Beschaffungsrecht und Open Access

Im Beitrag Ein neuer Blick auf Open Access: Wissenschaftliches Publizieren aus Sicht des öffentlichen Beschaffungsrechts, beleuchten die Juristen Alfred Früh und Rika Koch ein Thema, dem in der Schweizer Bibliothekswelt bislang viel zu wenig Beachtung zugekommen ist. Wesentliche Teile des Beitrags stammen aus dem swissuniversities-Projekt Regulatory Framework.

Anwendbarkeit des Beschaffungsrechts

Seit der Total-Revision von 2021 bezweckt das Schweizer Beschaffungsrecht auch den wirtschaftlichen und den volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel.

Dies gilt sicher für Beschaffungen über den Schwellenwerten:

Für die Verlagsleistungen gelten gemäss BöB die Schwellenwerte von CHF 230’000 für die ETH und die EPFL und gemäss IVöB CHF 250’000 bzw. CHF 350’000 für kantonale Forschungsinstitutionen. Ab diesen Vertragsvolumen müssen Aufträge an Verlage schweizweit oder gar international ausgeschrieben werden. Ab CHF 150’000 kommt das Einladungsverfahren gem. Art. 20 BöB IVöB zum Zug, bei dem öffentliche Auftraggeber:innen zwar nicht öffentlich ausschreiben, aber drei Anbieter:innen zur Offerteinreichung einladen müssen.

Aber auch für kleinere Beschaffungen:

Allerdings spricht sich die Literatur unter dem revidierten Gesetz dafür aus, die grundlegenden Prinzipien des Beschaffungsrechts selbst dann zu berücksichtigen, wenn die Schwellenwerte nicht erreicht werden. Dies wird damit begründet, dass den staatlichen Stellen auch im unterschwelligen Bereich, der schliesslich den Grossteil aller Beschaffungen ausmacht, eine Vorbildrolle zukommt und er auch dort den verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Prinzipien der Gleichbehandlung, des wirtschaftlichen Handelns und der Nachhaltigkeit nachleben solllen.

Für die Praxis bedeutet dies:

Dem Beschaffungsrecht unterstellte Akteure und Akteurinnen müssen sich bei jeder Ausschreibung überlegen, i) welches Preis-Leistungs-Verhältnis anzustreben ist und inwiefern sich die zu beschaffende Leistung auf ii) die Umwelt und iii) die Gesellschaft auswirkt.

Soziale Nachhaltigkeit nicht mit traditionellem Modell vereinbar

Früh und Koch versuchen in ihrem Beitrag zu bewerten, ob gemäss den beiden Prinzipien der wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit des Beschaffungsrechts das Open-Access-Modell gegenüber dem traditionellen Reader-/Library-Pay-Modell bei der Beschaffung bevorzugt werden sollte.

In Bezug auf die wirtschaftliche Nachhaltigkeit ist letztendlich entscheidend, ob die Leistungen der Verlage (Begutachtung, Lektorat, Layout, Archivierung) im Verhältnis zu dem von ihnen verlangtem Preis steht. Dies kann bei beiden Modellen gleichermassen gegeben oder nicht gegeben sein.

Jedoch offenbart das Reader/Library-Pay-Modell in Bezug auf die soziale Nachhaltigkeit eine Schwäche, indem es der Allgemeinheit den Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen verwehrt, obwohl diese Erkenntnisse mithilfe öffentlicher (Steuer-)Mittel erarbeitet werden.

Daher sollte Open Access im Sinne des sozialen Nachhaltigkeitsprinzips stärker bei Beschaffungsentscheidungen berücksichtigt werden.

Beschaffungsrecht zu lange irrelevant

Wie Früh und Koch betonen, steht die beschaffungsrechtliche Befassung mit dem wissenschaftlichen Publizieren noch ganz am Anfang. Dies ist auch meine Wahrnehmung.

Zwar operieren die Hochschulbibliotheken mit den Big Deals schon seit mehrere Jahrezehnten in Bereichen über den Schwellenwerten, in denen das Beschaffungsrecht Anwendung findet. Aufgrund des dysfunktionalen Marktes mit Oligopolen war jedoch auch immer klar, dass für die Beschaffung nicht substituierbarer wissenschaftlicher Literatur kein wettbewerbliches Verfahren möglich war. Thema war eher im Gegenteil, ob nicht ein Eingriff der Kartellbehörden nötig wäre um zu mehr Wettbewerb zu gelangen. Dokumentiert ist beispielsweise das Treffen des ETH-Ratspräsidenten mit der Wettbewerkommission im Mai 2012 zur Causa Elsevier.

Das Beschaffungsrecht wurde deshalb von vielen Hochschulbibliotheken als irrelevant betrachtet. Viele ignorierten deshalb auch die Pflicht, freihändige Vergaben zu deklarieren. Konsequenzen hatte das keine. Denn wo kein Kläger (und beim Beschaffungsrecht müssten das Mitbewerber sein), da kein Richter.

Ich bin dem Thema insbesondere bei der Universität Basel nachgegangen, wo ja das Appellationsgericht Basel-Stadt (2016) und das Bundesgericht (2017) anders als im Rest der Schweiz entschieden haben, dass die Öffentlichkeit nicht wissen darf, was die Universität an Elsevier, Wiley und Springer zahlt. Mein Einspruch, dass gemäss Beschaffungsrecht diese Beträge (sofern über den Schwellenwerten) sowieso hätten deklariert werden müssen wurde von den Gerichten stets ignoriert.

Selbst als ich mich der Universität Basel nach Beschaffungsrecht erkundigte, wurde ich mit einer Floskel abgespeist. Ich habe dies dann der Ombudsstelle gemeldet, die den Sachverhalt an die Finanzkontrolle für das nächste Audit bei der Universität Basel übergeben hat. Wie es weitergangen ist weiss ich nicht. Denn die Berichte der Finanzkontrolle sind für das kantonale Parlament bestimmt und werden nur öffentlich, wenn eine Mehrheit des Parlaments dies so beschliesst. Ich gehe aber stark davon aus, dass die Universität Basel damals einen Rüffel von der Finanzkontrolle erhalten hat.

Wachsendes Bewusstsein

Seither findet man auf simap.ch tatsächlich häufiger Informationen zu den freihändigen Beschaffungen von wissenschaftlichen Publikationen. Auf Bundesebene (ETH’s) gibt es seit 2022 zudem die Regel, dass Beschaffungen ab 50’000 Fr jährlich maschinenlesbar veröffentlicht werden müssen. Insgesamt ist somit das Beschaffungsrecht im Bewusstsein der Hochschulbibliotheken in den letzten Jahren sicher angekommen.

So findet man diese Tage auch die Verlängerung der Schweizer Elsevier Agreements 2024-2028 auf Simap.ch.

Simap Elsevier 2024-2028

Entkoppelung Read & Publish ermöglicht Wettbewerb

Aber ein Weiterdenken hinsichtlich der Nachhaltigkeitsprinzipien ist nötig. Auch die Frage, ob die bezahlten Preise der Leistung der Verlage entsprechen, sollte empirisch beantwortet werden.

Gerade mit Open Access hätten die Hochschulen auch eine historische Chance, wieder in ein wettbewerbliches Beschaffungswesen hineinzukommen. Sie könnten für ihre eigenen Publikationen Aufträge für Publikationsdienstleistungen ausschreiben, auf die sich dann mehrere Verlage bewerben können. Neben dem Preiswettbewerb hätte das den Vorteil, dass Hochschulen auch die formalen Anforderungen an die Qualitätssicherung, OA-Lizenz, technische Publikationsformate usw. mitbestimmen und bei der Zuschlagserteilung berücksichtigen können.


Der Beitrag von Früh und Koch stammt aus der suis-generis Reihe #unbequem die dem Wirken des 2022 unseres verstorbenen Kollegen Daniel Hürlimann gewidmet ist.

Einblick ins Geschäft des Ghostwriting

Auf dem Youtube-Kanal {ungeskripted} gibt es ein spannendes Interview mit Elias Gudwis, der unter ghostwriting-gudwis.de eine Ghostwriting-Agentur mit Fokus Haus-, Bachelor- und Masterarbeiten betreibt.

„Lustigerweise“ hat die Plagiatsaffäre um Guttenberg dazu geführt, dass die Nachfrage gestiegen ist, weil Ghostwriter bezüglich Plagiate ihr Handwerk verstehen. Auch ChatGPT hat bisher noch nicht zu einem Einbruch der Nachfrage geführt, da es für den wissenschaftlichen Bereich einfach noch nicht genügend ausgereifte Arbeiten liefert. Langfristig sieht Gudwis die KI allerdings schon als einen Einfluss, der die Preise in seiner Branche nach unten treiben wird.

Obwohl Gudwis natürlich ahnt, wofür die Arbeiten gebraucht werden, bewegt er sich im legalen Bereich, weil es ja der/die AuftraggeberIn ist, der diese Arbeit dann – sehr wahrscheinlich – als seine eigene bei einer Hochschule einreicht und damit gegen die Regeln verstösst. Moralisch scheint er mit seinem Geschäft wenig Bedenken zu haben. Verständnis für seine Auftraggeber hat er insbesondere dann, wenn diese eigentlich einfach einen Beruf ausüben wollen, für den zwar ein Studienabschluss verlangt wird, der Inhalt des Studiums dann aber wenig mit dem eigentlichen Job zu tun hat. Er würde sich als „Wissenschafts-Nerd“ nicht nur eine Abkehr von dieser inflationären Verakademisierung wünschen, sondern auch eine offene Debatte über die eigentlichen Missstände, die zum Ghostwriting führen. Hier sieht er allerdings keinen Willen des Hochschulbetriebs.

Im Oktober 2023 gab es in Nano ebenfalls ein Beitrag „Fake-News in der Wissenschaft“ zum Thema Papermills.

Knacknuss Öffentlichkeitsprinzip bei der Zusammenarbeit von Hochschulen

Ein neues Urteil (VB.2020.00746) des Zürcher Verwaltungsgericht bestätigt, dass Preise von Read & Publish Agreements auf Nachfrage öffentlich gemacht werden müssen, da sie keine objektiv schützenswerte Geschäftsgeheimnisse darstellen. Allerdings soll das nur für die Universität Zürich gelten, und nicht für alle Vertragsteilnehmer gleichermassen. Das Urteil bildet eine weitere Etappe in einer Odyssee wie das Öffentlichkeitsprinzip in der interkantonalen Zusammenarbeit anzuwenden oder eben nicht anzuwenden ist.

Informationszugang RSC-Vertrag via Universität Zürich

Über meinen Versuch Zugang zum Schweizer RSC-Agreement (2019-2020) zu erhalten, habe ich in diesem Blog bereits mehrfach berichtet. Nach einiger Verzögerung und Verweigerung, legte die Universität Zürich letztes Jahr den 32-Seitigen Vertrag grösstenteils offen. Allerdings wurden die Preise der einzelnen Hochschulen geschwärzt, dies mit der Begründung:

Mit der Offenlegung des zu zahlenden Gesamtbetrages wird dem Öffentlichkeitsprinzip ausreichend Rechnung getragen.

Universität Zürich, Abteilung Datenschutzrecht, Begründungen der Schwärzungen, 10. Feb. 2020

Rekurskommission: Keine Datenherrschaft

Dagegen legte ich bei der Rekurskommission der Zürcher Hochschulen Beschwerde ein. Diese hatte sich in der Vergangenheit bereits zur Offenlegung von Subskriptionsgebühren ausgesprochen. Damals hatte ich jedoch nur die Zahlen einer Zürcher Hochschule (ZHAW) angefragt. Nun verlangte ich Zugang zum ganzen RSC-Vertrag via Zürcher Öffentlichkeitsgesetz. Dort sind die Zahlungen aller Hochschulen aufgeführt. Dies führte bei der Rekurskommission zu einem Dilemma. Wie kann sie zu ihrem früheren Entscheid für Transparenz stehen, ohne in Widerspruch zu den bekannten Basler Urteilen zu kommen. Dort hatte bei meiner früheren Anfrage nach den Ausgaben der Universität Basel an Elsevier, Springer und Wiley, dass Appellationsgericht (VD.2015.20) und später das Bundesgericht (1C_40/2017) den Zugang zu den Subskriptionspreisen der Universität Basel verneint.

Die Rekurskommission löste das Dilemma, in dem sie erklärte, dass die Universität Zürich gar keine Datenherrschaft über die Ausgaben der anderen Hochschule ausübt und die Rekurskommission keine Offenlegung dieser Zahlungen beschliessen kann. Sie entschied in Folge nur die Bekanntgabe der Total Fee’s 2019 und 2020 der Universität Zürich.

Verwaltungsgericht ZH: Kein Zusammenhang mit Aufgabenerfüllung

Dagegen erhob ich mit finanzieller Unterstützung des Vereins öffentlichkeitsgesetz.ch Beschwerde beim Zürcher Verwaltungsgericht. Das Gericht (VB.2020.00746) verwarf die Erfindung der fehlenden Datenherrschaft und griff stattdessen zu einem anderen Kniff, um sich nicht in Widersprüche zu verstricken:

„Wie bereits dargelegt wurde (E. 3), hat die Vorinstanz [Rekurskommission] zu Unrecht nicht geprüft, ob die Beschwerdegegnerin [Universität Zürich] auch die Teilbeträge auf Seite 18 und 19 der anderen Konsortiumsmitglieder hätte offenlegen müssen. Dies ist im Folgenden nachzuholen.

Hierfür ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin nur im Besitz dieser Informationen ist, weil der Verlag den Vertrag mit dem Konsortium und nicht direkt mit den einzelnen Konsortiumsmitgliedern abschloss. Diese Informationen haben keinen direkten Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung der Beschwerdegegnerin, sondern betreffen vielmehr die Aufgabenerfüllung von Institutionen, auf die das zürcherische Informations- und Datenschutzgesetz nicht anwendbar ist. Der Beschwerdeführer hat neben dem vorliegenden Verfahren denn auch bei anderen Beteiligten des Konsortiums und mithin in anderen Kantonen sowie beim Bund Verfahren eingeleitet, um Einsicht in den Vertrag bzw. Kenntnis von geleisteten Teilbeträgen alle bzw. der anderen Konsortiumsmitglieder mittels Öffentlichkeitsgesuchen zu erlangen (act. 2 S. 2, act. 5). In wie vielen Kantonen solche Verfahren hängig sind und was der jeweilige Verfahrensstand ist, ist unklar. Dazu kommt, dass für den Kanton Basel-Stadt mindestens ein rechtskräftiges (durch das Bundesgericht geschütztes) Urteil vorliegt, welches in einer ähnlich gelagerten Konstellation eine Offenlegung von Verträgen mit wissenschaftlichen Verlagen untersagt hatte (vgl. BGr, 5. Juli 2017, 1C_40/2017).

Aus Respekt vor der Hoheit der anderen Kantone und des Bundes kann das Verwaltungsgericht nicht einen diesen hängigen oder bereits abgeschlossenen Verfahren vorgreifenden bzw. widersprechenden Entscheid für alle beteiligten Konsortiumsmitglieder fällen, indem es die Offenlegung von Informationen, die nicht die Beschwerdegegnerin betreffen, anordnet oder untersagt (vgl. Art. 44 Abs. 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 [SR 101 ]).
Mithin besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse, welches der Offenlegung der Teilbeträge auf Seite 18 und 19 betreffend die anderen Konsortiumsmitgliedern entgegensteht.“

Diese Begründung ist alles andere als schlüssig. Der gemeinsame Konsortialvertrag ist ja nicht zufällig entstanden. Bestünde hier kein „direkter Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung der Universität Zürich“ hätten die Hochschulen ja jeweils einen eigenständigen Vertrag mit RSC abschliessen können. Das Konsortium bräuchte es nicht.

Wir haben nun die verrückte Situation, dass das Verwaltungsgericht ZH, die Ausgaben der Universität Zürich grundsätzlich den Charakter eines schützenswertes Geschäftsgeheimnis abspricht, aber nicht den Mut hat, zu erklären wieso die gleiche Art von Information im gleichen Vertrag dann von anderen Hochschulen doch wieder als schützenswertes Geschäftsgeheimnis gewertet werden kann. Dies obwohl für die genaue Definition eines Geschäftsgehmnisses regelmässig von allen Kantonen die Bundesrechtsprechung herangezogen wird.

Zudem ist die Lösung des Verwaltungsgericht nicht praktikabel, da man bei einem Dokument, welches Informationen aus verschiedenen Kantonen enthält (was bei der interkantonalen Zusammenarbeit ja üblich ist) ja immer wissen müsste, welchen Abschnitt man nun von welchem Organ anfragen müsste.

Swissuniversities: Zu politisch sensibel für das Öffentlichkeitsprinzip

Eine ähnlich unbefriedigende Antwort lieferte vor kurzem auch die Bildungsdirektion des Kanton Berns (Entscheid 2020.BKD.53794). Obwohl swissuniversities ein Verein von öffentlich finanzierten Hochschulen der Kantone und des Bundes ist, untersteht swissuniversities offenbar keinem Öffentlichkeitsgesetz. Dies weil die Macher der gesetzlichen Grundlage für swissuniversities vor zehn Jahren, auch lieber dem Dilemma aus dem Weg gingen als es zu tatsächlich lösen. Obwohl man swissuniversities dem Datenschutz, dem Beschaffungsrecht, dem Personalrecht des Bundes unterstellte, erklärte man in der Botschaft zum HFKG, dass für swissuniversities kein Öffentlichkeitsgesetzen gelten soll:

Die gemeinsamen Organe werden aus Gründen der politischen Sensibilität und der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben nicht dem Öffentlichkeitsgesetz unterstellt.

Vermutlich hat es damit zu tun, dass vor zehn Jahren einige Kantone das Öffentlichkeitsprinzip noch nicht kannten. Heute, wo der Bund und alle Kantone ausser Luzern das Öffentlichkeitsprinzip kennen, ist eine solche Begründung kaum zum Aushalten.

SLSP AG: Nur Dienstleister ohne öffentliche Aufgabe

Offenbar lässt sich das Öffentlichkeitsprinzip auch aushebeln, in dem öffentliche Institutionen einfach eine Aktiengesellschaft bilden. So ist die SLSP AG, gemäss einer beauftragten Einschätzung ist ebenfalls keinem Öffentlichkeitsgesetz unterstellt. Die SLSP AG bezweckt den Aufbau und den Betrieb eines Bibliotheksverwaltungssystems und die Erbringung weiterer damit zusammenhängender Services (z.B. Ausleihkurier, Konsortialdiensten). An der Gesellschaft können sich nur Hochschulen bzw. Bibliotheken der Hochschulen gemäss Bundesgesetz über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen Hochschulbereich (HFKG) sowie wissenschaftliche Bibliotheken der öffentlichen Hand beteiligen. Da der SLSP AG keine öffentlichen Aufgaben übertragen wurden und nicht hoheitlich handle, sei das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung auf die SLSP AG nicht anwendbar.

Fazit

Die unklare Situation hinsichtlich des Öffentlichkeitsprinzip bei der föderalen Zusammenarbeit ist das eine. Frustrierender ist jedoch der Unwille vieler Instanzen hier wirklich Klarheit zu schaffen und die offensichtlichen Widersprüchlichkeiten aktiv zu lösen und auch praktikable Wege aufzuzeigen.

Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Zürcher Öffentlichkeitsgesetzes auf Dokumente der interkantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz wird übrigens bald ein weiteres Bundesgerichtsurteil erwartet.

Schweizer RSC Read-and-Publish-Agreement nun teilweise öffentlich

Nach dem Einreichen einer Rechtsverzögerungsbeschwerde ist die Universität Zürich endlich in die Gänge gekommen und legt nach einem Jahr (!) seit meiner Anfrage, endlich eine erste Version des 32-seitigen RSC-Vertrag mit einigen Schwärzungen offen.

Zurück auf Start – Preise sind nun wieder Geschäftsgeheimnisse

Die meisten Schwärzungen sind mit ihrer Begründung verständlich und akzeptierbar. Doch ausgerechnet bei den Preisen der einzelnen Institutionen, stellen sich nun wieder die Bibliotheken quer:

Nur Abos: Lib4Ri, Uni Fribourg und Fachhochschulen
Read & Publish: ETHZ, Universitäten Basel, Zürich, Genf, Bern

Die UZH schreibt in ihrer Begründung trotzig:

Mit der Offenlegung des zu zahlenden Gesamtbetrages wird dem Öffentlichkeitsprinzip ausreichend Rechnung getragen.

Natürlich tut es das nicht. Bei der ETHZ, Lib4RI und den Universitäten Bern, Genf, Fribourg, Zürich ist durch vergangene Rechtsentscheide klar, dass die Endpreise pro Institution offengelegt werden müssen. Von Bern habe ich die Zahlen inzwischen via direkter Anfrage auch erhalten. Einzige Ausnahme ist die Universität Basel, bei dem das durch das Bundesgericht gestützte Urteil des Appellationsgericht Basel-Stadt von 2016 diese Offenlegung bei Elsevier, Wiley und Springer verneinte.

Vermutlich stellt gerade die Anomalie der UB Basel die anderen Bibliotheken und die UZH vor ein Dilemma. Legen sie ihre Preise rechtskonform offen, wird indirekt wegen der vorliegender Darstellung auch bekannt, was die UB Basel bezahlt. Dadurch wird offensichtlich, dass sich die Gerichte in Basel die Konsequenzen einer Offenlegung völlig falsch eingeschätzt haben. Doch wer ist bereit dies offen zuzugeben und zu korrigieren?

Immerhin gab es vor kurzem in sui generis eine Auseinandersetzung zum Bundesgerichtsurteil im Falle Basel, die zum Ergebnis kommt, dass daraus hinsichtlich der Rechtsprechung beim BGÖ nichts abzuleiten sei.

Verhältnis zwischen Read & Publish ein Geschäftsgeheimnis?

Ein anderer Teil der Schwärzungen wurde wegen RSC vorgenommen. RSC wehrt sich gegen die Bekanntgabe des Verhältnis zwischen Read and Publish am Total der einzelnen Institutionen:

Mit Bekanntgabe der einzelnen Kostenpositionen wäre die Preiskalkulation des RSC-Verlages nachvollziehbar. Dies hätte zur Folge, dass das Preis-Leistungsverhältnis ableitbar ist und Rückschlüsse auf die Preis- und Rabattpolitik des RSC-Verlages möglich sind. Dies kann zu einem Wettbewerbsnachteil führen. Angaben zur Preiskalkulation fallen unter das Geschäftsgeheimnis. Die Offenbarung dieser Tatsache ist geeignet, die Stellung im Wettbewerb zu verschlechtern.

Ob es sich bei den einzelnen Spalten von Publish und Read tatsächlich um berechtigte Geschäftsgeheimnisse von RSC handelt, wird nun in einem weiteren Verfahrensschritt die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen beantworten müssen.

Ich finde es absurd von einem Wettbewerb und folglich von einem Wettbewerbsnachteil zu sprechen, wenn man weiss, dass RSC den 816k CHF Auftrag vom Konsortium freihändig und ohne Ausschreibung erhalten hat. Im Gegenteil. Die Verknüpfung von Read and Publish stellt vielmehr selbst eine Wettbewerbsverzerrung statt, die OA-Verlage von einem möglichen Wettbewerb von Publikationsdienstleistungen ausschliesst. Der Vorwurf, dass solche Read-and-Publish Agreements gegen das Beschaffungsrecht verstossen könnten, würde eine genauere Untersuchung verdienen.

Schweiz: Absage an Springer Nature. Zusage an Elsevier und Wiley

Der wirklich grosse Big Bang ist in der Schweiz ausgeblieben. Dennoch kündigen nun alle Schweizer Hochschulen ihren Big Deal mit Springer Nature (inkl. Nature Journals). Wie Swissuniversities bekannt gibt, konnte Springer Nature nun nach über 1.5 Jahren Verhandlung kein passendes Angebot liefern.

Obwohl mit Wiley ebenfalls seit einem Jahr verhandelt wird, verlängern hier die Schweizer Hochschulen unverständlicherweise den Big Deal ohne hinsichtlich Open Access etwas erreicht zu haben.

Bei Elsevier hat man in einem Jahr Verhandlung ebenfalls noch kein Agreement erreicht. Immerhin besteht ein Memorandum of Understanding, dass man im März 2020 ein Read & Publish Agreement haben will, dass dann wohl für die Schweizer Einreichungen ab Januar 2020 gültig sein soll.

Swissuniversities bewahrt Rest-Glaubwürdigkeit

Mit der Absage an Springer Nature sichern sich die Schweizer Hochschulen das bisschen Glaubwürdigkeit, dass ihnen im Dossier Open Access verblieben ist. Seit Jahren zeige ich in diesem Blog auf, wie Bibliotheken mit einem ausgeprägtem Stockholm-Syndrom jeweils immer mehr für Subskriptionen zahlen und dann in der Konsequenz bei OA nicht weiterkommen. Ende 2014 habe ich auf das erste Read & Publish Agreement mit Springer in den Niederlanden hingewiesen. Eigentlich hätte man schon 2015 bei einem Verzicht auf die unnötigen Nationallizenzen (ironischerweise auch mit Springer) Richtung OA abbiegen können. 2017 habe ich am Beispiel Springer vorgerechnet, dass ein OA Agreement ab 2018 durchaus für beide Seiten drin liegt oder man ansonsten Springer den Laufpass geben soll.

Meine Freude, dass nun die Entscheidungsträger an den Hochschulen nun endlich auch zu diesem Schluss gekommen sind, wird durch das Wissen getrübt, dass durch dieses unverständliche Zögern, weitere 10 Mio CHF öffentliche Gelder und wertvolle Zeit verschwendet worden sind.

Unverständlicher Wiley-Big Deal

Leider geht die Verschwendung bei Wiley weiter. Es werden 2020 wieder öffentliche Gelder an Wiley fliessen, ohne dafür OA zu erhalten. Anders als bei der inkonsequenten Verlängerung des Big-Deals mit Springer Nature letztes Jahr, hat man nun mit Wiley ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, welches erst 2021 vielleicht zu einem Read & Publish Agreement führt.

Wieso man ein Read & Publish Agreement (z.B. analog zu Schweden) nicht schon dieses Jahr verlangt hat und im Falle einer Verweigerung durch das Wiley-Management den Big Deal konsequent aufkündigt ist unverständlich und zeigt, dass man die kommerzielle Natur eines börsenkotierten Verlages offenbar immer noch nicht verstanden hat.

Vielleicht auch deshalb gab swissuniversities der Pressemeldung den merkwürdigen Titel: swissuniversities definiert Beziehungen mit den Verlagen, als ob diese Beziehung irgend anderes definiert sein könnte, als ein Dienstleister-Kunden Verhältnis.

Elsevier Read and Publish Agreement

Beim angekündigten OA Big-Deal wird der Preis entscheidend sein, um den Deal zu beurteilen. Die erste Generation von Big Deals mit OA-Komponenten bei Elsevier (e.g. Niederlande, Finnland) waren nicht wirklich befriedigend, da sie nur Discounts auf APCs gewährten. Die zweite Generation (Polen, Norwegen, Ungarn, Schweden, Carnegie Mellon) sind bezüglich OA viel umfangreicher, jedoch häufig sehr teuer und teilweise mit dem Kauf von Analytics (Scopus, SciVal) verbunden. Vermutlich der „beste“ Deal dürfte zurzeit Schweden haben, da man dort Elsevier schon einmal deutlich Nein gesagt hat. Hier wird sich zeigen, ob sich die Schweizer Hochschulen mit der bisherigen Haltung (viel Geld, aber wenig Mut und Rückgrat) einen anständigen Deal herausgeschlagen haben. Zudem lässt der andauernde Boykott der deutschen Hochschulen und der University of California auch erahnen, dass Elsevier aktuell nicht bereit ist, unter einem gewissen Preis in diese Agreements einzusteigen.

Kleiner historischer Moment und grosse Chance

In Anbetracht, dass die Universität Basel 2017 noch vor Bundesgericht mit dem Argument überzeugte, ohne die Subskriptionen von Elsevier, Wiley und Springer können sie ihren Forschungsauftrag nicht mehr wahrnehmen, ist die nun angekündigte Abbestellung der Springer Nature Journals geradezu ein kleiner historischer Moment.

Bestimmt auch ein Moment, der bei einigen BibliothekarInnen Sorgen erweckt, da sie einerseits diesen Entscheid gegenüber ihren Forschenden verteidigen müssen und anderseits ihr bisheriges Rollenverständnis als Gatekeeper aufgerüttelt wird.

Das Risiko eines Aufschrei der Wissenschaft ist klein. Die Nutzung von Sci-Hub ist in der Schweiz legal und mit dem neuen Core-Browser-Plugin gibt es neu sogar Konkurrenz zu Unpaywall um OA-Versionen zu finden. Die Abbestellung entlastet swissuniversities zudem bei ihrer vorgesehenen Massnahme „Kommunikation und Sensibilisierung“ zu OA. Denn jetzt wird das Thema in die hintersten Ecken ankommen auch ohne, dass man teuere PR-Massnahmen betreibt, die letztlich nur diejenigen 20% Forschenden erreicht, die von OA eh schon überzeugt sind.

An den letzten OA-Tagen in Hannover war es für mich zudem ein grosses Highlight festzustellen, dass inzwischen sehr viele Beteiligte mit dem deutschen OA-Big-Deal mit Wiley unzufrieden sind. Die positiven Erfahrungen mit der Abbestellung von Elsevier führt in Deutschland offensichtlich zu einer Lust mit dem Subskriptionsmodell ganz zu brechen.

Die Lust könnte sich in der Schweiz auch einstellen, wenn man nun mit der Abbestellung von Springer Nature sieht, dass der Kaiser eigentlich nackt ist.

Update: 19.12.2019

Springer Nature bekundet auf Twitter, dass der Zugang bis auf weiteres für die Schweizer Forschenden gegeben ist. Oh ja, der Kaiser ist sehr nackt!

Update: 23.12.2019

Swissuniversities stellt eine FAQ online.

Big Bang statt Big Deal?Verhandlungen in der Schweiz mit Elsevier, Springer und Wiley drohen zu scheitern

Es geht um 22.4 Mio EUR, welche die Schweizer Hochschulen alleine den drei grossen Verlagen Elsevier, Springer und Wiley jährlich für Zeitschriften bezahlen.

Quelle: Schneider Gabi (2019). Nationaler Aktionsplan Open Access. 7.11.2019

In 6 Wochen könnte es sein, dass dieses Geld nicht mehr an diese Verlage fliesst. Am 16. Oktober erhielten die Schweizer Hochschulen von Michael Hengartner, Präsident von swissuniversities einen Brief, wonach Vorbereitungen zu treffen sind, sollten die Ende Jahr auslaufenden Verträge nicht erneuert werden.

Seit einem Jahr versucht ein Verhandlungsteam mit Vertretung von Rektor/innen, Forschenden, Bibliotheken und des Schweizer Konsortiums Read & Publish Verträge mit den drei Grossen zu erreichen. Die Ziele dieser Verhandlungen wurden vorgängig in einem fortschrittlichen Factsheet, welches sich an den Verhandlungsgrundsätzen von LIBER orientiert, angekündigt.

2018: Kniefall vor Springer Nature

Während andere Länder nun schon seit mehreren Jahren Offsetting-Agreements mit diversen Verlagen abschliessen und dadurch den Open Access Anteil ihrer „eigenen“ Artikelproduktion steigern, hat die Schweiz bisher von der Seitenlinie zugesehen und den Verlagen weiterhin Millionen für Closed Access hinterhergeworfen. Anfang dieses Jahres haben einige Hochschulen immerhin mit RSC ein erstes, jedoch intransparentes Read & Publish Agreement geschlossen.

Gemäss dem Factsheet von swissuniversities wollte man eigentlich schon 2019 ein Read & Publish Agreement mit Springer Nature haben. Allerdings wurde Mitte (!) 2018 still und leise im Fliesstext auf der OA-Webseite von swissuniversities folgender Satz eingefügt:

Im Interesse eines erfolgreichen Transformationsprozesses passte swissuniversities auf Wunsch von Springer Nature die im März 2018 kommunizierte Agenda an und vereinbarte für 2019 eine Übergangslösung.

Wie das Beschaffungsportal simap.ch zeigt, kostete diese euphemistisch bezeichnete „Übergangslösung“ 5.2 Mio EUR.

Verzug des Aktionsplans

Gemäss der Open Access Strategie (2017) von swissuniversities sollen 2024 alle von öffentlichen Geldern finanzierten wissenschaftlichen Publikationen „der Schweiz“ frei zugänglich sein. Wenn dieses Ziel noch erreicht werden soll, muss nun Einiges geschehen. Beim Aktionsplan ist man in diversen Bereichen in Verzug:

Quelle: Schneider Gabi (2019). Nationaler Aktionsplan Open Access. 7.11.2019

Kein Zweitveröffentlichungsrecht

Ein herben Dämpfer erlebte die Strategie ebenfalls, als der Wunsch nach einem gesetzlich verankerten Zweitveröffentlichungsrecht im Parlament bei der Urheberrechtsrevision im Sommer 2019 durchfiel:

Der Bundesrat ist hier der Auffassung, dass ein gesetzgeberischer Eingriff nicht notwendig ist. Die Universitäten stehen bereits heute in Verhandlung mit den Verlegern. Zudem hat Swissuniversities auch in den Hearings darauf hingewiesen, dass die Schweiz im Bereich Open Access im internationalen Vergleich eine führende Rolle einnimmt. Das zeigt schon, dass die Selbstregulierung hier funktioniert, ohne dass es eine zusätzliche Regulierung durch den Gesetzgeber braucht.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter, im Ständerat am 4.6.2019

Man kann dies Entscheid des Parlaments durchaus als Quittung dafür ansehen, dass man in den vergangenen Jahren die eigene Passivität im Dossier OA gegenüber der Öffentlichkeit und Politik permanent beschönigt hat.

Zur Erinnerung: Als 2010 Nationalrat Theophil Pfister den Bundesrat einlud, mit dem Gewicht des Geldgebers den Zielen von OA eine stärkere Gewichtung zu geben (Motion 10.3240) wurde diese Einladung ausgeschlagen:

Insgesamt werden nach Einschätzung des Bundesrates die Arbeiten im Bereich Open Access von den verantwortlichen Akteuren zielführend und effizient angegangen. Für den Bundesrat sind somit die Anliegen der Motion erfüllt, und es besteht zum jetzigen Zeitpunkt kein zusätzlicher Handlungs- und Regelungsbedarf im Sinne der Motion.

Befreiungsschlag ist möglich und nötig

Swissuniversities kann sich nun aus der selbstverschuldeten Lethargie befreien, indem nun Ende dieses Jahr klar Stellung gegenüber den Verlagen bezieht und konsequent für OA einsteht.

Man darf sich auch in Erinnerung rufen, dass die Unzufriedenheit mit den grossen Verlagen, insbesondere mit Elsevier, eine lange Geschichte hat:

Zwischenbericht_2010.jpg
Auszug Protokolle ETH-Rat 2010

Wie beispielsweise eine Umfrage an der ETHZ ebenfalls ergeben hat, wird eine Transformation zu OA von den Forschenden klar befürwortet und es gibt eine grosse Bereitschaft auf die Abos zu verzichten.

Dabei könnte Swissuniversities auch gar die Read- und Publishverträge ganz überspringen und sich voll und ganz auf die Finanzierung von Gold OA fokussieren. Die COAliton-S gibt diesen Agreements letztlich sowieso nur eine Chance bis 2024:

After 2024, we will be encouraging institutional libraries and large consortia to switch from ‘read and publish’ agreements with publishers to ‘pure publish’ deals for portfolios of subscription journals that have become open-access journals. The cOAlition S funders will contribute to financing such deals

Und man darf auch ruhig noch einmal betonen, dass die Nutzung von Sci-Hub in der Schweiz legal ist und eine fantastische Abdeckung bietet.

Update 3. Dezember 2019

Die Universität Bern informiert zum ersten mal öffentlich und gibt bekannt, dass swissuniversities am 13. Dezember entscheiden werden.

Brandenburg verabschiedet Open-Access-Strategie

Mit der “Open-Access-Strategie des Landes Brandenburg” (PDF) legt heute ein weiteres Bundesland ein Policy-Dokument zur Gestaltung des Transformationsprozesses hin zu Open Access vor. 

Das Dokument, welches heute in Potsdam vorgestellt wurde, beschreibt den Handlungsbedarf auf für die Akteursgruppen Forschende, Hochschulen, Hochschulbibliotheken sowie für die Landesregierung selbst. In einer Pressemitteilung betont Wissenschaftsministerin Martina Münch: 

Wir nutzen die Chancen des digitalen Wandels für Brandenburg: Mit der neuen ‘Open-Access-Strategie‘ schaffen wir die Voraussetzungen für den freien und breiten Zugang zu öffentlich finanzierten und publizierten Forschungsergebnissen in unserem Land. Dieser freie Zugang stärkt nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Hochschulen und Forschungseinrichtungen – er erleichtert auch den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Gesellschaft. Davon profitieren kleine und mittelständische Unternehmen ebenso wie zivilgesellschaftliche Initiativen oder interessierte Bürgerinnen und Bürger.“

Zur Umsetzung der Strategie soll neben einer Vernetzungs- und Kompetenzstelle ein Fonds zur Finanzierung von Open-Access-Publikationen geschaffen werden.

Herauszuheben ist das Kapitel “Monitoring der Zielerreichung und Maßnahmenumsetzung”, in dem sich das Land und seine Hochschulen zu einem Prozess der Evaluierung der beschriebenen Massnahmen bekennen.

Zuletzt hatte  Thüringen eine Strategie zu Open Access verabschiedet, die mittlerweile auch durch eine Open-Access-Strategie der Thüringer Hochschulen (PDF) flankiert wird. Darüber hinaus haben bereits Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein Open-Access-Strategien auf den Weg gebracht. Andere Bundesländer haben die Verankerung entsprechender Policies angekündigt

Disclosure: Ich war für Helmholtz in den Prozess der Strategieentwicklung in Brandenburg involviert.

Neuer DFG-Kodex „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“

Bereits letzte Woche kommunizierte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), sie habe „ihre Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis sowie die Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten (VerfOwF) grundlegend überarbeitet.“

Seit heute Nachmittag ist der Kodex, der bereits am 1.8.2019 in Kraft tritt, online. Es gilt jedoch eine Übergangsfrist: Alle Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen müssen ihn bis zum 31.7.2021 rechtsverbindlich umsetzen, um auch in Zukunft Fördermittel durch die DFG erhalten zu können. Der Kodex löst damit die aus dem Jahre 1998 stammende „Denkschrift „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der DFG ab. Diese wurde zuletzt 2013 aktualisiert.

Bemerkenswert ist, wie tief die Forderung nach Open Science den Kodex durchdringt. Hierfür drei Beispiele:

Z. B. wird der Begriff „Publikationsorgan“ in Leitlinie 15 breit definiert. In der Erläuterung heiß es dazu: „Neben Publikationen in Büchern und Fachzeitschriften kommen insbesondere auch Fachrepositorien, Daten- und Softwarerepositorien sowie Blogs in Betracht.“

Die Leitlinie 13 widmet sich der „Herstellung von öffentlichem Zugang zu Forschungsergebnissen“. Dort findet sich der folgende Satz (Inkl. einem Bezug zu den FAIR-Prinzipien in den Erläuterungen):

„Dazu gehört es auch, soweit dies möglich und zumutbar ist, die den Ergebnissen zugrunde liegenden Forschungsdaten, Materialien und Informationen, die angewandten Methoden sowie die eingesetzte Software verfügbar zu machen und Arbeitsabläufe umfänglich darzulegen.“

In der Leitlinie 17 „Archivierung“ werden über die Forschenden hinaus auch die wissenschaftlichen Einrichtungen und ihre Informationsinfrastrukturen in die Pflicht genommen:

„Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sichern öffentlich zugänglich gemachte Forschungsdaten beziehungsweise Forschungsergebnisse sowie die ihnen zugrunde liegenden, zentralen Materialien und gegebenenfalls die eingesetzte Forschungssoftware, gemessen an den Standards des betroffenen Fachgebiets, in adäquater Weise und bewahren sie für einen angemessenen Zeitraum auf. Sofern nachvollziehbare Gründe dafür existieren, bestimmte Daten nicht aufzubewahren, legen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dies dar. Hochschulen und außerhochschulische Forschungseinrichtungen stellen sicher, dass die erforderliche Infrastruktur vorhanden ist, die die Archivierung ermöglicht.“

Weitere Informationen finden sich auf der Webseite der DFG. Dort finden sich auch Informationen zur Umsetzung des Kodex. Weitere Fallbeispiele und Erläuterungen sollen in einem dynamisches Dokument folgen. Eine journalistische Einordnung des neuen Kodex findet sich bei Jan-Martin Wiarda.

Schweizer „Read and Publish“-Vertrag mit RSC soll vollständig geheim bleiben

Als Michael Hengartner, Präsident swissuniversities und Rektor der Universität Zürich an der Open Access Konferenz Schweiz 2018 gefragt wurde, ob er im Sinne von Open Access auch die kommenden Verträge mit Elsevier und Springer öffentlich machen wird, war seine Antwort ganz klar ja.

Schliesslich ist diese Transparenz seit längerem erklärtes Ziel von Swissuniversities für die aktuellen Verhandlungen mit Elsevier, SpringerNature und Wiley:

3. Transparenz der Lizenzverträge
Die Lizenzverträge werden aus öffentlichen Geldern bezahlt. Deren Inhalte sollten entsprechend ebenfalls öffentlich zugänglich sein. Gesellschaftlich werden Vertraulichkeitsklauseln nicht mehr akzeptiert.

Factsheet zur Verhandlungsstrategie von swissuniversities, 15.3.2018

Während für diese drei Verlage noch keine neuen Vereinbarungen vorliegen, wurde im Februar 2019 ein erstes „Read und Publish“-Agreement mit RSC verkündet.

Beiläufig war zu erfahren, dass mit dem Verlag wieder Geheimhaltungsvereinbarungen eingangen wurden.

Also verlangte ich bei der Hauptbibliothek der Universität Zürich Einsicht in den Vertrag. Gemäss Zürcher Öffentlichkeitsgesetz müsste eine solche Anfrage innerhalb von 30 Tagen beantwortet werden. Doch die UZH tat sich offenbar sehr schwer mit der angeblich „zeitintensiven“ Anfrage, so dass ich die Antwort erst 120 Tage später erhalten habe.

Die Universität Zürich lehnt mein Gesuch ab und weigert sich sogar den Vertrag nur teilweise zugänglich zu machen.

Würde sie den Vertrag zugänglich machen, würde die Beziehungen zu den Kantonen der Vertragspartner beeinträchtigt. Ebenfalls habe sich RSC in seiner Stellungnahme gegen die Veröffentlichung von Vertragsstellen ausgesprochen die sich die Kosten/Preiskalkulationen beziehen.

Die Bekanntmachung des RSC-Vertrages kann zu einer Wettbewerbsverzerrung führen bzw. den Marktvorteil von RSC – als einer der ersten Verlage ein neues, zukunftsorientiertes Geschäftsmodell entwickelt zu haben – einschränken.

Insgesamt ist der Antwort leider nicht zu erkennen, dass eine sorgfältige Prüfung der rechtlichen Situation erfolgt ist. Ich werde den Entscheid bei der Rekurskommission der Zürcher Hochschulen anfechten.


Wer meine Anstrengungen finanziell unterstützen möchte:

  • CH31 0840 1016 8467 8040 6 – Christian Gutknecht, Blumensteinstrasse 17, 3012 Bern

Transparenz bei Subskriptionskosten in der Schweiz: Bilanz nach vier Jahren

Vor vier Jahren, am 23. Juni 2014, habe ich die Schweizer Hochschulbibliotheken nach ihren Ausgaben an die drei grossen Verlage Elsevier, Springer und Wiley angefragt. Die Antworten waren ernüchternd. Bis auf die Tessiner Universität (USI) war keine Hochschule bereit die Zahlen offenzulegen. Mit viel Unverständnis nahm ich den juristischen Kampf für die Transparenz dieser Kosten auf. Updates und Dokumente dieses andauernden Unterfangen habe ich jeweils hier im Blog verlinkt.

Juristische Bilanz

Bislang musste ich bei 14 Institutionen Beschwerde einreichen. In 11 Fällen (Uni Bern, ZB Zürich, Hauptbibliothek Uni Zürich, ZHAW, ETHZ, EPFL, Lib4RI, Uni Genf, Uni Fribourg, Uni Lausanne, Bibliothek am Guisanplatz) stellte sich in teils mehrjährigen Verfahren heraus, dass der Informationszugang widerrechtlich verhindert wurde. Zwei Fälle in St. Gallen (Uni und FH) sind noch hängig. Lediglich im Fall Basel habe ich vor Bundesgericht verloren.

Mehrheitlich kann man deshalb sagen, dass in der Schweiz die bisher leichtfertig unterzeichneten Vertraulichkeitsklauseln keine absolute Sperrwirkung haben und die bezahlten Summen alleine keine objektiven Geschäftsgeheimnisse der Verlage darstellen.

Finanzielle Bilanz

Für alle Rekurse habe ich bisher 22’043 CHF Gerichts- und Anwaltskosten aufgewendet. Durch das Crowdfunding, weiteren Spenden und Entschädigung durch die Gerichte kamen 6’927 CHF wieder zurück. Insgesamt musste ich somit für das ganze Unterfangen persönlich 15’116 CHF bezahlen. Dazu kommen natürlich Hunderte von Stunden, die ich für das Schreiben von Rekursen und das Bestreiten von Schlichtungen aufwenden musste.

Meine ernüchternde Erfahrung insbesondere aus dem Rekurs gegen die Universität Genf: Selbst wenn man letztlich vor Gericht vollständig Recht bekommt, werden einem nicht automatisch die entstandenen Auslagen zurückerstattet. Es überwiegt auch die bittere Erkenntnis, dass man als Bürger ökonomisch immer verliert, wenn man gegen die Verwaltung den juristischen Weg einschlägt. Denn der Aufwand, der durch Fehlentscheide von gut bezahlten Juristinnen oder Führungspersonen in der Verwaltung verursacht wird, geht immer auf Staatskasse und letztlich wieder auf die Kosten der Steuerzahlenden.

Bilanz zu den erhaltenen Daten

Gerne möchte ich einmal zu den initialen Auswertungen (Uni Bern, Uni Zürich, ETHZ) eine Übersicht zu den Gesamtdaten machen und diese in Vergleich zu anderen Ländern setzen. Doch dies erweist sich als schwierig, da ich immer noch diverse grundsätzliche Lücken bestehen (Universität Basel, Hochschule Luzern, St. Gallen) und ich auch von einigen Hochschulen inzwischen keine aktualisierten Daten mehr erhalte ohne Tausende von Franken Gebühren zu bezahlen.

Dennoch zeigen die ersten erhalten Daten, insbesondere auch die „offizielle“ Datenerhebung des SNF und swissuniversities, dass in der Schweiz weit mehr für Zeitschriften bezahlt wird als in vergleichbaren Ländern. Eine Umstellung zu Open Access, selbst zu den aktuellen Preisen der Verlage, würde die Schweiz mit einem Wechsel zu OA massiv Geld sparen.

Bilanz für Open Access

Noch aber hat sich bei meinem eigentlichen Anliegen „Open Access“ in der Schweiz nichts wirklich getan. Obwohl ich am Beispiel Springer erstmalig öffentlich aufzeigen konnte, dass die Schweizer Bibliotheken im Vergleich zum Ausland schon massiv schlechtere Konditionen ohne Open Access haben, entschieden sich die Verantwortlichen im Jahre 2018 weiterhin Springer und dem klassischen Modell die Treue zu halten.

Immerhin ist inzwischen von swissuniversties eine Open Access Strategie geschaffen worden. Bis 2024 sollen alle Publikationen von Schweizer Forschenden frei zugänglich sein.

Ebenfalls gibt es erstmals eine definierte Strategie für die kommenden Verhandlungen mit den Verlagen Elsevier, Springer Nature und Wiley. Darin ist nun auch endlich verankert, dass keine Vertraulichkeitsklauseln mehr akzeptiert werden:

Die Lizenzverträge werden aus öffentlichen Geldern bezahlt. Deren Inhalte sollten entsprechend ebenfalls öffentlich zugänglich sein. Gesellschaftlich werden Vertraulichkeitsklauseln nicht mehr akzeptiert.

Es wird zu testen sein, ob dem so sein wird und die Verträge aktiv offengelegt werden.

Bilanz Öffentlichkeitsprinzip

Das Öffentlichkeitsprinzip und die dazugehörigen Gesetze sind in meinen Augen eine grosse rechtsstaatliche Errungenschaft und gewissermassen auch eine Messlatte für den Stand einer Demokratie. Viele dieser Gesetze sind noch jung und die (Rechts-)Praxis ist noch nicht gefestigt. Meine Anstrengungen haben dazu beigetragen das Öffentlichkeitsprinzip mindestens in der Bibliotheksbranche und dem Hochschulbereich bekannt zu machen.

Mit der zunehmenden Bekanntheit ergeben sich aber auch neue Probleme. So entdeckte man an der ETH-Bibliothek, dass man den Sinn des Öffentlichkeitsprinzips mit hohen Gebührenforderungen aushebeln kann. So forderte die ETH-Bibliothek auf meine zweite Anfrage nach aktualisierten Daten eine Gebühr von 4000 CHF. Dies fand man an der Universität St. Gallen inspirierend und verlangte plötzlich auch 3000 CHF. Es folgte die Hauptbibliothek der Universität Zürich, welche in einer zweiten Runde gar 4250 CHF für die Herausgabe verlangte.

Rechtlich komme ich da zurzeit nicht weiter, weil die meisten Öffentlichkeitsgesetze tatsächlich Gebühren als Option vorsehen. Zumindest auf Bundesebene gibt es schon seit längerem einen politischen Vorstoss dies zu ändern. Ausgelöst durch die Gebührenforderung der Hauptbibliothek der Universität Zürich ist nun auch im Zürcher Kantonsrat eine ähnliche parlamentarische Initiative aufgegleist.

Persönliche Bilanz

Es war nicht immer ganz einfach in diesen vier Jahren. Meine Anfragen und Beschwerden, sowie meine Berichterstattung hier auf dem Blog missfielen gerade denjenigen, welche den bisherigen Kurs mit den Verlagen stark mitbestimmt haben oder leichtfertig mitgegangen sind. Anstatt Verantwortung zu übernehmen und diesen Kurs zu korrigieren, versteiften sich einige Akteure darauf mir persönlich Steine in den Weg zu legen. In einem Fall ging das sogar soweit, dass der Vizepräsident einer Hochschule bei meinem Arbeitgeber vorstellig wurde und mich beruflich zu diskreditieren suchte. Neben solchem Machtmissbrauch habe ich auch viel Unvermögen, Unsachlichkeit und Opportunismus erlebt, so dass ich heute gegenüber der Verwaltung viel kritischer eingestellt bin, als ich es eigentlich sein möchte.

Umgekehrt habe ich von vielen Leuten Zusprache und tolle Unterstützung erhalten. Auch bei den wirklich unabhängigen Beschwerdeinstanzen, insbesondere von den Öffentlichkeitsbeauftragten, hatte ich den Eindruck, dass ein grosses Interesse an einer sorgfältigen Prüfung vorhanden war und man mich mit meinem Anliegen ernst nahm.

Insgesamt bleibt dieses „Projekt“ eine wichtige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Für Überzeugungen auch gegen viel Widerstand einzustehen, hat viel Erfüllendes. Zu sehen, dass man mit Risikobereitschaft, Engagement und die Berufung auf die gegebenen Rechte durchaus etwas in der realen Welt bewegen kann, ist letztlich viel befriedigender, als diese Erfahrung in den virtuellen Welten von Games und Serien nachzuerleben (was ich auch gerne tue).

Natürlich wäre es schön gewesen, wenn die Bibliotheken und Hochschulen – wie in Finnland – nach dem ersten Urteil schneller zu einer konstruktiven Sachlichkeit zurückgefunden hätten. Die Energie, die selbst nach den ersten klaren Urteilen immer noch in die Verhinderung von Transparenz und gegen meine Person gesteckt wurde (und sogar immer noch wird), wäre besser direkt in den anstehenden Kampf gegen die Grossverlage geleitet worden.