedatum nicht öffentlich ist, kann die Aufteilung pro Jahr ungenau sein. Genauer wird der Vergleich wenn den ganzen Agreement-Zeitraum anschaut, also 2020 bis heute:

Da für alle 3 Länder das Einreichedatum relevant ist, wird sich die PAR-Fee sowohl für 2020 und 2021 weiter nach unten bewegen. Doch es zeigt sich bereits, dass die Schweizer praktisch doppelt soviel zahlen wie die Niederländer.

Fazit

Leider ändert sich an meinem Fazit vom letzten Jahr nicht viel. Die Verantwortlichen dieses Deals haben sich völlig unnötig auf etwas Halbgares eingelassen, mit dem niemand wirklich zufrieden sein kann. Zwar ist der Anstieg auf 61% OA erfreulich, aber nur solange man den Preis nicht kennt. Wenn ich zudem höre, dass Schweizer OA-Verantwortliche nun AutorInnen hinterherrennen müssen, wenn es bei der Einreichung mit OA nicht geklappt hat, ist man eigentlich am Punkt wo man ja gleich die 61% via Green Road OA ohne Embargo hätte erreichen können. Die Millionen hätte man in sinnvollere Alternativen stecken können.

Immerhin hat man bei swissuniversities erkannt, dass man durch den Fokus auf R&P Agreements Gold OA vernachlässigt hat. Vor kurzem wurden nationale Verhandlungen mit reinen Gold OA Verlagen, sowie die Stärkung von institutionellen Gold OA Funds angekündigt. Für Gold OA ist eine Kostenobergrenze von 2500 CHF vorgesehen. Wo war diese Obergrenze als man mit Elsevier den teuersten Schweizer Deal aller Zeiten eingegangen ist?

Knacknuss Öffentlichkeitsprinzip bei der Zusammenarbeit von Hochschulen

Ein neues Urteil (VB.2020.00746) des Zürcher Verwaltungsgericht bestätigt, dass Preise von Read & Publish Agreements auf Nachfrage öffentlich gemacht werden müssen, da sie keine objektiv schützenswerte Geschäftsgeheimnisse darstellen. Allerdings soll das nur für die Universität Zürich gelten, und nicht für alle Vertragsteilnehmer gleichermassen. Das Urteil bildet eine weitere Etappe in einer Odyssee wie das Öffentlichkeitsprinzip in der interkantonalen Zusammenarbeit anzuwenden oder eben nicht anzuwenden ist.

Informationszugang RSC-Vertrag via Universität Zürich

Über meinen Versuch Zugang zum Schweizer RSC-Agreement (2019-2020) zu erhalten, habe ich in diesem Blog bereits mehrfach berichtet. Nach einiger Verzögerung und Verweigerung, legte die Universität Zürich letztes Jahr den 32-Seitigen Vertrag grösstenteils offen. Allerdings wurden die Preise der einzelnen Hochschulen geschwärzt, dies mit der Begründung:

Mit der Offenlegung des zu zahlenden Gesamtbetrages wird dem Öffentlichkeitsprinzip ausreichend Rechnung getragen.

Universität Zürich, Abteilung Datenschutzrecht, Begründungen der Schwärzungen, 10. Feb. 2020

Rekurskommission: Keine Datenherrschaft

Dagegen legte ich bei der Rekurskommission der Zürcher Hochschulen Beschwerde ein. Diese hatte sich in der Vergangenheit bereits zur Offenlegung von Subskriptionsgebühren ausgesprochen. Damals hatte ich jedoch nur die Zahlen einer Zürcher Hochschule (ZHAW) angefragt. Nun verlangte ich Zugang zum ganzen RSC-Vertrag via Zürcher Öffentlichkeitsgesetz. Dort sind die Zahlungen aller Hochschulen aufgeführt. Dies führte bei der Rekurskommission zu einem Dilemma. Wie kann sie zu ihrem früheren Entscheid für Transparenz stehen, ohne in Widerspruch zu den bekannten Basler Urteilen zu kommen. Dort hatte bei meiner früheren Anfrage nach den Ausgaben der Universität Basel an Elsevier, Springer und Wiley, dass Appellationsgericht (VD.2015.20) und später das Bundesgericht (1C_40/2017) den Zugang zu den Subskriptionspreisen der Universität Basel verneint.

Die Rekurskommission löste das Dilemma, in dem sie erklärte, dass die Universität Zürich gar keine Datenherrschaft über die Ausgaben der anderen Hochschule ausübt und die Rekurskommission keine Offenlegung dieser Zahlungen beschliessen kann. Sie entschied in Folge nur die Bekanntgabe der Total Fee’s 2019 und 2020 der Universität Zürich.

Verwaltungsgericht ZH: Kein Zusammenhang mit Aufgabenerfüllung

Dagegen erhob ich mit finanzieller Unterstützung des Vereins öffentlichkeitsgesetz.ch Beschwerde beim Zürcher Verwaltungsgericht. Das Gericht (VB.2020.00746) verwarf die Erfindung der fehlenden Datenherrschaft und griff stattdessen zu einem anderen Kniff, um sich nicht in Widersprüche zu verstricken:

„Wie bereits dargelegt wurde (E. 3), hat die Vorinstanz [Rekurskommission] zu Unrecht nicht geprüft, ob die Beschwerdegegnerin [Universität Zürich] auch die Teilbeträge auf Seite 18 und 19 der anderen Konsortiumsmitglieder hätte offenlegen müssen. Dies ist im Folgenden nachzuholen.

Hierfür ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin nur im Besitz dieser Informationen ist, weil der Verlag den Vertrag mit dem Konsortium und nicht direkt mit den einzelnen Konsortiumsmitgliedern abschloss. Diese Informationen haben keinen direkten Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung der Beschwerdegegnerin, sondern betreffen vielmehr die Aufgabenerfüllung von Institutionen, auf die das zürcherische Informations- und Datenschutzgesetz nicht anwendbar ist. Der Beschwerdeführer hat neben dem vorliegenden Verfahren denn auch bei anderen Beteiligten des Konsortiums und mithin in anderen Kantonen sowie beim Bund Verfahren eingeleitet, um Einsicht in den Vertrag bzw. Kenntnis von geleisteten Teilbeträgen alle bzw. der anderen Konsortiumsmitglieder mittels Öffentlichkeitsgesuchen zu erlangen (act. 2 S. 2, act. 5). In wie vielen Kantonen solche Verfahren hängig sind und was der jeweilige Verfahrensstand ist, ist unklar. Dazu kommt, dass für den Kanton Basel-Stadt mindestens ein rechtskräftiges (durch das Bundesgericht geschütztes) Urteil vorliegt, welches in einer ähnlich gelagerten Konstellation eine Offenlegung von Verträgen mit wissenschaftlichen Verlagen untersagt hatte (vgl. BGr, 5. Juli 2017, 1C_40/2017).

Aus Respekt vor der Hoheit der anderen Kantone und des Bundes kann das Verwaltungsgericht nicht einen diesen hängigen oder bereits abgeschlossenen Verfahren vorgreifenden bzw. widersprechenden Entscheid für alle beteiligten Konsortiumsmitglieder fällen, indem es die Offenlegung von Informationen, die nicht die Beschwerdegegnerin betreffen, anordnet oder untersagt (vgl. Art. 44 Abs. 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 [SR 101 ]).
Mithin besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse, welches der Offenlegung der Teilbeträge auf Seite 18 und 19 betreffend die anderen Konsortiumsmitgliedern entgegensteht.“

Diese Begründung ist alles andere als schlüssig. Der gemeinsame Konsortialvertrag ist ja nicht zufällig entstanden. Bestünde hier kein „direkter Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung der Universität Zürich“ hätten die Hochschulen ja jeweils einen eigenständigen Vertrag mit RSC abschliessen können. Das Konsortium bräuchte es nicht.

Wir haben nun die verrückte Situation, dass das Verwaltungsgericht ZH, die Ausgaben der Universität Zürich grundsätzlich den Charakter eines schützenswertes Geschäftsgeheimnis abspricht, aber nicht den Mut hat, zu erklären wieso die gleiche Art von Information im gleichen Vertrag dann von anderen Hochschulen doch wieder als schützenswertes Geschäftsgeheimnis gewertet werden kann. Dies obwohl für die genaue Definition eines Geschäftsgehmnisses regelmässig von allen Kantonen die Bundesrechtsprechung herangezogen wird.

Zudem ist die Lösung des Verwaltungsgericht nicht praktikabel, da man bei einem Dokument, welches Informationen aus verschiedenen Kantonen enthält (was bei der interkantonalen Zusammenarbeit ja üblich ist) ja immer wissen müsste, welchen Abschnitt man nun von welchem Organ anfragen müsste.

Swissuniversities: Zu politisch sensibel für das Öffentlichkeitsprinzip

Eine ähnlich unbefriedigende Antwort lieferte vor kurzem auch die Bildungsdirektion des Kanton Berns (Entscheid 2020.BKD.53794). Obwohl swissuniversities ein Verein von öffentlich finanzierten Hochschulen der Kantone und des Bundes ist, untersteht swissuniversities offenbar keinem Öffentlichkeitsgesetz. Dies weil die Macher der gesetzlichen Grundlage für swissuniversities vor zehn Jahren, auch lieber dem Dilemma aus dem Weg gingen als es zu tatsächlich lösen. Obwohl man swissuniversities dem Datenschutz, dem Beschaffungsrecht, dem Personalrecht des Bundes unterstellte, erklärte man in der Botschaft zum HFKG, dass für swissuniversities kein Öffentlichkeitsgesetzen gelten soll:

Die gemeinsamen Organe werden aus Gründen der politischen Sensibilität und der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben nicht dem Öffentlichkeitsgesetz unterstellt.

Vermutlich hat es damit zu tun, dass vor zehn Jahren einige Kantone das Öffentlichkeitsprinzip noch nicht kannten. Heute, wo der Bund und alle Kantone ausser Luzern das Öffentlichkeitsprinzip kennen, ist eine solche Begründung kaum zum Aushalten.

SLSP AG: Nur Dienstleister ohne öffentliche Aufgabe

Offenbar lässt sich das Öffentlichkeitsprinzip auch aushebeln, in dem öffentliche Institutionen einfach eine Aktiengesellschaft bilden. So ist die SLSP AG, gemäss einer beauftragten Einschätzung ist ebenfalls keinem Öffentlichkeitsgesetz unterstellt. Die SLSP AG bezweckt den Aufbau und den Betrieb eines Bibliotheksverwaltungssystems und die Erbringung weiterer damit zusammenhängender Services (z.B. Ausleihkurier, Konsortialdiensten). An der Gesellschaft können sich nur Hochschulen bzw. Bibliotheken der Hochschulen gemäss Bundesgesetz über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen Hochschulbereich (HFKG) sowie wissenschaftliche Bibliotheken der öffentlichen Hand beteiligen. Da der SLSP AG keine öffentlichen Aufgaben übertragen wurden und nicht hoheitlich handle, sei das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung auf die SLSP AG nicht anwendbar.

Fazit

Die unklare Situation hinsichtlich des Öffentlichkeitsprinzip bei der föderalen Zusammenarbeit ist das eine. Frustrierender ist jedoch der Unwille vieler Instanzen hier wirklich Klarheit zu schaffen und die offensichtlichen Widersprüchlichkeiten aktiv zu lösen und auch praktikable Wege aufzuzeigen.

Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Zürcher Öffentlichkeitsgesetzes auf Dokumente der interkantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz wird übrigens bald ein weiteres Bundesgerichtsurteil erwartet.

Der Schweizer 57 Mio EUR Elsevier Deal

Das Read & Publish Agreement von swissuniversities mit Elsevier gilt für Publikationen, die ab dem 1. Januar 2020 bei Elsevier eingereicht werden. Allerdings wurde erst Ende Mai 2020 der Vertrag und die Liste der relevanten Journals offiziell kommuniziert.

Big-Deal mit einem OA-Addendum

Der Vertrag liest sich zunächst wie ein klassischer Big-Deal für Journal Subskriptionen. Die Schweizer Hochschulen gönnen sich einmal mehr für 4 Jahre Zugriff auf das gesamte Journal-Portfolio von Elsevier. In einem Addendum von anderthalb Seiten wird schliesslich der neue Workflow für OA-Publikationen beschrieben.

1.5 Seiten OA-Bedingungen

Demnach können alle AutorInnen der teilnehmenden Institutionen (Sämtliche Schweizer Hochschulen, sowie Agroscope, FIBL, Uni Liechtenstein und Schweizer Vogelwarte) im Hybrid und Gold OA Programm von Elsevier Open Access publizieren:

JahrAnzahl APCs inbegriffenPreis R&PPAR-fee*
20202850 APCs13.8 Mio EUR4842 EUR
20213000 APCs14.1 Mio EUR4692 EUR
20223150 APCs14.4 Mio EUR4558 EUR
2023Unlimitiert (All you can publish)14.6 Mio EUR?
* Die PAR-fee (Read and Publishing fee) ist ein sehr grober Indikator, der zeigt wieviel Geld für die APC und dem noch bestehenden Lesezugriff pro Artikel ausgegeben wird (in Deutschland ist die PAR-fee bei Wiley beispielsweise 2750 EUR)

In den ersten drei Jahren, ist eine bestimmte Anzahl Artikel (APC’s) inbegriffen. Wird in einem Jahr weniger publiziert als vereinbart, verfällt das Kontingent. Wird mehr publiziert als vereinbart, werden die AutorInnen von Elsevier bei der Einreichung darauf hingewiesen und können dann entscheiden ob sie die Standard-APC für Hybrid oder Gold OA des jeweiligen Journals ausserhalb des Agreements zusätzlich bezahlen wollen.

Kontingent wird 2020 kaum ausgeschöpft werden.

Für das Jahr 2020 und dem Preis von 13.8 Mio EUR steht den Hochschulen ein Kontingent von 2850 APCs zu Verfügung.

Wieviele Publikationen bereits durch das Agreement veröffentlicht worden sind, lässt sich anhand von Metadaten bei Elsevier herausfinden (Najko Jahn 2019).

Demnach wurden bislang knapp 400 Publikationen unter dem neuen Agreement Open Access veröffentlicht.

Selbst wenn man berücksichtigt, dass nicht das Publikationsdatum, sondern das Einreichedatum relevant ist und deshalb die Publikationen von 2020 erst mit einer zeitlichen Verzögerung bis ins Jahr 2021 hinein sichtbar werden, ist diese Zahl überraschend tief. Mit etwa 30 Publikationen pro Woche wird man kaum in den Bereich gelangen, das Kontingent auszuschöpfen.

Pro Woche werden zwischen 20 und 30 Schweizer OA Artikel als Teil des Agreements publiziert.

Zu viele Papers sind nicht im Agreement

Wie die Gegenprobe zeigt, werden aktuell viele Artikel der involvierten Institutionen nicht über das Agreement veröffentlicht. Ich komme auf knapp 400 Corresponding Author-Papers. 75% sind in Journals publiziert, die auf der Liste des Agreement sind. Beschränkt man sich auf den Artikel-Typ „Full-length Papers“ sind zurzeit 169 Papers Closed Access, bei denen ich erwartet hätte, sie würden unter das Agreement fallen.

Entweder lehnen die Hochschulen viele Eingaben ab, oder die Papers werden von Elsevier gar nicht für das Agreement identifiziert und vorgeschlagen.

Desweiteren gibt es noch über 650 Papers, bei denen ein „Schweizer“ Co-Author, aber eben nicht Corresponding-Author ist. Diese Papers sind vom Agreement ausgeschlossen.

Insgesamt muss man deshalb konstatieren, das von den mindestens 1450 „Schweizer“ Papers, die seit 1.1.2020 bei Elsevier eingereicht und publiziert wurden, nur gerade 27% durch das neue Read & Publish Agreement frei zugänglich geworden sind.

Mirror Journals

Über das Agreement wurden bereits auch 10 Artikel in den sogenannten Mirror Journals publiziert. Hier hätte swissuniversities gut getan zu vereinbaren, dass Schweizer Corresponding Papers im Original-Journal, und nicht im Abklatsch-Journal landen. Hier ist man der dreisten Strategie von Elsevier, den Wechsel zu OA zu verzögern, einmal mehr voll auf den Leim gegangen.

Double Dip: Hybrid + Agreement

Auch gibt es Fälle bei dem die Hybrid Kosten nicht über das Agreement, sondern sehr wahrscheinlich über eine zusätzliche Rechnung an das Institut bezahlt wurde. Bestätigt weiss ich das von diesem Beispiel: http://doi.org/d6gt

Wenn nun das Kontingent nicht regulär ausgeschöpft wird, sind solche Fälle von Doppelzahlung, als die neue Art von Double Dip besonders ärgerlich.

Nur 42% CC-BY

Als grober Designfehler zeigt sich auch, dass man nicht zentral definiert hat, dass Artikel die über das Agreement veröffentlicht werden, immer eine CC-BY Lizenz haben. In dem man diese Wahl den AutorInnen überlässt, haben nun 58% der OA Artikel die Lizenz CC-BY-NC-ND, welche bekanntlich nicht mit der Berliner Erklärung kompatibel ist, die ja von swissuniversities, bzw. den einzelnen Hochschulen unterzeichnet wurde.

58% der AutorInnen wählen eine CC-BY-NC-ND Lizenz

Keine Qualitätsvorgaben

Ärgerlich ist auch, dass man es bei swissuniversities versäumt hat, klare Vorgaben hinsichtlich Qualität zu setzen. Sei das inhaltlich (z.B. Transparenz beim Peer-Review bzw. die Veröffentlichung von Peer-Review Reports) noch formal, wie z.B. die Ausgabe von vollständigen Metadaten. Elsevier verweigert ja bewusst, die Ausgabe von Zitationsdaten via Crossref. Ebenfalls liefert Elsevier keine Affiliations oder Abstracts an Crossref.

Halbherzige Transparenz

Und dann ist da noch das leidige Thema Transparenz. Zwar wurde der Vertragstext in weiten Teilen zugänglich gemacht, aber ausgerechnet bei den Kosten pro Institution, entschied man sich wieder intransparent zu bleiben:

Ungeachtet klarer früherer Entscheide, verweigern viele Hochschulen auf meine Anfragen die Auskunft. Dabei wird häufig unkritisch die Argumentation von Elsevier übernommen:

Anstatt mit 10 Minuten Aufwand Transparenz zu schaffen, sind sich viele Hochschulen (z.B. PHZH, ZHAW, UZH, UniFR, ZHDK, Lib4RI) nicht zu schade, sich selbst, mich und die Rekursinstanzen zu beschäftigen, indem sie die Ausgaben auf Anfrage nicht bekanntgeben und aussichtslose Verfahren provozieren. Immerhin gibt es doch auch einige Institutionen (z.B. UniSG, ETHZ, Agroscope, EPFL) die das Transparenzbedürfnis der Öffentlichkeit gegenüber den rein kommerziellen Interessen noch richtig abwägen können und die Zahlen nach langer Bearbeitungszeit bekannt gegeben haben.

Fazit

Wer diesen Blog seit längerem verfolgt weiss, dass ich mich in der Vergangenheit mehrfach für Read & Publish Agreements als realistischen Weg zu Open Access ausgesprochen habe (z.B. hier oder hier).

Dass meine damalige Forderung nun endlich umgesetzt wurde, stimmt mich leider nur halbwegs zufrieden. Das Agreement kommt viel zu spät und nun in einem Umfeld, bei dem sich die Parameter bereits wieder stark geändert haben (z.B. Sci-Hub, PlanS, Elsevier Abbestellung Deutschland).

Dem Agreement merkt man leider an wie es entstanden ist. Man hat sich viel zu lange von Elsevier hinhalten lassen, um dann kurz vor Ende 2019 zu etwas Halbgarem zuzustimmen, weil man nicht den Mut hatte neben Springer Nature auch Elsevier eine Abfuhr zu erteilen.

Besonders störend ist die Tatsache, dass man hier gleich einen 4-Jahres-Vertrag abgeschlossen hat. Hätte man nicht besser mit einem 1-2 Jahres-Vertrag anfangen können um Erfahrungen zu sammeln und Fehlentwicklungen, wie sie sich bereits abzeichnen noch korrigieren zu können? Nun hat man für vier Jahre alle Trümpfe aus der Hand gegeben und muss vielleicht auch noch bald Werbung für Hybrid-OA bei Elsevier machen, wenn sich die Publikationszahlen nicht so entwickeln, wie man dies antizipiert hat. Dabei wäre es ja eigentlich erstrebenswert, wenn weniger Schweizer AutorInnen in Hybrid-Journals von Elsevier, sondern in richtigen Open Access Journals publizieren. Das Signal welches dieses Agreement für richtige Gold Open Access Verlage aussendet ist zudem fatal. Ohne öffentliche Ausschreibung wird Elsevier ein Mega-Auftrag zugeschanzt, während man diejenigen Verlage, die sich seit Jahren tatsächlich um OA bemühen und dies auch günstiger liefern können, links liegen lässt.

Mit einer PAR Fee von über 4500 EUR ist man zudem auf einem bereits extrem hohen Preisniveau, das einmal mehr eindrücklich zeigt, dass OA in der Schweiz nicht am Geld scheitert.

Man hat sich nun mit dem Geld 30% OA bei Elsevier gekauft. Für die 100% die swissuniversities bis 2024 erreichen will, muss aber noch sehr viel passieren.

Schweiz: Absage an Springer Nature. Zusage an Elsevier und Wiley

Der wirklich grosse Big Bang ist in der Schweiz ausgeblieben. Dennoch kündigen nun alle Schweizer Hochschulen ihren Big Deal mit Springer Nature (inkl. Nature Journals). Wie Swissuniversities bekannt gibt, konnte Springer Nature nun nach über 1.5 Jahren Verhandlung kein passendes Angebot liefern.

Obwohl mit Wiley ebenfalls seit einem Jahr verhandelt wird, verlängern hier die Schweizer Hochschulen unverständlicherweise den Big Deal ohne hinsichtlich Open Access etwas erreicht zu haben.

Bei Elsevier hat man in einem Jahr Verhandlung ebenfalls noch kein Agreement erreicht. Immerhin besteht ein Memorandum of Understanding, dass man im März 2020 ein Read & Publish Agreement haben will, dass dann wohl für die Schweizer Einreichungen ab Januar 2020 gültig sein soll.

Swissuniversities bewahrt Rest-Glaubwürdigkeit

Mit der Absage an Springer Nature sichern sich die Schweizer Hochschulen das bisschen Glaubwürdigkeit, dass ihnen im Dossier Open Access verblieben ist. Seit Jahren zeige ich in diesem Blog auf, wie Bibliotheken mit einem ausgeprägtem Stockholm-Syndrom jeweils immer mehr für Subskriptionen zahlen und dann in der Konsequenz bei OA nicht weiterkommen. Ende 2014 habe ich auf das erste Read & Publish Agreement mit Springer in den Niederlanden hingewiesen. Eigentlich hätte man schon 2015 bei einem Verzicht auf die unnötigen Nationallizenzen (ironischerweise auch mit Springer) Richtung OA abbiegen können. 2017 habe ich am Beispiel Springer vorgerechnet, dass ein OA Agreement ab 2018 durchaus für beide Seiten drin liegt oder man ansonsten Springer den Laufpass geben soll.

Meine Freude, dass nun die Entscheidungsträger an den Hochschulen nun endlich auch zu diesem Schluss gekommen sind, wird durch das Wissen getrübt, dass durch dieses unverständliche Zögern, weitere 10 Mio CHF öffentliche Gelder und wertvolle Zeit verschwendet worden sind.

Unverständlicher Wiley-Big Deal

Leider geht die Verschwendung bei Wiley weiter. Es werden 2020 wieder öffentliche Gelder an Wiley fliessen, ohne dafür OA zu erhalten. Anders als bei der inkonsequenten Verlängerung des Big-Deals mit Springer Nature letztes Jahr, hat man nun mit Wiley ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, welches erst 2021 vielleicht zu einem Read & Publish Agreement führt.

Wieso man ein Read & Publish Agreement (z.B. analog zu Schweden) nicht schon dieses Jahr verlangt hat und im Falle einer Verweigerung durch das Wiley-Management den Big Deal konsequent aufkündigt ist unverständlich und zeigt, dass man die kommerzielle Natur eines börsenkotierten Verlages offenbar immer noch nicht verstanden hat.

Vielleicht auch deshalb gab swissuniversities der Pressemeldung den merkwürdigen Titel: swissuniversities definiert Beziehungen mit den Verlagen, als ob diese Beziehung irgend anderes definiert sein könnte, als ein Dienstleister-Kunden Verhältnis.

Elsevier Read and Publish Agreement

Beim angekündigten OA Big-Deal wird der Preis entscheidend sein, um den Deal zu beurteilen. Die erste Generation von Big Deals mit OA-Komponenten bei Elsevier (e.g. Niederlande, Finnland) waren nicht wirklich befriedigend, da sie nur Discounts auf APCs gewährten. Die zweite Generation (Polen, Norwegen, Ungarn, Schweden, Carnegie Mellon) sind bezüglich OA viel umfangreicher, jedoch häufig sehr teuer und teilweise mit dem Kauf von Analytics (Scopus, SciVal) verbunden. Vermutlich der „beste“ Deal dürfte zurzeit Schweden haben, da man dort Elsevier schon einmal deutlich Nein gesagt hat. Hier wird sich zeigen, ob sich die Schweizer Hochschulen mit der bisherigen Haltung (viel Geld, aber wenig Mut und Rückgrat) einen anständigen Deal herausgeschlagen haben. Zudem lässt der andauernde Boykott der deutschen Hochschulen und der University of California auch erahnen, dass Elsevier aktuell nicht bereit ist, unter einem gewissen Preis in diese Agreements einzusteigen.

Kleiner historischer Moment und grosse Chance

In Anbetracht, dass die Universität Basel 2017 noch vor Bundesgericht mit dem Argument überzeugte, ohne die Subskriptionen von Elsevier, Wiley und Springer können sie ihren Forschungsauftrag nicht mehr wahrnehmen, ist die nun angekündigte Abbestellung der Springer Nature Journals geradezu ein kleiner historischer Moment.

Bestimmt auch ein Moment, der bei einigen BibliothekarInnen Sorgen erweckt, da sie einerseits diesen Entscheid gegenüber ihren Forschenden verteidigen müssen und anderseits ihr bisheriges Rollenverständnis als Gatekeeper aufgerüttelt wird.

Das Risiko eines Aufschrei der Wissenschaft ist klein. Die Nutzung von Sci-Hub ist in der Schweiz legal und mit dem neuen Core-Browser-Plugin gibt es neu sogar Konkurrenz zu Unpaywall um OA-Versionen zu finden. Die Abbestellung entlastet swissuniversities zudem bei ihrer vorgesehenen Massnahme „Kommunikation und Sensibilisierung“ zu OA. Denn jetzt wird das Thema in die hintersten Ecken ankommen auch ohne, dass man teuere PR-Massnahmen betreibt, die letztlich nur diejenigen 20% Forschenden erreicht, die von OA eh schon überzeugt sind.

An den letzten OA-Tagen in Hannover war es für mich zudem ein grosses Highlight festzustellen, dass inzwischen sehr viele Beteiligte mit dem deutschen OA-Big-Deal mit Wiley unzufrieden sind. Die positiven Erfahrungen mit der Abbestellung von Elsevier führt in Deutschland offensichtlich zu einer Lust mit dem Subskriptionsmodell ganz zu brechen.

Die Lust könnte sich in der Schweiz auch einstellen, wenn man nun mit der Abbestellung von Springer Nature sieht, dass der Kaiser eigentlich nackt ist.

Update: 19.12.2019

Springer Nature bekundet auf Twitter, dass der Zugang bis auf weiteres für die Schweizer Forschenden gegeben ist. Oh ja, der Kaiser ist sehr nackt!

Update: 23.12.2019

Swissuniversities stellt eine FAQ online.

Big Bang statt Big Deal?Verhandlungen in der Schweiz mit Elsevier, Springer und Wiley drohen zu scheitern

Es geht um 22.4 Mio EUR, welche die Schweizer Hochschulen alleine den drei grossen Verlagen Elsevier, Springer und Wiley jährlich für Zeitschriften bezahlen.

Quelle: Schneider Gabi (2019). Nationaler Aktionsplan Open Access. 7.11.2019

In 6 Wochen könnte es sein, dass dieses Geld nicht mehr an diese Verlage fliesst. Am 16. Oktober erhielten die Schweizer Hochschulen von Michael Hengartner, Präsident von swissuniversities einen Brief, wonach Vorbereitungen zu treffen sind, sollten die Ende Jahr auslaufenden Verträge nicht erneuert werden.

Seit einem Jahr versucht ein Verhandlungsteam mit Vertretung von Rektor/innen, Forschenden, Bibliotheken und des Schweizer Konsortiums Read & Publish Verträge mit den drei Grossen zu erreichen. Die Ziele dieser Verhandlungen wurden vorgängig in einem fortschrittlichen Factsheet, welches sich an den Verhandlungsgrundsätzen von LIBER orientiert, angekündigt.

2018: Kniefall vor Springer Nature

Während andere Länder nun schon seit mehreren Jahren Offsetting-Agreements mit diversen Verlagen abschliessen und dadurch den Open Access Anteil ihrer „eigenen“ Artikelproduktion steigern, hat die Schweiz bisher von der Seitenlinie zugesehen und den Verlagen weiterhin Millionen für Closed Access hinterhergeworfen. Anfang dieses Jahres haben einige Hochschulen immerhin mit RSC ein erstes, jedoch intransparentes Read & Publish Agreement geschlossen.

Gemäss dem Factsheet von swissuniversities wollte man eigentlich schon 2019 ein Read & Publish Agreement mit Springer Nature haben. Allerdings wurde Mitte (!) 2018 still und leise im Fliesstext auf der OA-Webseite von swissuniversities folgender Satz eingefügt:

Im Interesse eines erfolgreichen Transformationsprozesses passte swissuniversities auf Wunsch von Springer Nature die im März 2018 kommunizierte Agenda an und vereinbarte für 2019 eine Übergangslösung.

Wie das Beschaffungsportal simap.ch zeigt, kostete diese euphemistisch bezeichnete „Übergangslösung“ 5.2 Mio EUR.

Verzug des Aktionsplans

Gemäss der Open Access Strategie (2017) von swissuniversities sollen 2024 alle von öffentlichen Geldern finanzierten wissenschaftlichen Publikationen „der Schweiz“ frei zugänglich sein. Wenn dieses Ziel noch erreicht werden soll, muss nun Einiges geschehen. Beim Aktionsplan ist man in diversen Bereichen in Verzug:

Quelle: Schneider Gabi (2019). Nationaler Aktionsplan Open Access. 7.11.2019

Kein Zweitveröffentlichungsrecht

Ein herben Dämpfer erlebte die Strategie ebenfalls, als der Wunsch nach einem gesetzlich verankerten Zweitveröffentlichungsrecht im Parlament bei der Urheberrechtsrevision im Sommer 2019 durchfiel:

Der Bundesrat ist hier der Auffassung, dass ein gesetzgeberischer Eingriff nicht notwendig ist. Die Universitäten stehen bereits heute in Verhandlung mit den Verlegern. Zudem hat Swissuniversities auch in den Hearings darauf hingewiesen, dass die Schweiz im Bereich Open Access im internationalen Vergleich eine führende Rolle einnimmt. Das zeigt schon, dass die Selbstregulierung hier funktioniert, ohne dass es eine zusätzliche Regulierung durch den Gesetzgeber braucht.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter, im Ständerat am 4.6.2019

Man kann dies Entscheid des Parlaments durchaus als Quittung dafür ansehen, dass man in den vergangenen Jahren die eigene Passivität im Dossier OA gegenüber der Öffentlichkeit und Politik permanent beschönigt hat.

Zur Erinnerung: Als 2010 Nationalrat Theophil Pfister den Bundesrat einlud, mit dem Gewicht des Geldgebers den Zielen von OA eine stärkere Gewichtung zu geben (Motion 10.3240) wurde diese Einladung ausgeschlagen:

Insgesamt werden nach Einschätzung des Bundesrates die Arbeiten im Bereich Open Access von den verantwortlichen Akteuren zielführend und effizient angegangen. Für den Bundesrat sind somit die Anliegen der Motion erfüllt, und es besteht zum jetzigen Zeitpunkt kein zusätzlicher Handlungs- und Regelungsbedarf im Sinne der Motion.

Befreiungsschlag ist möglich und nötig

Swissuniversities kann sich nun aus der selbstverschuldeten Lethargie befreien, indem nun Ende dieses Jahr klar Stellung gegenüber den Verlagen bezieht und konsequent für OA einsteht.

Man darf sich auch in Erinnerung rufen, dass die Unzufriedenheit mit den grossen Verlagen, insbesondere mit Elsevier, eine lange Geschichte hat:

Zwischenbericht_2010.jpg
Auszug Protokolle ETH-Rat 2010

Wie beispielsweise eine Umfrage an der ETHZ ebenfalls ergeben hat, wird eine Transformation zu OA von den Forschenden klar befürwortet und es gibt eine grosse Bereitschaft auf die Abos zu verzichten.

Dabei könnte Swissuniversities auch gar die Read- und Publishverträge ganz überspringen und sich voll und ganz auf die Finanzierung von Gold OA fokussieren. Die COAliton-S gibt diesen Agreements letztlich sowieso nur eine Chance bis 2024:

After 2024, we will be encouraging institutional libraries and large consortia to switch from ‘read and publish’ agreements with publishers to ‘pure publish’ deals for portfolios of subscription journals that have become open-access journals. The cOAlition S funders will contribute to financing such deals

Und man darf auch ruhig noch einmal betonen, dass die Nutzung von Sci-Hub in der Schweiz legal ist und eine fantastische Abdeckung bietet.

Update 3. Dezember 2019

Die Universität Bern informiert zum ersten mal öffentlich und gibt bekannt, dass swissuniversities am 13. Dezember entscheiden werden.

Schweizer „Read and Publish“-Vertrag mit RSC soll vollständig geheim bleiben

Als Michael Hengartner, Präsident swissuniversities und Rektor der Universität Zürich an der Open Access Konferenz Schweiz 2018 gefragt wurde, ob er im Sinne von Open Access auch die kommenden Verträge mit Elsevier und Springer öffentlich machen wird, war seine Antwort ganz klar ja.

Schliesslich ist diese Transparenz seit längerem erklärtes Ziel von Swissuniversities für die aktuellen Verhandlungen mit Elsevier, SpringerNature und Wiley:

3. Transparenz der Lizenzverträge
Die Lizenzverträge werden aus öffentlichen Geldern bezahlt. Deren Inhalte sollten entsprechend ebenfalls öffentlich zugänglich sein. Gesellschaftlich werden Vertraulichkeitsklauseln nicht mehr akzeptiert.

Factsheet zur Verhandlungsstrategie von swissuniversities, 15.3.2018

Während für diese drei Verlage noch keine neuen Vereinbarungen vorliegen, wurde im Februar 2019 ein erstes „Read und Publish“-Agreement mit RSC verkündet.

Beiläufig war zu erfahren, dass mit dem Verlag wieder Geheimhaltungsvereinbarungen eingangen wurden.

Also verlangte ich bei der Hauptbibliothek der Universität Zürich Einsicht in den Vertrag. Gemäss Zürcher Öffentlichkeitsgesetz müsste eine solche Anfrage innerhalb von 30 Tagen beantwortet werden. Doch die UZH tat sich offenbar sehr schwer mit der angeblich „zeitintensiven“ Anfrage, so dass ich die Antwort erst 120 Tage später erhalten habe.

Die Universität Zürich lehnt mein Gesuch ab und weigert sich sogar den Vertrag nur teilweise zugänglich zu machen.

Würde sie den Vertrag zugänglich machen, würde die Beziehungen zu den Kantonen der Vertragspartner beeinträchtigt. Ebenfalls habe sich RSC in seiner Stellungnahme gegen die Veröffentlichung von Vertragsstellen ausgesprochen die sich die Kosten/Preiskalkulationen beziehen.

Die Bekanntmachung des RSC-Vertrages kann zu einer Wettbewerbsverzerrung führen bzw. den Marktvorteil von RSC – als einer der ersten Verlage ein neues, zukunftsorientiertes Geschäftsmodell entwickelt zu haben – einschränken.

Insgesamt ist der Antwort leider nicht zu erkennen, dass eine sorgfältige Prüfung der rechtlichen Situation erfolgt ist. Ich werde den Entscheid bei der Rekurskommission der Zürcher Hochschulen anfechten.


Wer meine Anstrengungen finanziell unterstützen möchte:

  • CH31 0840 1016 8467 8040 6 – Christian Gutknecht, Blumensteinstrasse 17, 3012 Bern

Bundeskanzlei verhindert freien Zugang und subventioniert NZZ Libro Verlag

Die folgende Geschichte fängt mit der Pressemeldung Bundesrat nimmt den Bericht «Die Schweiz 2030» zur Kenntnis vom 16.10.2018 an.

Die Schweizerische Bundeskanzlei hat 77 Persönlichkeiten aus verschiedene Branchen und Landesteilen eingeladen, kurz und prägnant wichtige Entwicklungen, die der Bundesrat bei der Festlegung der Bundespolitik berücksichtigen sollte, zu schildern. Gemäss Pressemeldung wird der Bericht in die Erarbeitung des nächsten Legislaturprogrammes einfliessen.

Bericht ist auch elektronisch kostenpflichtig

Normalerweise würde man nun bei solchen staatspolitisch relevanten Berichten der Verwaltung erwarten, dass der Bericht in der Pressemeldung verlinkt ist. Hier jedoch nicht. Anstelle einer URL gibt es bloss den Hinweis, dass der Bericht im Webshop „Bundespublikationen“ oder beim Verlag „NZZ Libro“ kostenpflichtig erworben werden muss.

Buch „Die Schweiz 2030“ käuflich für 34 Fr. im Shop Bundespublikationen
„Die Schweiz 2030“ käuflich für 20.50 Fr. (E-Book) und für 34 Fr. (Print) im Shop von NZZ Libro

Autorinnen haben kein Honorar erhalten

Da die Bundeskanzlei bei diesem Bericht als Herausgeberin angegeben war, erkundigte ich mich nach dem Hintergrund dieser merkwürdigen Konstellation und verlangte gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz Auskunft und Einblick in die relevanten Akten.

Hinsichtlich des Urheberrechts zu diesem Bericht gab Lorenzo Cascioni, Leiter Sektion Strategische Führungsunterstützung der Bundeskanzlei folgende Auskunft:

Die Autorinnen und Autoren haben ihren Beitrag unentgeltlich verfasst. Als Dank erhalten sie ein Gratisexemplar vom Buch. Die Urheberrechte am Text verbleiben beim Autor/bei der Autorin, die Nutzungsrechte für alle Auflagen und Ausgaben werden den Herausgebern bzw. dem Verlag übertragen.

Bund bezahlte 53’000 Franken

Hinsichtlich der finanziellen Situation wurde ich ans Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) verwiesen, welche das Bestellverfahren durchgeführt und die Abrechnung vorgenommen hat. Ich erhielt Einsicht zu den drei relevanten Bestellbestätigungen. Für die Erstellung und Gestaltung einer druckreifen PDF-Version des Berichts flossen 37k Fr. zum NZZ Libro Verlag. Für den Druck der Buchblöcke, der Umschläge und des Binden von 2000 Exemplaren wurden zusätzlich 16k Fr. an zwei weitere Firmen bezahlt:

Gestaltungsarbeiten (NZZ Libro Verlag)37’000 Fr.
Druck (Ostschweiz Druck AG)  5’530 Fr.
Buchbinderei-Arbeiten (Bubu AG)11’164 Fr
Total bezahlte Kosten durch Bund (exkl. MwSt)53’694 Fr.

Von den 2000 gedruckten Exemplare wurde die Hälfte durch die Bundesverwaltung selber beansprucht:

  • Je ein Gratisexemplar an die Autorinnen und Autoren
  • Je ein Gratisexemplar an die Kantone, Parteien und an die Parlamentarierinnen und Parlamentarier
  • Eigenbedarf innerhalb der Verwaltung (Bundesräte, Departemente/Bundeskanzlei)
  • Verkauf über Shop Bundespublikationen (ca. 500)

Subventionierung des NZZ Libro Verlags

Die andere Hälfte (1000 Ex.) wurde NZZ Libro für den Verkauf zu Verfügung gestellt. Gemäss einer (mir noch nicht zugänglichen) Basisofferte, soll für jedes durch den Verlag verkaufte Exemplar eine Rückzahlung von 20% der Netto-Verlagseinnahmen an den Bund zurückgehen. Der restliche Betrag sei als Entschädigung für die Aufwände und Vermarktung des Buches von Seiten Verlag gedacht. 

Gelingt es dem NZZ Libro Verlag alle 1000 Exemplare zu einem Preis von 34 Fr. zu verkaufen, kann er ohne eigenes Risiko und und viel Aufwand 27’200 Fr. Erlös erzielen:

34’000 Fr.  – 6800 Fr. = 27’200 Fr. 

Selbst wenn durch den NZZ Libro Verlag (1000 Ex.) wie auch durch den eigenen Shop (500 Ex.) alle bisher 1500 gedruckten Berichte verkauft werden könnten, bliebe der Bund letztlich auf Ausgaben von 30k Fr. sitzen:

53’694 Fr. – 17’000 – 6800 Fr. = 29’894 Fr.

Closed Access soll zu höherer Visibilität führen

Auf die Frage, weshalb trotz dieser enormen öffentlichen Finanzierung der Bericht nicht frei elektronisch zu Verfügung steht, antwortet Lorenzo Cascioni von der Bundeskanzlei:

Für die Buchpublikation wurde ein externer Verlag herbeigezogen, um dem Buch eine grössere Visibilität zu verschaffen. Aufgrund des kommerziellen Aspekts dieser Zusammenarbeit sind die Bücher (print und elektronisch) nur entgeltlich zu erwerben. Wir verweisen zudem auf Artikel 3 der Gebührenverordnung Publikationen. Gemäss Auskunft des BBL ist dies vorliegend die Grundlage für die Entgeltlichkeit.

Gebührenverordnung Bundespublikationen

In der Tat kann die Bundesverwaltung gemäss dieser Verordnung beim Bezug von Publikationen Gebühren erheben. Was beim Bezug von Print-Publikationen ja durchaus nachvollziehbar ist, wird aber mit der Gebühr auf die elektronische Version ad absurdum geführt. Tragischerweise wurde diese Gebühren für elektronische Publikationen erst 2015 mit der Revision dieser Verordnung eingeführt. Auszug aus dem erläuternden Bericht:

Die bisherige Gebührenverordnung Publikationen sah bis anhin keine Gebühren für elektronische Publikationen vor. Der Internet-Shop
Publikationen des Bundesamtes für Bauten und Logistik (BBL) erlaubt
es aber beispielsweise bereits heute, sowohl kostenlose wie auch kostenpflichtige elektronische Publikationen anzubieten. Die neue Gebührenverordnung trägt diesem Umstand Rechnung und sieht deshalb neu die Möglichkeit vor, für elektronische Publikationen eine Gebühr zu erheben. Dies bezieht sich insbesondere auf elektronische Publikationen, deren Erstellung oder Veredelung aufwändig ist. Nicht aufwändige
elektronische Publikationen können aber weiterhin gratis bezogen werden. Damit wird dem Bedürfnis der Herausgeber in der Bundesverwaltung entsprochen, welche einer kostenpflichtigen gedruckten Publikation eine elektronische Version zur Seite stellen wollen.

Im Weiteren ist im Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember
2004, (BGÖ; SR 152.3) Art. 17 Abs. 4 festgehalten: „Für die Abgabe von Berichten, Broschüren oder anderen Drucksachen und Informationsträgern kann in jedem Fall eine Gebühr erhoben werden“.

In der allgemeinen Gebührenverordnung vom 8. September 2004 (AllgGebV; SR 172.041.1) wird die Gebührenpflicht im Art. 2, Ziff. 1
für Dienstleistungen begründet: „Wer eine Verfügung veranlasst oder eine Dienstleistung beansprucht, hat eine Gebühr zu bezahlen“.

Mit diesen Erläuterungen fühlt man sich beim Bericht der „Die Schweiz 2030“ gleich mehrfach vor den Kopf gestossen.

  • Die Entscheidung diesen Bericht zu erstellen (und Kosten zu verursachen) lag alleine bei der Bundeskanzlei. Von einer durch BürgerInnen beanspruchten Dienstleistung, welche allenfalls eine Gebühr gemäss Verursacherprinzip rechtfertigen würde, kann insbesondere bei den Herstellungskosten der elektronischen Version, nicht gesprochen werden.
  • Alleine die Tatsache, dass die Bundeskanzlei es für sinnvoll hielt, eine Printausgabe zu erstellen, für welche eine Gebühr gerechtfertigt sein mag, begründet nicht, weshalb die elektronische Version ebenfalls kostenpflichtig sein soll. Die Kosten für das Hochladen und Hosting eines Berichts sind heute vernachlässigbar.

Fazit

Das Verbreitungsrecht zum Bericht „Die Schweiz 2030“ liegt nachwievor bei der Bundeskanzlei. Möchte sie wirklich die grösst mögliche Visibilität des Berichts erreichen, dann sollte sie diesen Bericht frei elektronisch zugänglich machen. Gemäss Gebührenverordnung Publikationen Art. 4 Abs. 3 obliegt ihr diese Kompetenz.

Die inhaltliche Verlagsarbeit von NZZ Libro wurde mit dem Gestaltungsauftrag von 37’000 Fr mehr als genügend abgegolten. Es ist unwahrscheinlich, dass diese initialen Kosten des Bundes, jemals durch die Erlöse des Verkaufs gedeckt werden. Schon gar nicht, wenn die Bundeskanzlei dem NZZ Libro Verlag in einem unverständlich grosszügigen Akt, nahezu sämtliche Gewinne aus dem Verkauf von 1000 vorfinanzierten Exemplaren überlässt.

Es wäre sinnvoller, wenn sich die Bundeskanzlei von den mitschwingenden Pseudo-Argument der Kostdeckung gemäss Verursacherprinzip gänzlich lossagen würde, und den Bericht elektronisch unter einer offenen CC-Lizenz zugänglich macht. 

Update 18.12.2018

Das BBL ergänzte auf eine weitere explizite Anfrage hin, endlich die Basisofferte, auf der festgehalten ist:

 Für jedes durch den Verlag verkaufte Exemplar erhält der Verlaggeber (Bundeskanzlei) eineRückzahlung von 20 % der Netto-Verlagseinnahmen.

Initiale Offerte für das Buchprojekt mit einer angedachten Auflage von 10’000 Exemplaren. 

Update 18.04.2019

Die Bundeskanzlei ist meinem Anliegen entgegen gekommen. Ab sofort steht das PDF im Shop Bundespublikationen frei zu Verfügung. Dies ist das Resultat einer erfolgreichen Schlichtung gemäss BGÖ beim EDÖB.

Inzwischen ist von Damian Müller (Ständerat, FDP) zur Publikation eine Interpellation (19.3232) mit diversen Fragen eingereicht worden.

Open Access Konferenz Schweiz 2018

Die Schweizer Universitäten wollen bis 2024 Open Access für ihre Publikationen erreichen. Dazu organisierte swissuniversities die mit 300 Teilnehmern die bisher grösste nationale OA-Konferenz an der Universität Lausanne. Neben den üblichen Verdächtigen der OA-Szene nahmen erfreulicherweise auch sehr viele Personen aus den höchsten Leitungsebenen des Schweizer Wissenschaftsbetriebs teil.

Schweizer OA-Strategie

Zunächst stellte Michael Hengartner, Rektor der Universität Zürich und Präsident von swissuniversities die bekannte Open Access Strategie von swissuniversities vor. An verschiedenen Stellen betonte Hengartner, dass es sich um eine typisch Schweizerische (will wohl heissen: dezentral, autonomiebewahrende, kompromissorientierte) Strategie handle. Man wolle bewusst alle Stakeholder einbeziehen, um eine möglichst breite Abstützung zu erhalten. Von Zwang wolle man prinzipiell absehen.

Beim Strategiepunkt Verhandlungen mit den Verlagen kündigte Hengartner bereits eine Verzögerung an. Die laufenden Verhandlungen mit Springer-Nature verliefen schwieriger als gedacht, so dass man das Ziel eines Read & Publish-Modell (wie es die Länder UK, NL, AUT, FIN, SWE bereits haben) für 2019 bereits aufgegeben und auf 2020 verschoben hat. Auf der OA Website von swissuniversities hat man dies in einer versteckten Ergänzung eines Absatzes bekannt gegeben:

swissuniversities passt auf Wunsch von Springer Nature die im März 2018 kommunizierte Agenda im Interesse eines erfolgreichen Transformationsprozesses zu Open Access an und handelt eine interimistische Lösung aus.

Auf Nachfrage gab sich Hengartner über die Hintergründe wortkarg. Mit Blick auf die Situation in Deutschland sehe man sehr wohl, dass die Welt beim Aufkündigen der Verträge nicht zusammenbreche. Trotzdem wolle man die eigenen Forschenden nicht in einen Nachteil versetzen, in dem sie keinen Zugang mehr auf die Inhalte haben. Man wolle grundsätzlich mit den Verlagen arbeiten und nicht gegen sie. Weiter wolle er sich nicht zum Thema äussern, da es doch klar sei, dass er nicht die Verhandlungsposition von swissuniversities bekannt geben kann. Allerdings sieht die präsentierte Strategie einen Ausstieg vor, wenn Verhandlungen scheitern. Wenn swissuniversities nun das fehlende Angebot von SpringerNature für die Transformation Open Access, wie bereits letztes Jahr unterwürfig damit belohnt, weiter brav die Abos zu bezahlen, kann man diese Strategie nicht wirklich ernst nehmen. Im Jahr 2015 zahlten die Schweizer Hochschulbibliotheken ca. 3 Mio. EUR an Springer (noch ohne Nature) nur für Abos.

Podium: Ist 2024 realistisch?

Im anschliessenden Podium wurde unter der Moderation von Axel Marion, auf einem relativ abstraktem Level diskutiert, ob die Ziele von swissuniversities realistisch seien. Gerade bei den Fachhochschulen (vertreten durch Luciana Vaccaro, Rektorin, HES-SO) und PHs (vertreten durch Hans-Rudolf Schärer, Rektor, PH-Luzern) war dann schon festzustellen, dass der ansonsten bei den Universitäten (vertreten durch Kilian Stoffel, Rektor, UniNE) vorherrschende Fokus auf Zeitschriften anders gelagert ist Schärer betonte beispielsweise, dass OA bei der Forschung aber auch den Lehrmitteln der PH für die Tausenden von Lehrpersonen in der Schweiz eine signifikante Verbesserung bewirken könnte.

Staatssekretär Dell’Ambrogio

Für den bald pensionierten Staatssekretär des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) Mauro Dell’Ambrogio war es sichtlich eine Freude zu OA referieren zu können. Schliesslich hatte sein Brief von 2015 dazu geführt, dass es bei swissuniversities endlich mit OA vorwärts ging. Viel kam dadurch ins Rollen, unteranderem auch diese Konferenz.

Man möge nun international gesehen nicht die schnellsten und ambitioniertesten sein, aber dafür sei man wohl realistisch. Der Bund könne und will sich da eigentlich nur auf diese Impulse beschränken, da das Hochschulwesen in der Schweiz (abgesehen von SNF) stark kantonal geprägt sei. Die Einflussmöglichkeit des Bundes auf den ETH-Bereich erwähnte Dell’Ambrogio nicht.

Vielmehr lobt er den beim Programm „Wissenschaftliche Information“ (SUK-P5) angewandte Mechanismus, dass nationale Projekte zu 50% von den Hochschulen selber getragen werde. So bleibe den Hochschulen die Wahlmöglichkeit und die daraus entstehende Diversität fördere letztlich gute Lösungen.

Open Access beim SNF

Am Nachmittag erklärte die Direktorin Angelika Kalt die Umsetzung von Open Access des Schweizerischen Nationalfonds SNF. Anders als swissuniversities möchte der SNF OA bereits 2020 erreichen. Der SNF zahlt inzwischen für Gold OA von Artikeln, Büchern und einzelnen Buchkapitel. Er zahlt jedoch nicht für Hybrid. Ansonsten erwartet er Green OA mit maximalen Embargos von 6 Monate bei ZS-Artikel und 12 Monate bei Buchkapiteln. Der SNF unterstützt Plan S, hat ihn aber noch nicht unterschrieben, da dazu noch einige Fragen zur Umsetzung unbeantwortet geblieben sind, und man als SNF auch gerne Plan S mit den Schweizer Hochschulen umsetzen möchte.

Podium: Kritik am APC-Modell und vom legalen Download als illegalen Quellen (Sci-Hub)

Adriano Aguzzi, Editor in Chief von „Swiss Medical Weekly“ ist wohl DER Verfechter von Platinum Open Access. Er legte sich gleich zu Beginn mit Kamila Markram, CEO von Frontiers an. Es liege auf der Hand, dass das APC-Modell dazu führe, dass profitorientierte Verlage Anreiz haben auch Inhalte mit schlechter Qualität zu überprüfen, da dadurch mehr Gewinn zu erwirtschaften sei. Kamila Markram, sichtlich genervt von diesem Vorwurf, erzählte auf Nachfrage der Moderatorin Claudia Appenzeller, zunächst die Gründungsstory von Frontiers. Sie konnte an der technischen EPFL nicht auf ihr eigenes, in den Life Sciences publiziertes Paper zugreifen. Mit ihrem Mann Henry Markram wollte sie den Missstand mit der Gründung eines Verlags beheben. Eigentlich strebten sie zunächst auch ein Modell an, welches weder den Leser noch die Autoren was kosten sollte. Die Geldsuche erwies sich jedoch schwierig. Zu Beginn floss viel unentgeltliche Arbeit rein, bis immerhin Novartis bereit war Geld einzuschiessen: ca. 100’000 [Fr.?]. 2013 kaufte sich die Holtzbrinck Gruppe bei Frontiers ein (Siehe auch 2016 Interview bei Richard Pyonder). Auf die Kritik von Aguzzi, dass dadurch doch eine Erwartung auf Gewinn vorhanden sei, antwortete Markram, dass seit 10 Jahren bei Frontiers bislang noch keine Dividenden ausbezahlt wurden. Auf kritische Nachfrage aus dem Publikum, was denn ein Investor da noch für einen Anreiz habe, antwortete Markram: „Es gibt Leute, die wollen die Welt verbessern.“

Aguzzi schlug weiter vor, dass Journals sich beispielsweise beim SNF um eine Trägerschaft bewerben, ähnlich dem Prozess für Forschungsgelder.

Daniel Hürlimann, Assistenz-Prof mit Schwerpunkt Informationsrecht, kondensiert seine Sicht auf 6 Vorschläge, die er sehr prägnant vorbrachte:

Insbesondere die Forderung nach dem Aufkündigen der Verträge, erregte bei Podiumsteilnehmer Rafael Ball, Direktor der ETH-Bibliothek, einiges an Widerspruch. Das Beispiel Deutschland sei nicht die „beste Referenz“. Er würde der Schweizer-Verhandlungsdelegation kein Vorgehen wie bei DEAL empfehlen, da es zu Unzufriedenheit bei WissenschaftlerInnen führt.

Hierauf erwähnte Hürlimann, die Schweizer Eigengebrauchsregel, wonach das reine Herunterladen selbst von illegalen Quellen legal sei, und spielte somit – ohne es explizit zu nennen – auf Sci-Hub an, wo der Content vieler Verlage nahezu vollständig verfügbar ist. Ein Trumpf, den die Schweizer Bibliotheken in ihren Verhandlungen für OA zu ihren Gunsten eigentlich ausspielen könnten. Für Ball kommt dies aber aus wohl moralischen Gründen nicht in Frage. Aber anstatt dies so zu deklarieren, bezeichnet er das Downloaden von Sci-Hub, weiterhin unbelehrbar als illegal, was vom Publikum, welches die Differenzierung nach Schweizer Recht längstens verstanden hat, jeweils mit einem Stöhnen quittiert wurde.

Open Science bei Europäischer Ebene

Weiters stellte Jean-Pierre Finance die Sicht auf Open Science aufgrund den erhaltenen Resultaten aus Umfragen (insbesondere Open Access Survey Report 2016-2017 und Big Deal Survey Report) der European University Association (EUA) dar.

Open Access aus der Sicht eines Nobelpreisträger

Anschliessend kam der 76-jährige Jacques Dubochet ans Rednerpult, welcher 2017 den Nobelpreis für Chemie erhalten hat (Siehe SRF Sendung Reporter). Er erinnert stark an das Klischee eines älteren Wissenschaftlers: Liebenswert, etwas zerstreut und ganz seiner Materie und der Wissenschaft verpflichtet. Er sprach von seiner damaligen Arbeit und der Entdeckung der Kryo-Elektronenmikroskopie, dessen vermeintlichen Durchbruch 1980 im Journal of Molecular Biology publiziert wurde. Allerdings konnte sein Team später die Resultate mit einem neuen Mikroskop nicht reproduzieren, was dann 1982 in Nature korrigierend bekannt gegeben wurde. Was sich damals bereits als Ende der wissenschaftlichen Karriere anfühlte, entwickelte sich durch eine gute Wendung letztlich positiv. Dubochet erzählte allerdings, wie er Jahre nach diesem Fehler versuchte mit seinem damaligen Kollegen, die Erkenntnis aus dem Fehler zu publizieren. Mit einem schelmischen Lächeln erzählte er, wie ihr Paper gerade vor Bekanntgabe des Nobelpreises noch bei Nature abgelehnt wurde. Deshalb wurde es dann etwas später bei PLOS Biology mit dem Titel „Ups and downs in early electron cryo-microscopy“ publiziert. Dies war offenbar seine erste Begegnung mit Open Access, dessen Idee er stark unterstützt, da er grundsätzlich findet, dass Wissenschaft dem Gemeinwohl verpflichtet sei.

Auf die Frage, ob es für den Nobelpreis wichtig war, in Nature publiziert zu haben, antwortete Dubochet, dass er dies natürlich nicht wisse, aber die relevanten Methoden seien letztlich im Journal of Microscopy publiziert worden, welches lediglich einen durchschnittlichen IF habe.

    Schlusswort von François Bussy

    Der Vizerektor Forschung der Universität Lausanne fasste die während des Tages diskutierten Fragestellungen und Themen sehr gut zusammen:

    • Green OA: Probleme mit den Embargos und Compliance
    • Gold OA: Sind APCs das beste Geschäftsmodell? Wenn Platinum OA ideal ist, wer bezahlt es?
    • Forschende sollten umbedingt mit einbezogen werden. Die grundsätzliche Zustimmung zu OA (90%), muss auch bei der Umsetzung sichergestellt sein.
    • Spannungsfeld zwischen Freiheit und Anreize/Zwang. Bussy verweist auf die kürzlich erschienene Auswertung von Funder-Mandates. Die Deadlines des SNF und swissuniversities helfe die OA-Diskussion in Lausanne vorwärts zu bringen. Es braucht eben vielleicht schon auch Zwang, aber doch mit der Wahlmöglichkeit nach Green oder Gold.
    • Bussy findet Green Road nach wie vor wichtig und schlägt ein Moratorium vor 5-10 Jahren vor.
    • Verlagerung von Abo-Kosten nach Gold OA
    • Transparenz bei den Kosten, insbesondere die Hybridzahlungen, die an der Bibliothek vorbeigehen.
    • Alternative Evaluationskriterien (auch global)
    • Weniger, aber besser Publizieren.

    Persönliches Fazit

    OA hat es in der Schweiz definitiv von der kleinen subversiven Bewegung zum Mainstream geschafft. Dies hat die Konferenz klar gezeigt.

    Grundsätzliche Kritik an OA war in Lausanne nicht zu hören. Nicht einmal von den traditionellen Verlagsvertreter (Elsevier, Springer Nature, Wiley, Kedos, Schulthess, Helbing, Peter Lang, Antipodes, Stämpfli, Karger), die gemäss Teilnehmerliste auch anwesend waren. Irritierenderweise war es einmal mehr Rafael Ball, der sich im Plenum besorgt um das finanzielle Wohlergehen der traditionellen Verlage zeigte und die Frage nach einer Kompensation aufwarf, müssten diese bei der Umstellung auf einen gewissen Teil der Einnahmen durch die Privatwirtschaft verzichten.

    Obwohl OA nun definitiv als wichtiges Ziel verankert ist, stellte sich mir nach der Konferenz einmal mehr die Frage, ob genügend Wille und Mut nach radikaler Veränderung vorhanden ist. Bereits zeichnet sich ab, dass man mangels Mut mit dem weiterfährt, wo man eigentlich schon seit 10 Jahren weiss, dass es eben NICHT die gewünschte Änderung zu OA bringt. Es fängt mit dem Einknicken gegenüber Springer Nature an, obwohl man hier ein klares Zeichen hätte setzen können. In Folge bedeutet dies das bekannte Spiel: Die fortwährenden Millionenzahlungen an den falschen Ort zementieren das Subskriptionsmodell und das Geld fehlt dann beim Finanzieren von Gold OA (in welcher Form auch immer). Wie absurd das inzwischen ist, zeigt sich zum Beispiel and der UZH, wo auch 15 Jahre nach der Gründung von PLOS, wo der jetztige Rektor Hengartner übrigens aktiv dabei war, es immer noch kein institutionelles verlags- und disziplinunabhängiges Funding für die Bezahlung von Gold OA wie PLOS oder eLife gibt.

    Bei Green OA wissen wir auch seit 10 Jahren, dass Sensibilsierungsmassnahmen und OA-Monitoring diesen Weg kaum effizierter machen. Was es braucht, ist eine Durchsetzung von oben, aber genau die will man offenbar genau bei swissuniversities (noch) nicht. Natürlich man kann jetzt noch auf das Zweitveröffentlichungsrecht hoffen. Aber wenn dies nicht kommt, wäre es für swissuniversities wohl doch der Punkt um sich zu überlegen, ob man nicht einen Gang hochschalten kann und sich Plan S anschliessen will.

    Update: 14.11.2018

    Die Videos sind nun auf der Konferenzseite verfügbar.

    Transparenz bei Subskriptionskosten in der Schweiz: Bilanz nach vier Jahren

    Vor vier Jahren, am 23. Juni 2014, habe ich die Schweizer Hochschulbibliotheken nach ihren Ausgaben an die drei grossen Verlage Elsevier, Springer und Wiley angefragt. Die Antworten waren ernüchternd. Bis auf die Tessiner Universität (USI) war keine Hochschule bereit die Zahlen offenzulegen. Mit viel Unverständnis nahm ich den juristischen Kampf für die Transparenz dieser Kosten auf. Updates und Dokumente dieses andauernden Unterfangen habe ich jeweils hier im Blog verlinkt.

    Juristische Bilanz

    Bislang musste ich bei 14 Institutionen Beschwerde einreichen. In 11 Fällen (Uni Bern, ZB Zürich, Hauptbibliothek Uni Zürich, ZHAW, ETHZ, EPFL, Lib4RI, Uni Genf, Uni Fribourg, Uni Lausanne, Bibliothek am Guisanplatz) stellte sich in teils mehrjährigen Verfahren heraus, dass der Informationszugang widerrechtlich verhindert wurde. Zwei Fälle in St. Gallen (Uni und FH) sind noch hängig. Lediglich im Fall Basel habe ich vor Bundesgericht verloren.

    Mehrheitlich kann man deshalb sagen, dass in der Schweiz die bisher leichtfertig unterzeichneten Vertraulichkeitsklauseln keine absolute Sperrwirkung haben und die bezahlten Summen alleine keine objektiven Geschäftsgeheimnisse der Verlage darstellen.

    Finanzielle Bilanz

    Für alle Rekurse habe ich bisher 22’043 CHF Gerichts- und Anwaltskosten aufgewendet. Durch das Crowdfunding, weiteren Spenden und Entschädigung durch die Gerichte kamen 6’927 CHF wieder zurück. Insgesamt musste ich somit für das ganze Unterfangen persönlich 15’116 CHF bezahlen. Dazu kommen natürlich Hunderte von Stunden, die ich für das Schreiben von Rekursen und das Bestreiten von Schlichtungen aufwenden musste.

    Meine ernüchternde Erfahrung insbesondere aus dem Rekurs gegen die Universität Genf: Selbst wenn man letztlich vor Gericht vollständig Recht bekommt, werden einem nicht automatisch die entstandenen Auslagen zurückerstattet. Es überwiegt auch die bittere Erkenntnis, dass man als Bürger ökonomisch immer verliert, wenn man gegen die Verwaltung den juristischen Weg einschlägt. Denn der Aufwand, der durch Fehlentscheide von gut bezahlten Juristinnen oder Führungspersonen in der Verwaltung verursacht wird, geht immer auf Staatskasse und letztlich wieder auf die Kosten der Steuerzahlenden.

    Bilanz zu den erhaltenen Daten

    Gerne möchte ich einmal zu den initialen Auswertungen (Uni Bern, Uni Zürich, ETHZ) eine Übersicht zu den Gesamtdaten machen und diese in Vergleich zu anderen Ländern setzen. Doch dies erweist sich als schwierig, da ich immer noch diverse grundsätzliche Lücken bestehen (Universität Basel, Hochschule Luzern, St. Gallen) und ich auch von einigen Hochschulen inzwischen keine aktualisierten Daten mehr erhalte ohne Tausende von Franken Gebühren zu bezahlen.

    Dennoch zeigen die ersten erhalten Daten, insbesondere auch die „offizielle“ Datenerhebung des SNF und swissuniversities, dass in der Schweiz weit mehr für Zeitschriften bezahlt wird als in vergleichbaren Ländern. Eine Umstellung zu Open Access, selbst zu den aktuellen Preisen der Verlage, würde die Schweiz mit einem Wechsel zu OA massiv Geld sparen.

    Bilanz für Open Access

    Noch aber hat sich bei meinem eigentlichen Anliegen „Open Access“ in der Schweiz nichts wirklich getan. Obwohl ich am Beispiel Springer erstmalig öffentlich aufzeigen konnte, dass die Schweizer Bibliotheken im Vergleich zum Ausland schon massiv schlechtere Konditionen ohne Open Access haben, entschieden sich die Verantwortlichen im Jahre 2018 weiterhin Springer und dem klassischen Modell die Treue zu halten.

    Immerhin ist inzwischen von swissuniversties eine Open Access Strategie geschaffen worden. Bis 2024 sollen alle Publikationen von Schweizer Forschenden frei zugänglich sein.

    Ebenfalls gibt es erstmals eine definierte Strategie für die kommenden Verhandlungen mit den Verlagen Elsevier, Springer Nature und Wiley. Darin ist nun auch endlich verankert, dass keine Vertraulichkeitsklauseln mehr akzeptiert werden:

    Die Lizenzverträge werden aus öffentlichen Geldern bezahlt. Deren Inhalte sollten entsprechend ebenfalls öffentlich zugänglich sein. Gesellschaftlich werden Vertraulichkeitsklauseln nicht mehr akzeptiert.

    Es wird zu testen sein, ob dem so sein wird und die Verträge aktiv offengelegt werden.

    Bilanz Öffentlichkeitsprinzip

    Das Öffentlichkeitsprinzip und die dazugehörigen Gesetze sind in meinen Augen eine grosse rechtsstaatliche Errungenschaft und gewissermassen auch eine Messlatte für den Stand einer Demokratie. Viele dieser Gesetze sind noch jung und die (Rechts-)Praxis ist noch nicht gefestigt. Meine Anstrengungen haben dazu beigetragen das Öffentlichkeitsprinzip mindestens in der Bibliotheksbranche und dem Hochschulbereich bekannt zu machen.

    Mit der zunehmenden Bekanntheit ergeben sich aber auch neue Probleme. So entdeckte man an der ETH-Bibliothek, dass man den Sinn des Öffentlichkeitsprinzips mit hohen Gebührenforderungen aushebeln kann. So forderte die ETH-Bibliothek auf meine zweite Anfrage nach aktualisierten Daten eine Gebühr von 4000 CHF. Dies fand man an der Universität St. Gallen inspirierend und verlangte plötzlich auch 3000 CHF. Es folgte die Hauptbibliothek der Universität Zürich, welche in einer zweiten Runde gar 4250 CHF für die Herausgabe verlangte.

    Rechtlich komme ich da zurzeit nicht weiter, weil die meisten Öffentlichkeitsgesetze tatsächlich Gebühren als Option vorsehen. Zumindest auf Bundesebene gibt es schon seit längerem einen politischen Vorstoss dies zu ändern. Ausgelöst durch die Gebührenforderung der Hauptbibliothek der Universität Zürich ist nun auch im Zürcher Kantonsrat eine ähnliche parlamentarische Initiative aufgegleist.

    Persönliche Bilanz

    Es war nicht immer ganz einfach in diesen vier Jahren. Meine Anfragen und Beschwerden, sowie meine Berichterstattung hier auf dem Blog missfielen gerade denjenigen, welche den bisherigen Kurs mit den Verlagen stark mitbestimmt haben oder leichtfertig mitgegangen sind. Anstatt Verantwortung zu übernehmen und diesen Kurs zu korrigieren, versteiften sich einige Akteure darauf mir persönlich Steine in den Weg zu legen. In einem Fall ging das sogar soweit, dass der Vizepräsident einer Hochschule bei meinem Arbeitgeber vorstellig wurde und mich beruflich zu diskreditieren suchte. Neben solchem Machtmissbrauch habe ich auch viel Unvermögen, Unsachlichkeit und Opportunismus erlebt, so dass ich heute gegenüber der Verwaltung viel kritischer eingestellt bin, als ich es eigentlich sein möchte.

    Umgekehrt habe ich von vielen Leuten Zusprache und tolle Unterstützung erhalten. Auch bei den wirklich unabhängigen Beschwerdeinstanzen, insbesondere von den Öffentlichkeitsbeauftragten, hatte ich den Eindruck, dass ein grosses Interesse an einer sorgfältigen Prüfung vorhanden war und man mich mit meinem Anliegen ernst nahm.

    Insgesamt bleibt dieses „Projekt“ eine wichtige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Für Überzeugungen auch gegen viel Widerstand einzustehen, hat viel Erfüllendes. Zu sehen, dass man mit Risikobereitschaft, Engagement und die Berufung auf die gegebenen Rechte durchaus etwas in der realen Welt bewegen kann, ist letztlich viel befriedigender, als diese Erfahrung in den virtuellen Welten von Games und Serien nachzuerleben (was ich auch gerne tue).

    Natürlich wäre es schön gewesen, wenn die Bibliotheken und Hochschulen – wie in Finnland – nach dem ersten Urteil schneller zu einer konstruktiven Sachlichkeit zurückgefunden hätten. Die Energie, die selbst nach den ersten klaren Urteilen immer noch in die Verhinderung von Transparenz und gegen meine Person gesteckt wurde (und sogar immer noch wird), wäre besser direkt in den anstehenden Kampf gegen die Grossverlage geleitet worden.

    Umfrage zu Open Access an der ETH Zürich

    Die ETH Zürich führte im Februar 2017 bei ihren Forschenden eine Umfrage zu Open Access durch, deren Resultate nun veröffentlicht wurden. An der Umfrage nahmen 16% (992 von 6212) ETH-Wissenschaftler (inkl. Assistierende) teil.

    Zustimmung zu OA und Transformation.

    • 90% aller Befragten sind der Meinung, dass wissenschaftliche Publikationen grundsätzlich online frei zugänglich sein sollten. Bei der grossen SOAP-Studie (2011) waren es 89%.
    • 74% der Befragten würden eine vollständige Transformation des wissenschaftlichen Publikationswesens vom Subskriptionsmodell hin zu OA positiv bewerten.

    Boykottwille vorhanden

    Besonders interessant war die Frage, zu was ETH-Wissenschaftler bereit wären, wenn ein Verlag Zeitschriftenpreise fordert, welche aus Sicht der ETH Zürich inakzeptabel sind. Knapp 50% wären bereit auf den Zugriff zu verzichten und über 70% wären bereit die Tätigkeit in einem Editorial Board oder als Reviewer abzulehnen oder niederzulegen.

    Abbestellung_Review_Verzicht

    Für eine bloss hypothetische Frage ist diese Zustimmung zu einem Boykott sehr hoch.  Man kann sich gut vorstellen, dass bei einem entsprechenden realen Fall, bei dem die Wissenschaftler auch mit mehr konkreter Informationen versorgt werden, die Bereitschaft und Zustimmung zum Boykott noch erhöht werden kann.

    OA-Policy und Repository wenig bekannt

    • 74% der Befragten ETHZ-Wissenschaftler kennen die 2008 eingeführte verpflichtende Open Access Policy der ETHZ nicht.
    • 24% haben noch nie vom Repository ETH E-Collection (seit Juli 2017: Research Collection) gehört.
    • Academic Social Networks werden dem Institutionellen Repository gar vorgezogen:

    Wo_OA_publizieren.png

    Gründe gegen Gold-OA

    Die Gründe gegen Gold/Hybrid OA sind vielfältig:

    Gründe gegen OA.png

    Interessanterweise gibt es an der reichen ETH doch 20% Wissenschaftler, die angeben aus finanziellen Gründen nicht OA zu publizieren. Erschreckend ist die Zahl derer, die aus Unkenntnis nicht OA publiziert. Als ob es so komplex wäre.

    Gründe gegen Grün-OA

    Gründe gegen grün.png

    Auch bei den Gründen warum 600 ETH-Wissenschaftler im letzten Jahr kein Repository benutzt haben oder, um es klar zu benennen, der OA-Policy nicht nachgekommen sind, wird mehrheitlich Ahnungslosigkeit vorgeschoben.

    Finanzierung von Gold/Hybrid OA

    Die Umfrage fragte auch nach der Finanzierungsquelle und der Höhe der Ausgaben:

    Finanzierung OA.png

    Ähnlich der Resultaten aus der „Pay it forward„-Studie, scheint vielen ETH-Wissenschaftlern (Hybrid) Gold OA so wichtig, dass sie nicht auf die Bibliothek warten, bis diese verlagsunabhängiges OA-Funding anbietet oder sich um Offsetting-Verträge kümmert. Sie bezahlen APCs gleich direkt aus ihrem Forschungsetat. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass Forschende auch für Hybrid OA bezahlen und es so zu dem berüchtigten Double Dip kommt.

    Unterschiede pro Gruppe

    Je nach Anstellungsform und Forschungsjahre konnten teils signifikante Unterschiede in den Antworten erkannt werden:

    • Professorinnen und Professoren stimmen am wenigsten zu, dass wissenschaftliche Publikationen grundsätzlich online frei zugänglich sein sollten. Sie fordern am stärksten eine weiterhin freie Wahl des Publikationsorgans und stimmen am wenigsten zu, dass die OA Policy generell verpflichtend sein soll. Sie bezahlen auch die höchsten Gebühren für Veröffentlichungen aller Art.
    • Wissenschaftlichen Mitarbeitenden mit befristeter Anstellung ist eine weiterhin freie Wahl des Publikationsorgans am wenigsten wichtig und sie stimmen einer vollständigen Transformation des Publikationswesen hin zu OA am ehesten zu.
    • Befragte mit mehr als 20 Jahren Forschungserfahrung stimmen am wenigsten zu, dass wissenschaftliche Publikationen grundsätzlich online frei zugänglich sein sollten. Auch einer vollständigen Transformation des Publikationswesen hin zu OA stimmen sie am wenigsten zu. Der Anteil an Personen, welche die OA Policy kennen, ist am höchsten und langjährig Forschende haben in den letzten 12 Monaten auch am meisten OA-Publikationsmöglichkeiten genutzt.

    Fazit

    Insgesamt bestätigt die Umfrage weitgehend, was man bereits über OA an der ETHZ wusste. Die OA-Policy der ETHZ ist gut, nur fehlt es ihr seit Jahren an internem Gewicht zur Durchsetzung. An der ETHZ und insbesondere in der Bibliothek gibt es niemand der die Forschenden in mühsamer Arbeit auffordert, den Postprint für diese und jene Publikation aufs Institutionelle Repository zu stellen. Entsprechend kommt so kein regelmässiger Kontakt und Austausch zwischen Bibliotheksmitarbeitenden und Forschenden zustande und entsprechend äussern sich viele Forschenden, dass sie uninformiert sind. So bleibt auch das Repository leer. Sucht man aktuell (22.8.2017) in Research Collection nach Artikeln aus dem Jahr 2017 findet man insgesamt 2797 Artikel verzeichnet, aber nur gerade mal 122 (4%) sind Open Access. Bei ZORA sind es vergleichsweise 598 von 1404, also 42%.

    Wirklich neu ist die Erkenntnis, dass Forschende sehr wohl zu Boykott-Massnahmen bereit sind. Dies widerspricht der, insbesondere der Schweiz vertretenen Aufassung vieler BibliotheksdirektorInnen, dass man als Bibliothek zwischen Verlag und Forschenden als Opfer gefangen ist und sich letztlich den Verlagen nicht widersetzen könne. Die Umfrage zeigt vielmehr, dass beim Einbezug der Forschenden und einer transparenten Information über die Preise und Verhandlungen, durchaus mit Unterstützung von Forschungsseite gerechnet werden kann. Denn letztlich begrüssen 74% der Forschenden einen Wechsel vom Subskriptionsmodell zu OA.

    Mal schauen, ob Rafael Ball den durch die Resultate der Umfrage zugespielten Ball aufnehmen kann. Noch im letzten Jahresbericht der ETH-Bibliothek, warnt Ball vor Schnellschüssen und „Aktionismus“.

    Doch zunehmend gewinnt man den Eindruck, dass auch Bibliotheken mehr und mehr tangiert werden von aktuellen politischen Umwälzungen und Ereignissen, denen sie sich nicht mehr verschliessen können und dürfen. Da ist zum Beispiel das Thema «Open Access», das deutlich mehr ist als eine weitere Spielart der Literaturversorgung. Es ist vielmehr eine politische und wirtschaftliche Problematik, die bis in die Führung von Staaten reicht und auf der gleichen Ebene wie Wirtschaftssubventionen oder Marktinterventionen abgehandelt wird. Denn die Konsequenzen sind so gewaltig und grundlegend, dass viele Akteure sie nicht mehr zu überschauen scheinen und das Thema mit einem blossen Aktionismus mit ungewissem Ausgang vorantreiben. Denn die Konsequenzen sind so gewaltig und grundlegend, dass viele Akteure sie nicht mehr zu überschauen scheinen und das Thema mit einem blossen Aktionismus mit ungewissem Ausgang vorantreiben.

    Gerade hier ist es wichtig, dass sich Bibliotheken ihrer Jahrhunderte alten Tradition als Kultur- und Gedächtnisinstitution erinnern und neuen Trends – zumal wenn sie irreversible Konsequenzen haben – mit dem notwendigen Sachverstand und der gebotenen Tiefe nähern und die beteiligten Akteure mit validen Informationen und Statements unterstützen. Die ETH-Bibliothek ist gerade bei diesem Thema im besten Sinne des Wortes professionell mit dabei: Qualifiziert, durchdacht, konstruktiv, aber ohne Schnellschüsse.