DOIs für Wissenschaftsblogs? – Ein Interview mit Martin Fenner zu Rogue Scholar

Blogs sind heute ein integraler Bestandteil der digitalen Wissenschaftskommunikation und unterstützen verschiedene Kommunikationsfunktionen in der Wissenschaft. Sie können als Tagebuch im Sinne von Open Science genutzt werden, um aktuelle Ergebnisse aus dem Laboralltag zu dokumentieren und zu kommunizieren. Zudem können sie als digitales Schaufenster dienen, um die externe Wissenschaftskommunikation an wissenschaftlichen Einrichtungen zu unterstützen und wissenschaftliche Erkenntnisse einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Trotz ihrer Bedeutung sind jedoch viele Fragen im Zusammenhang mit der dauerhaften Zugänglichkeit von Blogs ungeklärt. Beispielsweise konnten Blogplattformen kommerzieller Akteure wie Nature und ScienceBlogs keinen nachhaltigen Betrieb für ihre Blogs gewährleisten. Angesichts dieser Problematik haben verschiedene Akteure der wissenschaftlichen Blogosphäre begonnen, sich mit den Herausforderungen rund um die dauerhafte Zitierung und Archivierung von Wissenschaftsblogs zu beschäftigen.

Martin Fenner, vielen Leser:innen hier sicher bekannt, bloggt seit Jahren auf verschiedenen Blogplattformen wie Nature Network und PLOS Blogs zu aktuellen Themen der digitalen Wissenschaftskommunikation. Zuletzt war er als Technischer Direktor für DataCite tätig und hat sich dort insbesondere mit Persistent Identifiers (PIDs) für Forschungsdaten und Forschungssoftware befasst. Kürzlich hat er sich mit Front Matter als IT-Dienstleister für die Wissenschaft selbständig gemacht und widmet sich nun unter der Marke Rogue Scholar einigen der Herausforderungen in Bezug auf die Referenzierung und Sicherung von wissenschaftlichen Blogbeiträgen. Unter anderem sorgt sein Dienst dafür, dass Blogbeiträge von wisspub.net seit wenigen Tagen mit DOIs adressierbar sind und mit den ORCID-IDs ihrer Autor:innen verknüpft sind (Beispiel). Grund genug, Martin Fenner ein paar Fragen zu seinem Vorhaben zu stellen.

Dank Dir, Martin Fenner, sind die Beiträge von wisspub.net seit neuestem durch DOIs adressiert. Welche Idee steht hinter Deinem Service Rogue Scholar?

Das Wissenschaftsblogs ein wichtiger aber unterschätzter Teil der Publikation und Kommunikation von Wissenschaft sind. Das Grundkonzept funktioniert prächtig seit zwanzig Jahren, aber einige wichtige Bausteine haben meiner Meinung nach bisher gefehlt.

Wie sind die bisherigen Reaktionen auf Rogue Scholar? 

Viel Interesse und Dankbarkeit bei den Blogs und Blogger:innen die Rogue Scholar schon nutzen. Ich glaube ein bißchen auch positives Erstaunen, dass vieles so einfach (und kostengünstig) geht, was beim Publizieren von Zeitschriftenartikeln (aber auch Büchern, Forschungsdaten, usw.) so schwer und langwierig erscheint, also z.B. Metadaten oder geeignete digitale Formate.

Was ich aber auch sehe, ist eine gewisse Zurückhaltung, die kompletten Inhalte von Blogs in RSS Feeds und mit einer offenen Lizenz (CC-BY) zur Verfügung zu stellen, selbst wenn das Blog sich mit Open Science oder verwandten Themen beschäftigt. Da ist noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten, insbesondere warum CC-BY gegenüber verwandten Lizenzen wie CC-BY-NC und CC-BY-SA vorzuziehen ist.

Welche Herausforderungen sind aus Deiner Sicht weiter ungeklärt?

Blogs sind einfach, bezahlbar und schnell gestartet. Es ist aber weiterhin schwierig, interessante Beiträge auch zu finden – insbesondere von weniger bekannten Autor:innen und zwei, fünf oder zehn Jahre nachdem sie veröffentlicht wurden. Mein beliebtester Blogpost ist seit Jahren ein Post von 2014 mit Tipps zur Nutzung von Microsoft Word mit git. Eine Zeit lang waren Blogging Networks sehr populär, aber einigen von ihnen ist irgendwann die Puste (sprich Finanzierung) ausgegangen.

Und Blogs verschwinden irgendwann, wenn der/die Autor:in oder die Organisation andere Prioritäten setzt. Mein persönliches Blog hat bisher in 16 Jahren sechsmal den Ort und die technische Platform gewechselt, ohne die Wayback Machine des Internet Archive und viel manuelle Arbeit wären viele Inhalte verloren.

Rogue Scholar baut auf diesen Erfahrungen auf, indem es die Langzeitarchivierung und zentrale Suchfunktion für bestehende Blogs unterstützt. Und erweitert Blogs um zentrale Funktionalitäten, die für wissenschaftliche Infrastruktur essentiell sind: Persistierende Identifier und Metadaten. Keine Überraschung, denn diese Themen sind seit 2008 wichtige Themen meines Blogs und später auch meiner Arbeit, u.a. für ORCID, DataCite und ROR. Dank Rogue Scholar haben nicht nur schon über 1.000 Blogposts eine DOI, sondern diese Blogposts sind Teil des Scholarly Record geworden. Sie sind über DOI, Referenzen (bis zu 50 bei bisher insgesamt 5 % aller Blogposts) und ORCID Author Identifier (70 % aller Blogposts) in den Metadaten auf vielfältige Weise mit anderen Publikationen und ihren Autor:innen verknüpft.

Du hast Dich bei PLOS viele Jahre mit Indikatoren für Open Science beschäftigt. Wie bewertest Du die Entwicklungen rund um die Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA)? Könnte der angestrebte breite Blick auf Forschungsleistung auch Wissenschaftsblogs neuen Aufschwung geben?

Momentan sehe ich Wissenschaftsblogs in der Regel nicht als Teil der publizieren Wissenschaft, die evaluiert werden muss oder soll. Vielmehr erfüllen Wissenschaftsblog vor allem andere Funktionen im Bereich der Wissenschaftskommunikation, unter Wissenschaftler:innen und mit der breiteren Öffentlichkeit. Sie ähneln dabei eher Aktivitäten von Wissenschaftler:innen in den sozialen Medien oder Wikipedia.

Wissenschaftsblogs sind wichtig, weil sie die Kommunikation von Wissenschaft einfach, schnell und ohne technische Hürden ermöglichen. Sie ähneln dabei Preprints, die sie übrigens sehr gut ergänzen, da diese in der Regel nicht für Nachrichten, Standpunkte, Übersichtsarbeiten, usw. verwendet werden.

Letzte Frage: Du hast lange Zeit selbst auf verschiedenen Plattformen wie Nature Network und PLOS Blog gebloggt. Eine unserer ersten Diskussionen ist in einem Blog-Beitrag von Dir festgehalten (über Forschungsinformationssysteme aus dem Jahr 2010) und an einigen Stellen weiterhin aktuell. Welche Zukunft wünschst Du den wissenschaftlichen Blogs?

Ich glaube, Wissenschaftsblogs haben eine großartige Zukunft, insbesondere in Zeiten des Wandels in den sozialen Medien, nicht nur bei Twitter. Ich glaube und hoffe dass sich das Format weiterentwickelt, z.B. in Form von Podcasts, Vlogs, oder Microblogs, aber auch neuen Plattformen wie Quarto, Typst oder Curvenote, die wissenschaftliches Publizieren vereinfachen und die Grenzen zwischen Blogs und traditionellen Publikationsplatformen verschwimmen lassen.

Vielen Dank für das Interview!

Referenzen

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