Gates Foundation: Bye Bye APC

Die Gates Foundation hat angekündigt, ab 2025 keine APCs mehr für Gold OA zu bezahlen. Es reicht ihr, wenn Forschende stattdessen nur einen Preprint mit einer CC-BY-Lizenz veröffentlichen. Geförderte Forschende können ihre Publikationen allerdings immer noch in einem Peer-Review-Journal (auch hinter einer Paywall) veröffentlichen.

Damit läutet die Foundation einen radikalen Wechsel ein, der insofern überraschend ist, als das die Gates das APC-Modell in der Vergangenheit stark gestützt hat, ja sogar mit ChronosHub ein Tool in Auftrag gegeben hat, mit dem APCs besser verwaltet werden können. Die Foundation war auch die allererste Institution, die ein Hybrid-Publishing Abkommen mit AAAS hatten. Ebenfalls betreiben sie eine Instanz der F1000-Publikationsplattform (Gates Open Research). Dieser abrupte Wechsel wird mit einer Frustration in der Entwicklung von OA begründet:

Open Access as it is done now hasn’t changed for ten years and in fact has given rise to some unsavory publishing practices by poor actors (paper mills, questionable quality review, unchecked pricing). This has caused the foundation to rethink how it supports Open Access to better achieve its goals of immediate access, global reuse, and equitable action. 
[..]

The foundation has a decade of data, learning, and research that went into our strategy and open access policy refresh. The predominant OA business model is the APC and that has been stretched and corrupted to the point that unfunded research throughout the globe cannot publish due to lack of funds. New models, like Diamond OA and Subscribe to Open, have been slow to gain traction and adoption by the major journals and publishers further locking in the APC model.

Auf die Frage, ob OA alleine auf Preprints nicht zu Lasten der wiss. Qualität gehen würde, antwortet die Gates Foundation:

  • Preprints have been shown to address misinformation by enabling the broader scientific community to engage with and respond to research as soon as possible.
  • There is growing evidence that there are few significant changes from the preprint version to the peer-reviewed one

Wie Tom Ciavarella von Frontiers in Science zitiert wird, besteht damit die Gefahr, dass Forschende ohne finanziellen Support wieder vermehrt in Closed-Access publizieren und letztlich, ausser dem Preprint, nicht viel gewonnen ist.

Man kann die Entscheidung auch als Weckruf interpretieren, der signalisiert, dass nun endlich die Hochschulen gefordert sind. Förderer wie die Gates Foundation haben, streng genommen, mit den APCs zusätzliches Geld ins System eingespeist, ohne dafür zu sorgen, dass es eine Rückkopplung im System gibt, durch die Hochschulen dem Closed Access den Geldhahn zudrehen. Dass hier irgendwann die Geduld reisst, war zu erwarten. Überraschend ist jedoch, dass nicht nur die zu langsame Transformation oder die Preise bei Gold OA in Frage gestellt werden, sondern auch das Peer-Review und die gesamte Verlagsleistung.

EU-Mitgliedstaaten betonen die Rolle von wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Modellen jenseits von APCs

Die EU-Wissenschaftsministerien haben sich auf ihrer heutigen Sitzung in Brüssel unter dem Titel “Council conclusions on high-quality, transparent, open, trustworthy and equitable scholarly publishing” (PDF der englischen Version, PDF der deutschen Version) mit den aktuellen Herausforderungen des wissenschaftlichen Publikationswesens befasst.

Bereits im Vorfeld der Sitzung der Wissenschaftsministerien wurden verschiedene Versionen der Erklärung öffentlich diskutiert (siehe z.B. Science Business und Times Higher Education). Im Kern stand die Frage, inwiefern das EU-Papier den Fokus auf Finanzierungs- und Geschäftsmodelle abseits von Publikationsgebühren (Article Processing Charges, APCs) legt und ob sogar eine Abkehr von der Unterstützung dieses Modells durch die öffentliche Hand in Europa betont wird.

Schweden hatte das Thema im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft augegriffen und bereits im Februar in einem Hintergrund-Papier adressiert. Schon in diesem Briefing Paper wurde die Problematik steigender Preise für die wissenschaftlichen Fachinformation betont. 

In der jetzt verabschiedeten Version der Schlussfolgerungen die Forderung nach sofortigem Open Access für wissenschaftliche Publikationen, die im Rahmen der öffentlich geförderten Forschung entstehen, nochmals betont. Dieses Ziel wurde bereits 2016 von den EU-Wissenschaftsministerien erhoben. Die Wissenschaftsminister:innen hatten damals einen Open-Access-Anteil von 100 % bis 2020 gefordert. Dieser Wert wurde bisher jedoch nicht erreicht. In Deutschland liegt der Open-Access-Anteil zum Beispiel bei 63 Prozent, während die Niederlande im Publikationsjahr 2021 einen Anteil von 82 Prozent erreichten.

“Council conclusions on high-quality, transparent, open, trustworthy and equitable scholarly publishing”

Angesichts steigender Abonnementkosten und ähnlicher Entwicklungen im Bereich der Publikationsgebühren für Open Access und hybride Optionen betont das EU-Papier das Potenzial von Geschäfts- und Finanzierungsmodellen, die weder die Leser:innen noch die Autor:innen finanziell belasten und sich durch angemessene und transparente Preise auszeichnen (Punkt 6). Es wird beklagt, dass die steigenden Preise für wissenschaftliche Fachinformationen zu Ungleichheiten führen und die öffentliche Hand in Europa zum Nachteil der Forschung belasten (Punkt 5).

Aufgrund dieser Kritik am kommerziellen Verlagswesen wird in zwei bemerkenswerten Punkten (6 und 7) die Bedeutung von nicht gewinnorientierten Open-Access-Modellen betont. Wortlaut:

“The Council of the European Union […] highlights the importance of not-for-profit, scholarly open access publishing models that do not charge fees to authors or readers and where authors can publish their work without funding/institutional eligibility criteria; notes the variety of models that do not depend on article processing charges or similar per-unit charges and stresses the importance of supporting the development of such models led by public research organisations; […] stresses that it is essential to avoid situations where researchers are limited in their choice of publication channels due to financial capacities rather than quality criteria, and where access to research publications is restricted by paywalls”

Zwar sind diese Unterstreichung und Betonung sicherlich nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Gestaltung eines pluralistischen, transparenten und nachhaltigen Systems der digtialen Wissenschaftskommunikation. Sie kommen jedoch zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kritik an dem Modell der Publikationsgebühren wächst.

Erst kürzlich hat die Ivy Plus Libraries Confederation (IPLC) in den USA, als Zusammenschluss von Bibliotheken forschungsstarker Einrichtungen, das APC-Modell deutlich kritisiert. Die Bibliothekar:innen sehen die Gefahr, dass Publikationsgebühren Ungleichheit fördern und Forschende aus finanziell weniger gut ausgestatteten Regionen beim Open-Access-Publizieren benachteiligt werden. Sie charakterisieren APCs als eine Hürde bei der Publikation.

Auch hat der öffentlichkeitswirksame Rücktritt des Editorial Boards der Elsevier-Zeitschrift NeuroImage aufgrund steigender APCs den kritischen Blick auf das Geschäftsmodell gelenkt. Die zurückgetretenen Herausgebenden haben nun bei MIT Press ein neues Journal gegründet, das niedrige APCs erhebt. Dieser Schritt zeigt, dass nicht APCs das Problem sein müssen, sondern vielmehr deren Preisgestaltung.

Um die im obrigen Zitat formulierten Anliegen der EU-Staaten zu adressieren, soll die Koordinierung innerhalb der EU und mit globalen Partnern zur Unterstützung von Chancengleichheit im wissenschaftlichen Publizieren gefördert werden (Absatz 7). Hierzu sollen auch abgestimmte Finanzierungsstrategien entwickelt werden, um die Anzahl von not-for-profit open access multi-format scholarly publishing models in Europe with no costs for authors or readers“ signifikant zu erhöhen (Absatz 11).

Auch soll das Anliegen durch eine mögliche Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten an Open Research Europe (ORE), der von der EU-Kommission finanzierten Publikationsplattform für Autor:innen aus den EU-Rahmenprogrammen, vorangetrieben werden (Absatz 15). 

In der Pressemitteilung werden weitere Themen der verabschiedeten Schlussfolgerungen augegriffen: 

“Some Member States have introduced secondary publication rights into their national copyright legislation, enabling open access to scholarly publications which involve public funds. The Council encourages national open access policies and guidelines to make scholarly publications immediately openly accessible under open licences. The conclusions acknowledge positive developments in terms of monitoring progress, like within the framework of the European Open Science Cloud (EOSC), and suggest including open science monitoring in the European Research Area monitoring mechanism.”

Die Schlussfolgerungen können zweifellos als Stärkung des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens in akademischer Trägerschaft  interpretiert werden. Der eingeschlagene Kurs ist zu begrüßen. Um die bereits vielfältigen Open-Access-Publikationsangebote und -Verlage, die von wissenschaftlichen Einrichtungen betrieben oder gemeinsam (mit angemessenen und ohne APCs) finanziert werden, nachhaltig zu stärken, ist es erforderlich, kooperative Finanzierungsmodelle auf internationaler Ebene zu entwickeln und umzusetzen. Dafür sind, wie das Papier richtig betont, abgestimmte Förderaktivitäten erforderlich, die beispielsweise in Deutschland, komplementär zu DEAL, dem wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizieren einen deutlichen Aufschwung geben.

US-Regierung macht 2023 zum „Year of Open Science“

Gestern hat das White House Office of Science and Technology Policy (OSTP) der Biden-⁠Harris Administration angekündigt, das Jahr 2023 unter das Motto Open Science zu stellen. 

Mit Fördermitteln, einer Weiterentwicklung der Forschungsinfrastruktur, sowie einer Verbesserung der Forschungsbeteiligung für Early Stage Researchers soll das Anliegen des „open and equitable research“ gestärkt werden. 

In einem Factsheet informiert das OSTP über die Aktivitäten der forschenden US-Bundesbehörden im Open-Science-Jahr. Im Kern stehen Maßnahmen, die die Umsetzung des wegweisenden Open-Science-Memorandums (das sogenannte „Nelson Memo“) aus dem August 2022 befördern. Nach diesem Erlass sind die US-Behörden aufgefordert sicherzustellen, dass wissenschaftliche Publikationen, und in vielen Fällen auch Forschungsdaten, ab 2026 auf Open-Access-Repositorien offen zugänglich gemacht werden (siehe Artikel hier im Blog dazu).

Webseite open.science.gov

Auf der Webseite open.science.gov werden Informationen zu den Open-Science-Aktivitäten der US-Behörden gesammelt. Über die Webseite steht auch ein zentraler Sucheinstieg zu den Open-Access-Repositorien der Behörden (u.a. NASA, NIH et al.) zur Verfügung. 

Interessant ist auch, dass das OSTP eine offizielle Definition für Open Science in den USA vorstellt. Diese lautet:

„The principle and practice of making research products and processes available to all, while respecting diverse cultures, maintaining security and privacy, and fostering collaborations, reproducibility, and equity.“ 

Angekündigt werden in dem Factsheet darüber hinaus weitere Maßnahmen zur Förderung von Open Science. U. a. wird die Initiative „Transform to Open Science (TOPS)“ der NASA aufgegriffen. Unter dem Motto „Transform to Open Science“ widmet sich die NASA von 2022 bis 2027 in einem Schwerpunktprogramm der Weiterentwicklung von Open Science.

Open Science in der Klimaforschung 

Diese Woche findet zum zwölften Mal die internationale Open Access Week statt. Seit 2010 bietet die Aktionswoche einen Rahmen für die Diskussion über den Stand und die Herausforderungen des offenen Zugangs zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. Während die Aktionswoche in ihren Anfangsjahren einen Fokus auf den Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln (Open Access) legte, widmen sich die Aktivitäten in diesem Jahr vermehrt auch anderen Aspekten von Open Science. So z. B. den Themen Open Research Data und Open Research Software. 

Die Aktionswoche wird von wissenschaftlichen Einrichtungen weltweit mit verteilten Aktivitäten begangen. Für Deutschland findet sich auf der Webseite open-access.network eine Übersicht von Aktivitäten. Seit 2012 wird jedes Jahr ein Motto für die Woche festgelegt. 

Das Motto „Open for Climate Justice“ der Open Access Week 2022

In diesem Jahr lautet das Motto “Open for Climate Justice”.  Dieses Motto würdigt zum einen die lange Tradition von Open-Science-Praktiken im Bereich der Klimaforschung, betont aber auch die Verantwortung der Politik in der Klimakrise. 

Im Folgenden werden einige der Open-Science-Praktiken in der Klimawissenschaft sowie der damit verbundene Transfer der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Eindämmung der Klimakrise beleuchtet.

Open Access zu Texten, Daten und Tools

Der Anteil der Open-Access-Publikationen in den Erd- und Umweltwissenschaften ist höher als in anderen Fächern. Auf europäischer Ebene fördert die European Geosciences Union (EGU) als Fachgesellschaft seit vielen Jahren Open Access und hat sich gemeinsam mit dem Verlag Copernicus Publications bei der Weiterentwicklung des Open Peer Review verdient gemacht. Mit EGUsphere, EarthArXiv und ESSOAr stehen darüber hinaus Preprint-Server bereit. 

Die 2014 von der American Geophysical Union (AGU)  gegründete “Coalition for Publishing Data in the Earth and Space Sciences (COPDESS)” widmet sich als Netzwerk der offenen Zugänglichkeit von Forschungsdaten in der Erd- und Weltraumforschung. Wissenschaftliche Einrichtungen, Fachgesellschaften und Verlage arbeiten in dem Netzwerk gemeinsam an Standards zur Realisierung der FAIR-Prinzipien

Auch das “Data Sharing” ist in den Geowissenschaften weiter verbreitet als in anderen Fachgebieten. Auf Forschungsdaten-Repositorien wie z. B. PANGAEA, das am Alfred-Wegener-Institut und der Universität Bremen betrieben wird, werden Daten der Klimaforschung offen publiziert. Dazu kommen in Deutschland eine Vielzahl von institutionellen Angeboten des Forschungsdatenmanagements, die aktuell im Rahmen des geowissenschaftlichen Konsortiums NFDI4Earth der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) vernetzt und weiterentwickelt werden. 

Internationale Großprojekte 

Gerade in den großen und kollaborativen geowissenschaftlichen Projekten ist Open Research Data seit Jahren ein Paradigma. Prominentes Beispiel ist die MOSAiC-Expedition. Von September 2019 bis Oktober 2020 driftete das Forschungsschiff Polarstern, in der größten Arktisexpedition aller Zeiten, durch das Nordpolarmeer. Beteiligt waren Forscher:innen aus 20 Nationen. Erhoben wurden 150 Terabyte Forschungsdaten und 10.000 Proben. Die Analyse dieser Daten sorgt für ein besseres Verständnis der Klimaprozesse in der Arktis und deren Rolle im Erdsystem. Eine Data Policy sorgt dafür, dass die Forschungsdaten der Expedition Anfang 2023 auf Forschungsdaten-Repositorien offen publiziert werden. Die Unterzeichnung der Policy war für jede der beteiligten Forscher:innen Voraussetzung für die Teilnahme an der Expedition. 

Während andere Fachgebiete noch über Standards diskutieren, ist die Open-Science-Praxis in den Klimawissenschaften, auch dank ihrer Internationalität, weit fortgeschritten. Die ISO-Norm 19115 „Geographic Information – Metadata“ oder auch das Directory Interchange Format (DIF) zur Beschreibung geographischer Informationen können hier als Beispiele für Standardisierungsaktivitäten genannt werden. Auch ist die Zitation von Datensätzen in Fachartikeln und damit auch das Zusammenspiel von Artikeln und Forschungsdaten an vielen Stellen bereits Realität. Dabei ist die Anwendung von Persistent Identifiers (PIDs) für Proben, Daten, Software verbreitet. 

Globale Kooperation für Open Science 

Die Förderung von Open Science wird von wissenschaftlichen Einrichtungen in den Erd-und Umweltwissenschaften weltweit vorangetrieben. Unter dem Motto “Transform to Open Science (TOPS)” widmet sich z. B. die NASA von 2022 bis 2027 in einem Schwerpunktprogramm der Weiterentwicklung von Open Science in den Forschungseinrichtungen der US-Behörde. Für 2023 hat die NASA sogar ein Open Science Jahr ausgerufen. Die NASA-Aktivitäten beeindrucken. Sie adressieren an vielen Stellen Aspekte der Diskussion um Klimagerechtigkeit und fördern Datenkompetenz und Dialog mit vom Klimawandel betroffenen Regionen. Folgendes Video gibt einen Überblick über die vielfältigen Aktivitäten der NASA im Kontext der Schaffung von Klimagerechtigkeit: 

Aktivitäten der NASA im Kontext von Open Science und Klimagerechtigkeit

Der Dialog der Forschenden auf internationaler Ebene ist auch nötig, um wissenschaftliche Daten auf globaler Ebene zu erheben. In weltweiten Messe-Netzwerken (z. B. in der Seismologie oder der Meteorologie) arbeiten Forschende aus aller Welt zusammen. Um die Daten bilden sich kollaborative Data Communities, die sich der Erhebung, dem Management und der Analyse von Forschungsdaten widmen. 

Als Beispiel kann das Projekt “West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use (WASCAL)” genannt werden, in dem afrikanische und deutsche Forscherinnen u. a. an einem Erdsystemmodell für Westafrika arbeiten. Ausbildung, Datenmanagement, Forschung und die Bereitstellung von Klimaänderungsinformationen prägen die gemeinsame Arbeit. Ein weiteres Beispiel mit deutscher Beteiligung ist das “Southern African Science Service Centre for Climate Change and Adaptive Land Management (SASSCAL). Teil dieses Kooperationsprojektes ist der Betrieb des “Open Access Data Center (OADC)”. Über das Portal werden Forschungsdaten rund um Klimaveränderungen in den südafrikanischen Ländern offen zugänglich gemacht. 

Forschungsdatenmanagement für den IPCC 

Auch der Transfer neuester wissenschaftlicher Ergebnisse der Klimaforschung in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft wird auf internationaler Ebene verfolgt. Zentraler Akteur ist das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Der Rat wurde 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UN Environmental Programme) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet. Anliegen des IPCC ist es, Entscheidungsträger:innen über den Stand der Forschung zu informieren und damit eine Grundlage für wissenschaftsbasiertes Handeln zu formulieren. Die Ergebnisse werden seit 1990 in den IPCC-Berichten veröffentlicht. Die Berichte bewerten den Stand der Forschung anhand eines Assessments von Quellen. Dabei sichern mehrstufige Begutachtungsverfahren die Qualität der Berichte. 

Aktuell ist der sechste Sachstandsbericht in Arbeit. Die Formulierung des Sachstandsberichts wird in drei Arbeitsgruppen organisiert. Arbeitsgruppe 1 widmet sich den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. Arbeitsgruppe 2 befasst sich mit den Folgen des Klimawandels. Dabei stehen Aspekte wie Anpassung und Verwundbarkeit im Fokus. Die Minderung des Klimawandels ist Gegenstand der Arbeitsgruppe 3. Die Berichte gliedern sich neben der Beschreibung der einzelnen Kapitel in je eine Executive Summary, eine Technical Summary sowie eine Summary for Policymakers. Zu jedem Kapitel wird darüber hinaus Begleitmaterial publiziert. Weitere Anhänge ergänzen die Berichte. Alle IPCC-Berichte und zugehörige Materialien sind offen zugänglich. Für den Bericht der Arbeitsgruppe 1 wurde ein Atlas erstellt, der auch als interaktive Anwendung im Web zugänglich ist. Er kann unter https://interactive-atlas.ipcc.ch abgerufen werden. Die dem Atlas zugrunde liegenden Daten werden unter der Creative-Commons-Lizenz CC-BY bereitgestellt

Eine zentrale Rolle beim Forschungsdatenmanagement der IPCC-Berichte spielt das Data Distribution Centre (DDC). Deutscher Partner im DDC ist das Deutsche Klimarechenzentrum (DKRZ). Wer sich für die Praxis des Forschungsdatenmanagements beim IPCC interessiert, dem seien die Publikationen von Stockhause et al. (2019) und Stockhause & Lautenschlager (2022) zur Lektüre empfohlen, die die Umsetzung der FAIR-Prinzipien beim IPCC beleuchten. (Siehe auch Open Science Factsheet Nr. 7 des Helmholtz Open Science Office). Dank der Arbeiten des DDC und der beteiligten Datenzentren werden die Forschungsdaten des IPCC per Digital Object Identifier (DOI) adressiert und können so dauerhaft referenziert werden. Diese Praxis fördert, über die einfache Zitierung der Daten hinaus, auch die Transparenz über die verwendeten Quellen und unterstützt die dauerhafte Zugänglichkeit der Forschungsdaten, die Grundlage der IPCC-Berichte sind. 

Wissenstransfer in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft 

Der Transfer der Ergebnisse des IPCC-Berichts wird darüber hinaus z. B. durch Übersetzungen unterstützt. So organisiert die Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle den Wissenstransfer zwischen Forschung und Klimapolitik und erstellt die Übersetzung zentraler IPCC-Publikationen für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Der Transfer der Erkenntnisse der Klimaforschung wird auch von vielen wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland unterstützt. Ein Beispiel ist die Helmholtz-Klima-Initiative, die u. a. diverse Klimainformationen aufbereitet. Mit Blick auf die nötigen Anpassungen an den Klimawandel leistet das Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrums Hereon eine wichtige Transferleistung. Das Center informiert mit einer Vielzahl an wissenschaftsbasierten Dienstleistungen über klimabezogenen Daten. So betreibt GERICS den GERICS-Bundesländer-Check, der zu Szenarien der Klimaentwicklung in den Bundesländern informiert. Auch bietet GERICS Workshops und Beratungsinstrumente für die Wirtschaft an. Z. B. steht ein Unternehmensbaukasten bereit, der Firmen bei der Implementierung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel unterstützt. 

Ein weiteres Beispiel der Aufbereitung von Klimadaten für die breite Öffentlichkeit in Deutschland ist der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Über den Monitor können tagesaktuelle Informationen zum Bodenfeuchtezustand in Deutschland abgerufen werden. 

Über den Wasser-Monitor des Forschungszentrums Jülich (FZJ) können Personen in der Landwirtschaft, aber auch auch jede interessierte Bürgerin, Daten zum Wasserhaushalt im Boden – in hoher räumlicher Auflösung von etwa 600 Metern – für ganz Deutschland abrufen. Die Daten werden im Jülicher Supercomputing Centre (JSC) simuliert und tagesaktuell, bis zu neun Tage in die Zukunft, berechnet. Dabei werden diverse Parameter wie z. B. Niederschlag, Luftfeuchtigkeit oder Windgeschwindigkeit ​​berücksichtigt. 

Wissenstransfer rund um den Klimawandel bieten auch die vier regionalen Klimabüros der Helmholtz-Gemeinschaft. Diese unterstützen z. B. Stadtplaner:innen oder Landwirt:innen im Umgang mit dem Klimawandel. Der Blick auf das Dienstleistungsportfolio des Mitteldeutschen Klimabüros am UFZ zeigt die Vielfalt der Transferaktivitäten, mit denen Forschende wissenschaftliche Erkenntnisse in die breite Öffentlichkeit vermitteln. Neben dem dialogbasierten Wissensaustausch mit der Privatwirtschaft und NGOs, werden Weiterbildungsprogramme, Politikberatung aber auch diverse Angebote für Schüler:innen und Studierende erbracht.

Citizen Science in der Klimaforschung

Neben diesen Services sind es auch Citizen-Science-Projekte, in denen die institutionalisierte Wissenschaft mit Bürgerforscher:innen gemeinsam an der Erforschung des Klimawandels arbeitet. Der Klick auf buergerschaffenwissen.de gibt einen guten Überblick über die Breite der Citizen-Science-Projekte in Deutschland. Darüber lassen sich viele Projekte mit Bezug zur Klimaforschung recherchieren. Z. B das Fraunhofer-Projekt “PV2Go”, in dem interessierte Bürger:innen über einen Zeitraum von einem Jahr die Sonneneinstrahlung auf ihrem Autodach messen können. Ein weiteres Beispiel, das sich an Schüler:innen richtet, ist “UndercoverEisAgenten”. In Kooperation mit Schulen in Deutschland und Kanada werden per App Daten über das Auftauen des Permafrosts erhoben. Darüber hinaus gibt es in der Biodiversitätsforschung viele spannende Mitmachprojekte zur Erforschung der Artenvielfalt. So werden im Projekt “VielFalterGarten” Schmetterlingszählungen durchgeführt oder im Projekt “IGAMon-Dog” die Suche nach invasiven Pflanzen unterstützt. Bürgerforscher:innen leisten so einen wichtigen Beitrag bei der Erhebung von Daten rund um den Klimawandel.

Verantwortung der Politik 

Die hier skizzierten Aktivitäten zeigen, dass sich Open Science in der Klimaforschung dynamisch entwickelt. Auf die globale Klimakrise wird in internationalen Projekten und Initiativen reagiert. Darüber hinaus wird ein breites Angebot an wissenschaftsbasierten Transferleistungen für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft organisiert. 

Die dringende Notwendigkeit, den “Knowledge-Action Gap” zu schließen, der die Lücke zwischen wissenschaftlichem Wissen und politischem Handeln beschreibt, ist eine politische Aufgabe. Die mangelnde Reaktion der Politik auf wissenschaftsbasierte Erkenntnisse in der Klimakrise erschwert die notwendige Schaffung einer Klimagerechtigkeit, im Sinne der Nord-Süd-Gerechtigkeit und der Generationengerechtigkeit.  

Somit ist es – dem Motto “Open for Climate Justice” der diesjährigen Open Access Week folgend – die Aufgabe der politischen Entscheidungsträger:innen die offen publizierten Erkenntnisse zu nutzen und auf Basis wissenschaftlicher Ergebnisse Klimagerechtigkeit zu sichern.

US-Regierung erlässt wegweisende Open-Science-Policy   

Heute hat das White House Office of Science and Technology Policy (OSTP) seine Open-Science-Policy aus dem Jahr 2013 aktualisiert. In einem wegweisenden Memorandum (PDF) unter dem programmatischen Titel “Ensuring Free, Immediate, and Equitable Access to Federally Funded Research” der Biden-⁠Administration werden die US-Bundesbehörden (z. B. NASA und NSF) zur Umsetzung folgender drei Punkte verpflichtet: 

  • Update their public access policies as soon as possible, and no later than December 31st, 2025, to make publications and their supporting data resulting from federally funded research publicly accessible without an embargo on their free and public release;
  • Establish transparent procedures that ensure scientific and research integrity is maintained in public access policies; and,
  • Coordinate with OSTP to ensure equitable delivery of federally funded research results and data“.

Während die aktuelle Open-Science-Policy, erlassen im Jahr 2013 von der Obama-Administration, bei der Umsetzung von Open Access zu wissenschaftlichen Artikeln noch eine Embargo-Periode von 12 Monaten vorsah (PDF), wird diese Sperrfrist nun abgeschafft. Zukünftig müssen peer-reviewed Publikationen, die im Rahmen der öffentlich geförderten Forschung der Bundesbehörden entstehen, mit ihrem Erscheinen offen zugänglich gemacht werden. (Eine Übersicht der Implementierungen der 2013er-Policy in den einzelnen US-Behörden bietet Science.gov. Ein Report für den US-Kongress, der ebenfalls heute veröffentlicht wurde beleuchtet die Hintergründe der Abschaffung des 12-Monats-Embargos.)

Verlagsverbände hatten im Vorfeld gegen die „zero embargo“ Open-Access-Policy protestiert. Seit dem Plan S, den eine Gruppe von Forschungsfördern, darunter auch die EU-Kommission, im Jahr 2018 auf den Weg brachte, gewinnt die Verbreitung dieser „zero embargo“ Policies jedoch auf internationaler Ebene an Verbreitung.

Über Open Access hinaus wird auch das Themenfeld Open Research Data in dem Memorandum adressiert. Unter Bezugnahme auf die erfolgreiche Anwendung von Open-Science-Praktiken bei der Erforschung von COVID-19 müssen die Bundesbehörden zukünftig sicherstellen, dass Mittelempfänger:innen ihrer Fördermittel, auch die Forschungsdaten, die einer wissenschaftlichen Veröffentlichung zugrunde liegen, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung frei verfügbar und öffentlich zugänglich gemacht werden, falls dem keine Beschränkungen entgegenstehen. 

Bei der Realisierung des offenen Zugangs zu Forschungsdaten betont das OSTP die Bedeutung von Persistenten Identifikatoren (PDIs) zur dauerhaften Identifikation und Vernetzung von Forschungsdaten.

Bei dem Betrieb von digitalen Forschungsdaten-Repositorien müssen zukünftig die Anforderungen des National Science and Technology Council (NSTC) aus dem Mai berücksichtigt werden. 

SPARC, eine Vereinigung von wissenschaftlichen Einrichtungen und Bibliotheken in den USA, begrüßt den Schritt der US-Regierung als “enormous leap forward” in der längjährigen Diskussion um die Realisierug von Open Science. 

Neben der deutlichen Forderung nach der sofortigen Umsetzung von Open Access und Open Research Data, ist die prominente Rolle von digitalen Repositorien in dem Memorandum des OSTP bemerkenswert. Spannend wird nun sein, wie die Behörden die Anforderungen in ihrer Förderpraxis im Detail umsetzten. 

Dazu passend: Bereits im Juli wurde Open Science als Teil der Innovationspolitik der USA im sogenannten „Chips and Science Act“ verankert

Update Schweizer Elsevier Agreement

Nach einer ersten ernüchternde Analyse zum Schweizer Elsevier Read & Publish Agreement (2020-2023) im August 2020 ist es nach 18 Monaten Vertragslaufzeit Zeit für eine weiteres Update.

77% Auschöpfung des Kontingents von 2020

Die Befürchtung, dass das Kontingent von 2850 OA Artikel nicht annähernd ausgeschöpft wird, hat sich inzwischen etwas abgeschwächt, ist aber noch nicht vom Tisch. Aktuell (Juni 2021) ist ist das Kontingent von 2020 zu 77% ausgeschöpft, dasjenige von 2021 zu 9%.

Es zeigt sich, dass die Durchlaufszeit von Einreichung bis zur Publikation bei Elsevier wirklich sehr lange dauern kann. Im Mai 2021 wurden beispielsweise 283 Publikationen als Teil des Schweizer Agreements OA publiziert. Etwas mehr als die Hälfte davon sind noch Einreichungen aus den Jahr 2020.

Das heisst bis alle 2020 eingereichten Publikationen entweder publiziert oder abgelehnt wurden, und der Stand des Kontingents abschliessend beurteilt werden kann, dürfte es noch mehre Monate oder länger gehen.

Viele Schweizer Corresponding Author Papers bleiben Closed Access

Dabei liegt der tiefe Auschöpfungsgrad nicht daran, dass Schweizer AutorInnen weniger bei Elsevier publizieren. Vielmehr bleiben viele Publikationen, die eigentlich durch das Agreement Open Access sein könnten/sollten Closed Access. Mein Monitoring kommt inzwischen auf über 500 solcher Schweizer Corresponding Author Papers, deren summierter APC-Listenpreis 1.5 Mio € beträgt. Publikationen, bei denen Elsevier das Einreichedatum nicht veröffentlicht und deshalb die Eligibility von Aussen nicht sicher festgestellt werden kann, sind in dieser Liste noch nicht einmal enthalten. Beispiel: 10.1016/j.cagd.2021.102003

Wieso so viele Papers Closed Access sind, scheint mehrere Gründe zu haben. Von zwei AutorInnen habe ich das Feedback erhalten, dass die Option zu OA im Einreiche-Prozess nicht angezeigt wurde und somit der Verdacht besteht, dass die Identifikation der Affiliation bei Elsevier nicht zuverlässig funktioniert.

Weitere AutorInnen haben offenbar bewusst auf die OA Option verzichtet, weil sie Hybrid-Kosten befürchteten. Da die Schweizer OA-Community (insbesondere der SNF) seit 15 Jahren den Forschenden auf Hybrid und Double-Dip sensibilisiert ist dies eigentlich eine gute Nachricht.

Zwar können eligible Closed-Access Artikel nachträglich noch bei Elsevier für eine Öffnung gemeldet werden. Allerdings scheint das nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt möglich zu sein sein, und für eine wirksame Änderung müssen auch die AutorInnen aktiv werden, was diese (ähnlich wie die Ablage auf ein Repository bei Green OA) leider nicht immer tun.

Ein Drittel aller Schweizer Publikationen OA durch das Agreement

Relevant für das Agreement ist das Einreichedatum ab 1.1.2020. Das heisst, dass die Auswirkung verzögert eintritt und erst 2021 so langsam richtig abgeschätzt werden kann. Von den 3437 Publikationen, die 2021 mit einer Affiliation einer teilnehmenden Institution publiziert wurden, sind ein Drittel (1118) OA durch das Schweizer R&P-Agreement. Das entspricht 54% aller Schweizer Corresponding Author Publikationen.

Damit wird das Agreement dem eigenen Anspruch, nämlich mindestens für die OA-Stellung aller lokaler Corresponding Authors zu sorgen, nicht gerecht. Man muss allerdings beachten, dass dies inbesondere bei den Rahmenbedinungen von Elsevier auch nicht möglich wäre. Einerseits sind etliche Journals von Elsevier ja explizit vom Schweizer Agreement ausgenommen (z.B. Cell Press, verschiedene Society Journals). Anderseits führt die Möglichkeit, dass ein Artikel mehrere Corresponding Authors hat, und ein Autor oder Autorin mehrere Affiliations haben kann, durchaus schon zum Effekt, das Artikel über andere Institutionen OA werden.

Schaut man sich deshalb der OA-Status (via Unpaywall) der Schweizer Publikationen an, sieht es etwas tröstlicher aus. So sind immerhin 61% aller Corresponding- und Non-Corresponding Publikationen von 2021 in einer Form zugänglich.

Verzerrtes Kosten- und Nutzenverhältnis

Eine Steigerung auf 61% OA ist ohne Zweifel eine klare Verbesserung zu den reinen Abos. Doch die Kosten für diesen Schritt sind extrem hoch. Zurzeit liegt die PAR-Fee für das Jahr 2020 bei über 6000€. Sollte das Kontingent ganz ausgeschöpft werden wird die PAR-Fee bei 4500€ EUR zu stehen kommen.

Mit Blick auf die einzelnen Institutionen sieht man erwartungsgemäss bereits grosse Unterschiede zwischen dem historischen Subskriptionspreis und dem Preis gemäss Publikationsverhalten der eigenen AutorInnen.

Man darf gespannt sein wie die Bibliotheken die innerkonsortiale Preisverteilung für das dritte und vierte Vertragsjahr neu aushandeln werden.

Internationaler Vergleich

Wie ist das Schweizer Elsevier Agreement im internationalen Vergleich zu werten? Während der ETH-Rat vor 10 Jahren bei dieser Frage ergebnislos kapitulierte, haben wir heute glücklicherweise bessere Möglichkeiten zum Vergleich. Ich habe dazu meinen Ansatz, denn ich für das Monitoring des Schweizer Agreements begonnen habe, nun auch auf andere Länder (Niederlande, Schweden, Finland, Norwegen, Polen, Ungarn, Österreich und Dänemark) übertragen. Das Ergebnis ist unter https://oa-monitoring.ch/elsevier_monitor/ zugänglich.

Ich hoffe ich kann zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich auf den internationalen Vergleich eingehen. Es fällt auf, dass das Phänomen, dass Publikationen die Open Access sein könnten bzw. solllten nicht frei zugänglich sind, sich bei allen Ländern zeigt. Bei Schweden sind es beispielsweise über 700 Artikel, was insofern unbefriedigend sein muss, da Schweden eigentlich ein „All you can publish“ Deal hat und im Agreement auch explizit ein Vorgehen mit Elsevier definiert hat, wie in im Falle nicht erkannter Publikationen vorzugehen ist.

Besser sieht die Situation in den Niederlanden aus, wo zwar auch noch viele Corresponding Author Papers Closed Access bleiben, jedoch für einen ähnlichen Preis massiv mehr OA-Publikationen enhalten sind.

Vergleicht man die Schweiz mit den Niederlanden und Schweden sieht man diesen Unterschied deutlich:

Da Elsevier bei Agreements ohne Limit die Publikationen nicht einem spezifischen Jahr zuweist, und manchmal das relevante Einreichedatum nicht öffentlich ist, kann die Aufteilung pro Jahr ungenau sein. Genauer wird der Vergleich wenn den ganzen Agreement-Zeitraum anschaut, also 2020 bis heute:

Da für alle 3 Länder das Einreichedatum relevant ist, wird sich die PAR-Fee sowohl für 2020 und 2021 weiter nach unten bewegen. Doch es zeigt sich bereits, dass die Schweizer praktisch doppelt soviel zahlen wie die Niederländer.

Fazit

Leider ändert sich an meinem Fazit vom letzten Jahr nicht viel. Die Verantwortlichen dieses Deals haben sich völlig unnötig auf etwas Halbgares eingelassen, mit dem niemand wirklich zufrieden sein kann. Zwar ist der Anstieg auf 61% OA erfreulich, aber nur solange man den Preis nicht kennt. Wenn ich zudem höre, dass Schweizer OA-Verantwortliche nun AutorInnen hinterherrennen müssen, wenn es bei der Einreichung mit OA nicht geklappt hat, ist man eigentlich am Punkt wo man ja gleich die 61% via Green Road OA ohne Embargo hätte erreichen können. Die Millionen hätte man in sinnvollere Alternativen stecken können.

Immerhin hat man bei swissuniversities erkannt, dass man durch den Fokus auf R&P Agreements Gold OA vernachlässigt hat. Vor kurzem wurden nationale Verhandlungen mit reinen Gold OA Verlagen, sowie die Stärkung von institutionellen Gold OA Funds angekündigt. Für Gold OA ist eine Kostenobergrenze von 2500 CHF vorgesehen. Wo war diese Obergrenze als man mit Elsevier den teuersten Schweizer Deal aller Zeiten eingegangen ist?

Google Scholar: Neue Open-Access-Funktion

Im März hat Google Scholar die Funktion „Public access“ in Google-Scholar-Profilen integriert. Anliegen ist es, so Google, Forschende bei der Umsetzung von Open-Access-Policies („public access mandates“) zu unterstützen.

In Google Scholar sind nun die Open-Access-Policies von 182 Förderorganisationen und wissenschaftlichen Einrichtungen hinterlegt (Stand: 09.04.2021). Aus Deutschland u. a. die Open-Access-Policies der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft und der Leibniz-Gemeinschaft.

Wie so oft bei Google Scholar ist das Verfahren eine Blackbox, d.h. wir können nur vermuten wie Google die „Public access“-Funktion im Detail umsetzt. Ein lesenswertes Interview hierzu mit Anurag Acharya, einem der Köpfe hinter Google Scholar, findet sich in Nature.

In diesem Interview wird der Ansatz der „Public access“-Funktion deutlich: Automatisiert werden die „Funding Acknowledgements“ in Papers mit den Policy-Informationen abgeglichen. Ist ein Artikel nicht frei im Web auffindbar, erscheint ein Hinweis in der „Public access“-Sektion in dem Google-Scholar einer/eines Autor*in. Die Auffindbarkeit bezieht sich dabei nicht nur auf Open-Access-Repositorien und Verlagsportale, sondern auf jegliche von Google indexierte Verzeichnisse im Web. 

Offenbar wurde die Funktion langsam ausgerollt. Seit einigen Tagen findet sich die Funktion auch in dem Back-End meines Google-Scholar-Profils. Folgender Screenshot zeigt die „Public access“-Funktion in meinem Profil:

Screenshot: Anzeige der „Public access“-Funktion im Google-Scholar-Profil

Per Klick auf die Funktion landet man auf einer Webseite, die Artikel listet, die laut Google Scholar durch eine Open-Access-Policy tangiert sind. In meinem Fall sind dies, so Google, 14 Veröffentlichungen. Zu jeder der Publikationen wird eine Leit- oder Richtlinie („Mandate“) angezeigt (siehe Screenshot).

Screenshot: Liste der Publikationen, die so Google Scholar, durch eine Open-Access-Policy tangiert sind

In meinem Fall waren bereits alle von Google identifizierten Publikationen frei zugänglich. Die Auswahl der 14 Paper und ihre Zuordnung zu den Open-Access-Policies überrascht jedoch und zeigt die Schwäche der neuen Funktion. Der automatisierte Abgleich der Angaben zu den Förderorganisationen und wissenschaftlichen Einrichtungen scheint wenig verlässlich. So erscheint in meiner Liste z. B. dreimal die National Institutes of Health (NIH) als Förderorganisation, obwohl ich bisher noch nie in einem von den NIH geförderten Projekt involviert war. Auch kann ich die Auswahl der 14 Paper nicht nachvollziehen. Somit scheint weder die Zuordnung noch die Auswahl verlässlich.

Zu hoffen ist, dass sich solche Fehler, die bei sprachbasierten Verfahren wenig überraschend sind, in Zukunft durch das Research Organization Registry (ROR) und dessen persistenten Identifikator für wissenschaftliche Einrichtungen und Förderorganisationen erledigen. (Siehe dazu unsere Arbeiten im ORCID-DE-Projekt.)

Auch irritiert es, das Google statt dem weltweit gebräuchlichen Term „Open Access“ den Begriff „Public access“ verwendet. Dieser ist zwar in den USA durch eine Verordnung der US-Regierung zu Open Access aus dem Jahr 2013 gängig, aber international kaum verbreitet.

Mehrere Kolleg*innen weisen kritisch darauf hin, dass Google Scholar, im Falle eines nicht frei zugänglichen Artikels, seine Dienst Google Drive als Alternative zu Open-Access-Repositorien bewirbt. Diesem Hinweis von Google sollte man besser nicht folgen und sich anstelle an seine lokale Bibliothek wenden. Die Bibliothekar*in wird sicher ein passendes Repositorium empfehlen können und eine/einen Autor*in im Idealfall auch gleich bei der Rechteprüfung unterstützen.

Die Google-Scholar-Funktion kann dazu beitragen wissenschaftliche Autor*innen für Open Access zu sensibilisieren, auch wenn die Angaben von Google Scholar nur bedingt belastbar scheinen. Auch zeigt die Funktion, dass die Relevanz der Compliance von Open-Access-Förderbedingungen steigt. Hierzu passt auch der Einstieg von Förderorganisationen in das Verlagswesen, wie es jüngst die Europäische Kommission mit ihrer Open-Access-Zeitschrift „Open Research Europe (ORE)“ tat. Die Europäische Kommission stellt mir ORE eine Plan-S-konforme Publikationsplattform bereit. Die Zeitschrift richtet sich an Forschende, die Ergebnisse aus EU-geförderten Projekten publizieren.

Knacknuss Öffentlichkeitsprinzip bei der Zusammenarbeit von Hochschulen

Ein neues Urteil (VB.2020.00746) des Zürcher Verwaltungsgericht bestätigt, dass Preise von Read & Publish Agreements auf Nachfrage öffentlich gemacht werden müssen, da sie keine objektiv schützenswerte Geschäftsgeheimnisse darstellen. Allerdings soll das nur für die Universität Zürich gelten, und nicht für alle Vertragsteilnehmer gleichermassen. Das Urteil bildet eine weitere Etappe in einer Odyssee wie das Öffentlichkeitsprinzip in der interkantonalen Zusammenarbeit anzuwenden oder eben nicht anzuwenden ist.

Informationszugang RSC-Vertrag via Universität Zürich

Über meinen Versuch Zugang zum Schweizer RSC-Agreement (2019-2020) zu erhalten, habe ich in diesem Blog bereits mehrfach berichtet. Nach einiger Verzögerung und Verweigerung, legte die Universität Zürich letztes Jahr den 32-Seitigen Vertrag grösstenteils offen. Allerdings wurden die Preise der einzelnen Hochschulen geschwärzt, dies mit der Begründung:

Mit der Offenlegung des zu zahlenden Gesamtbetrages wird dem Öffentlichkeitsprinzip ausreichend Rechnung getragen.

Universität Zürich, Abteilung Datenschutzrecht, Begründungen der Schwärzungen, 10. Feb. 2020

Rekurskommission: Keine Datenherrschaft

Dagegen legte ich bei der Rekurskommission der Zürcher Hochschulen Beschwerde ein. Diese hatte sich in der Vergangenheit bereits zur Offenlegung von Subskriptionsgebühren ausgesprochen. Damals hatte ich jedoch nur die Zahlen einer Zürcher Hochschule (ZHAW) angefragt. Nun verlangte ich Zugang zum ganzen RSC-Vertrag via Zürcher Öffentlichkeitsgesetz. Dort sind die Zahlungen aller Hochschulen aufgeführt. Dies führte bei der Rekurskommission zu einem Dilemma. Wie kann sie zu ihrem früheren Entscheid für Transparenz stehen, ohne in Widerspruch zu den bekannten Basler Urteilen zu kommen. Dort hatte bei meiner früheren Anfrage nach den Ausgaben der Universität Basel an Elsevier, Springer und Wiley, dass Appellationsgericht (VD.2015.20) und später das Bundesgericht (1C_40/2017) den Zugang zu den Subskriptionspreisen der Universität Basel verneint.

Die Rekurskommission löste das Dilemma, in dem sie erklärte, dass die Universität Zürich gar keine Datenherrschaft über die Ausgaben der anderen Hochschule ausübt und die Rekurskommission keine Offenlegung dieser Zahlungen beschliessen kann. Sie entschied in Folge nur die Bekanntgabe der Total Fee’s 2019 und 2020 der Universität Zürich.

Verwaltungsgericht ZH: Kein Zusammenhang mit Aufgabenerfüllung

Dagegen erhob ich mit finanzieller Unterstützung des Vereins öffentlichkeitsgesetz.ch Beschwerde beim Zürcher Verwaltungsgericht. Das Gericht (VB.2020.00746) verwarf die Erfindung der fehlenden Datenherrschaft und griff stattdessen zu einem anderen Kniff, um sich nicht in Widersprüche zu verstricken:

„Wie bereits dargelegt wurde (E. 3), hat die Vorinstanz [Rekurskommission] zu Unrecht nicht geprüft, ob die Beschwerdegegnerin [Universität Zürich] auch die Teilbeträge auf Seite 18 und 19 der anderen Konsortiumsmitglieder hätte offenlegen müssen. Dies ist im Folgenden nachzuholen.

Hierfür ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin nur im Besitz dieser Informationen ist, weil der Verlag den Vertrag mit dem Konsortium und nicht direkt mit den einzelnen Konsortiumsmitgliedern abschloss. Diese Informationen haben keinen direkten Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung der Beschwerdegegnerin, sondern betreffen vielmehr die Aufgabenerfüllung von Institutionen, auf die das zürcherische Informations- und Datenschutzgesetz nicht anwendbar ist. Der Beschwerdeführer hat neben dem vorliegenden Verfahren denn auch bei anderen Beteiligten des Konsortiums und mithin in anderen Kantonen sowie beim Bund Verfahren eingeleitet, um Einsicht in den Vertrag bzw. Kenntnis von geleisteten Teilbeträgen alle bzw. der anderen Konsortiumsmitglieder mittels Öffentlichkeitsgesuchen zu erlangen (act. 2 S. 2, act. 5). In wie vielen Kantonen solche Verfahren hängig sind und was der jeweilige Verfahrensstand ist, ist unklar. Dazu kommt, dass für den Kanton Basel-Stadt mindestens ein rechtskräftiges (durch das Bundesgericht geschütztes) Urteil vorliegt, welches in einer ähnlich gelagerten Konstellation eine Offenlegung von Verträgen mit wissenschaftlichen Verlagen untersagt hatte (vgl. BGr, 5. Juli 2017, 1C_40/2017).

Aus Respekt vor der Hoheit der anderen Kantone und des Bundes kann das Verwaltungsgericht nicht einen diesen hängigen oder bereits abgeschlossenen Verfahren vorgreifenden bzw. widersprechenden Entscheid für alle beteiligten Konsortiumsmitglieder fällen, indem es die Offenlegung von Informationen, die nicht die Beschwerdegegnerin betreffen, anordnet oder untersagt (vgl. Art. 44 Abs. 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 [SR 101 ]).
Mithin besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse, welches der Offenlegung der Teilbeträge auf Seite 18 und 19 betreffend die anderen Konsortiumsmitgliedern entgegensteht.“

Diese Begründung ist alles andere als schlüssig. Der gemeinsame Konsortialvertrag ist ja nicht zufällig entstanden. Bestünde hier kein „direkter Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung der Universität Zürich“ hätten die Hochschulen ja jeweils einen eigenständigen Vertrag mit RSC abschliessen können. Das Konsortium bräuchte es nicht.

Wir haben nun die verrückte Situation, dass das Verwaltungsgericht ZH, die Ausgaben der Universität Zürich grundsätzlich den Charakter eines schützenswertes Geschäftsgeheimnis abspricht, aber nicht den Mut hat, zu erklären wieso die gleiche Art von Information im gleichen Vertrag dann von anderen Hochschulen doch wieder als schützenswertes Geschäftsgeheimnis gewertet werden kann. Dies obwohl für die genaue Definition eines Geschäftsgehmnisses regelmässig von allen Kantonen die Bundesrechtsprechung herangezogen wird.

Zudem ist die Lösung des Verwaltungsgericht nicht praktikabel, da man bei einem Dokument, welches Informationen aus verschiedenen Kantonen enthält (was bei der interkantonalen Zusammenarbeit ja üblich ist) ja immer wissen müsste, welchen Abschnitt man nun von welchem Organ anfragen müsste.

Swissuniversities: Zu politisch sensibel für das Öffentlichkeitsprinzip

Eine ähnlich unbefriedigende Antwort lieferte vor kurzem auch die Bildungsdirektion des Kanton Berns (Entscheid 2020.BKD.53794). Obwohl swissuniversities ein Verein von öffentlich finanzierten Hochschulen der Kantone und des Bundes ist, untersteht swissuniversities offenbar keinem Öffentlichkeitsgesetz. Dies weil die Macher der gesetzlichen Grundlage für swissuniversities vor zehn Jahren, auch lieber dem Dilemma aus dem Weg gingen als es zu tatsächlich lösen. Obwohl man swissuniversities dem Datenschutz, dem Beschaffungsrecht, dem Personalrecht des Bundes unterstellte, erklärte man in der Botschaft zum HFKG, dass für swissuniversities kein Öffentlichkeitsgesetzen gelten soll:

Die gemeinsamen Organe werden aus Gründen der politischen Sensibilität und der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben nicht dem Öffentlichkeitsgesetz unterstellt.

Vermutlich hat es damit zu tun, dass vor zehn Jahren einige Kantone das Öffentlichkeitsprinzip noch nicht kannten. Heute, wo der Bund und alle Kantone ausser Luzern das Öffentlichkeitsprinzip kennen, ist eine solche Begründung kaum zum Aushalten.

SLSP AG: Nur Dienstleister ohne öffentliche Aufgabe

Offenbar lässt sich das Öffentlichkeitsprinzip auch aushebeln, in dem öffentliche Institutionen einfach eine Aktiengesellschaft bilden. So ist die SLSP AG, gemäss einer beauftragten Einschätzung ist ebenfalls keinem Öffentlichkeitsgesetz unterstellt. Die SLSP AG bezweckt den Aufbau und den Betrieb eines Bibliotheksverwaltungssystems und die Erbringung weiterer damit zusammenhängender Services (z.B. Ausleihkurier, Konsortialdiensten). An der Gesellschaft können sich nur Hochschulen bzw. Bibliotheken der Hochschulen gemäss Bundesgesetz über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen Hochschulbereich (HFKG) sowie wissenschaftliche Bibliotheken der öffentlichen Hand beteiligen. Da der SLSP AG keine öffentlichen Aufgaben übertragen wurden und nicht hoheitlich handle, sei das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung auf die SLSP AG nicht anwendbar.

Fazit

Die unklare Situation hinsichtlich des Öffentlichkeitsprinzip bei der föderalen Zusammenarbeit ist das eine. Frustrierender ist jedoch der Unwille vieler Instanzen hier wirklich Klarheit zu schaffen und die offensichtlichen Widersprüchlichkeiten aktiv zu lösen und auch praktikable Wege aufzuzeigen.

Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Zürcher Öffentlichkeitsgesetzes auf Dokumente der interkantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz wird übrigens bald ein weiteres Bundesgerichtsurteil erwartet.

Der Schweizer 57 Mio EUR Elsevier Deal

Das Read & Publish Agreement von swissuniversities mit Elsevier gilt für Publikationen, die ab dem 1. Januar 2020 bei Elsevier eingereicht werden. Allerdings wurde erst Ende Mai 2020 der Vertrag und die Liste der relevanten Journals offiziell kommuniziert.

Big-Deal mit einem OA-Addendum

Der Vertrag liest sich zunächst wie ein klassischer Big-Deal für Journal Subskriptionen. Die Schweizer Hochschulen gönnen sich einmal mehr für 4 Jahre Zugriff auf das gesamte Journal-Portfolio von Elsevier. In einem Addendum von anderthalb Seiten wird schliesslich der neue Workflow für OA-Publikationen beschrieben.

1.5 Seiten OA-Bedingungen

Demnach können alle AutorInnen der teilnehmenden Institutionen (Sämtliche Schweizer Hochschulen, sowie Agroscope, FIBL, Uni Liechtenstein und Schweizer Vogelwarte) im Hybrid und Gold OA Programm von Elsevier Open Access publizieren:

JahrAnzahl APCs inbegriffenPreis R&PPAR-fee*
20202850 APCs13.8 Mio EUR4842 EUR
20213000 APCs14.1 Mio EUR4692 EUR
20223150 APCs14.4 Mio EUR4558 EUR
2023Unlimitiert (All you can publish)14.6 Mio EUR?
* Die PAR-fee (Read and Publishing fee) ist ein sehr grober Indikator, der zeigt wieviel Geld für die APC und dem noch bestehenden Lesezugriff pro Artikel ausgegeben wird (in Deutschland ist die PAR-fee bei Wiley beispielsweise 2750 EUR)

In den ersten drei Jahren, ist eine bestimmte Anzahl Artikel (APC’s) inbegriffen. Wird in einem Jahr weniger publiziert als vereinbart, verfällt das Kontingent. Wird mehr publiziert als vereinbart, werden die AutorInnen von Elsevier bei der Einreichung darauf hingewiesen und können dann entscheiden ob sie die Standard-APC für Hybrid oder Gold OA des jeweiligen Journals ausserhalb des Agreements zusätzlich bezahlen wollen.

Kontingent wird 2020 kaum ausgeschöpft werden.

Für das Jahr 2020 und dem Preis von 13.8 Mio EUR steht den Hochschulen ein Kontingent von 2850 APCs zu Verfügung.

Wieviele Publikationen bereits durch das Agreement veröffentlicht worden sind, lässt sich anhand von Metadaten bei Elsevier herausfinden (Najko Jahn 2019).

Demnach wurden bislang knapp 400 Publikationen unter dem neuen Agreement Open Access veröffentlicht.

Selbst wenn man berücksichtigt, dass nicht das Publikationsdatum, sondern das Einreichedatum relevant ist und deshalb die Publikationen von 2020 erst mit einer zeitlichen Verzögerung bis ins Jahr 2021 hinein sichtbar werden, ist diese Zahl überraschend tief. Mit etwa 30 Publikationen pro Woche wird man kaum in den Bereich gelangen, das Kontingent auszuschöpfen.

Pro Woche werden zwischen 20 und 30 Schweizer OA Artikel als Teil des Agreements publiziert.

Zu viele Papers sind nicht im Agreement

Wie die Gegenprobe zeigt, werden aktuell viele Artikel der involvierten Institutionen nicht über das Agreement veröffentlicht. Ich komme auf knapp 400 Corresponding Author-Papers. 75% sind in Journals publiziert, die auf der Liste des Agreement sind. Beschränkt man sich auf den Artikel-Typ „Full-length Papers“ sind zurzeit 169 Papers Closed Access, bei denen ich erwartet hätte, sie würden unter das Agreement fallen.

Entweder lehnen die Hochschulen viele Eingaben ab, oder die Papers werden von Elsevier gar nicht für das Agreement identifiziert und vorgeschlagen.

Desweiteren gibt es noch über 650 Papers, bei denen ein „Schweizer“ Co-Author, aber eben nicht Corresponding-Author ist. Diese Papers sind vom Agreement ausgeschlossen.

Insgesamt muss man deshalb konstatieren, das von den mindestens 1450 „Schweizer“ Papers, die seit 1.1.2020 bei Elsevier eingereicht und publiziert wurden, nur gerade 27% durch das neue Read & Publish Agreement frei zugänglich geworden sind.

Mirror Journals

Über das Agreement wurden bereits auch 10 Artikel in den sogenannten Mirror Journals publiziert. Hier hätte swissuniversities gut getan zu vereinbaren, dass Schweizer Corresponding Papers im Original-Journal, und nicht im Abklatsch-Journal landen. Hier ist man der dreisten Strategie von Elsevier, den Wechsel zu OA zu verzögern, einmal mehr voll auf den Leim gegangen.

Double Dip: Hybrid + Agreement

Auch gibt es Fälle bei dem die Hybrid Kosten nicht über das Agreement, sondern sehr wahrscheinlich über eine zusätzliche Rechnung an das Institut bezahlt wurde. Bestätigt weiss ich das von diesem Beispiel: http://doi.org/d6gt

Wenn nun das Kontingent nicht regulär ausgeschöpft wird, sind solche Fälle von Doppelzahlung, als die neue Art von Double Dip besonders ärgerlich.

Nur 42% CC-BY

Als grober Designfehler zeigt sich auch, dass man nicht zentral definiert hat, dass Artikel die über das Agreement veröffentlicht werden, immer eine CC-BY Lizenz haben. In dem man diese Wahl den AutorInnen überlässt, haben nun 58% der OA Artikel die Lizenz CC-BY-NC-ND, welche bekanntlich nicht mit der Berliner Erklärung kompatibel ist, die ja von swissuniversities, bzw. den einzelnen Hochschulen unterzeichnet wurde.

58% der AutorInnen wählen eine CC-BY-NC-ND Lizenz

Keine Qualitätsvorgaben

Ärgerlich ist auch, dass man es bei swissuniversities versäumt hat, klare Vorgaben hinsichtlich Qualität zu setzen. Sei das inhaltlich (z.B. Transparenz beim Peer-Review bzw. die Veröffentlichung von Peer-Review Reports) noch formal, wie z.B. die Ausgabe von vollständigen Metadaten. Elsevier verweigert ja bewusst, die Ausgabe von Zitationsdaten via Crossref. Ebenfalls liefert Elsevier keine Affiliations oder Abstracts an Crossref.

Halbherzige Transparenz

Und dann ist da noch das leidige Thema Transparenz. Zwar wurde der Vertragstext in weiten Teilen zugänglich gemacht, aber ausgerechnet bei den Kosten pro Institution, entschied man sich wieder intransparent zu bleiben:

Ungeachtet klarer früherer Entscheide, verweigern viele Hochschulen auf meine Anfragen die Auskunft. Dabei wird häufig unkritisch die Argumentation von Elsevier übernommen:

Anstatt mit 10 Minuten Aufwand Transparenz zu schaffen, sind sich viele Hochschulen (z.B. PHZH, ZHAW, UZH, UniFR, ZHDK, Lib4RI) nicht zu schade, sich selbst, mich und die Rekursinstanzen zu beschäftigen, indem sie die Ausgaben auf Anfrage nicht bekanntgeben und aussichtslose Verfahren provozieren. Immerhin gibt es doch auch einige Institutionen (z.B. UniSG, ETHZ, Agroscope, EPFL) die das Transparenzbedürfnis der Öffentlichkeit gegenüber den rein kommerziellen Interessen noch richtig abwägen können und die Zahlen nach langer Bearbeitungszeit bekannt gegeben haben.

Fazit

Wer diesen Blog seit längerem verfolgt weiss, dass ich mich in der Vergangenheit mehrfach für Read & Publish Agreements als realistischen Weg zu Open Access ausgesprochen habe (z.B. hier oder hier).

Dass meine damalige Forderung nun endlich umgesetzt wurde, stimmt mich leider nur halbwegs zufrieden. Das Agreement kommt viel zu spät und nun in einem Umfeld, bei dem sich die Parameter bereits wieder stark geändert haben (z.B. Sci-Hub, PlanS, Elsevier Abbestellung Deutschland).

Dem Agreement merkt man leider an wie es entstanden ist. Man hat sich viel zu lange von Elsevier hinhalten lassen, um dann kurz vor Ende 2019 zu etwas Halbgarem zuzustimmen, weil man nicht den Mut hatte neben Springer Nature auch Elsevier eine Abfuhr zu erteilen.

Besonders störend ist die Tatsache, dass man hier gleich einen 4-Jahres-Vertrag abgeschlossen hat. Hätte man nicht besser mit einem 1-2 Jahres-Vertrag anfangen können um Erfahrungen zu sammeln und Fehlentwicklungen, wie sie sich bereits abzeichnen noch korrigieren zu können? Nun hat man für vier Jahre alle Trümpfe aus der Hand gegeben und muss vielleicht auch noch bald Werbung für Hybrid-OA bei Elsevier machen, wenn sich die Publikationszahlen nicht so entwickeln, wie man dies antizipiert hat. Dabei wäre es ja eigentlich erstrebenswert, wenn weniger Schweizer AutorInnen in Hybrid-Journals von Elsevier, sondern in richtigen Open Access Journals publizieren. Das Signal welches dieses Agreement für richtige Gold Open Access Verlage aussendet ist zudem fatal. Ohne öffentliche Ausschreibung wird Elsevier ein Mega-Auftrag zugeschanzt, während man diejenigen Verlage, die sich seit Jahren tatsächlich um OA bemühen und dies auch günstiger liefern können, links liegen lässt.

Mit einer PAR Fee von über 4500 EUR ist man zudem auf einem bereits extrem hohen Preisniveau, das einmal mehr eindrücklich zeigt, dass OA in der Schweiz nicht am Geld scheitert.

Man hat sich nun mit dem Geld 30% OA bei Elsevier gekauft. Für die 100% die swissuniversities bis 2024 erreichen will, muss aber noch sehr viel passieren.

Verlagssuche für ein Open-Access-Buch – ein Erfahrungsbericht

Im Zuge der Open-Access-Transformation erscheinen zunehmend auch Bücher Open Access. Insbesondere die Kalkulationen zu Kosten von Open-Access-Büchern gehen dabei weit auseinander: sie reichen von einigen tausend bis zu mehreren zehntausend Euro.[1] Institutionelle Publikationsfonds für Open-Access-Bücher sehen häufig Förderungen in der Höhe von bis zu 6.000 Euro vor.[2] Bislang bieten allerdings nur wenige Verlage im deutschsprachigen Raum Open Access für Bücher überhaupt aktiv an, viele beginnen erst mit der Entwicklung entsprechender Modelle.

Dieser Beitrag schildert die Erfahrungen bei der Verlagssuche für ein Open-Access-Buch, das drei Mitarbeiter*innen der UB Graz gemeinsam herausgeben. Generell ist zu empfehlen, für ein Buchprojekt zumindest zwei Verlagsangebote einzuholen; wir fragten für unsere Publikation bei gleich sechs Verlagen an.

Unsere wichtigsten Kriterien für die Vorauswahl waren ein einschlägiges Verlagsprogramm (in Fachbereichen wie Bibliotheks- und Informationswissenschaften oder Medienwissenschaften), also ein passendes fachliches Umfeld für unsere Publikation, und/oder vorhandene Erfahrung des Verlags mit Open-Access-Publikationen.

Auf Basis einer ersten Recherche kontaktierten wir Mitte 2019 sechs deutsche Verlage mit einem Projektvorschlag für das geplante Buch. Der Projektvorschlag enthielt Angaben zu Konzept und Inhalt, Umfang (geplant waren 250 Seiten bzw 550.000 Zeichen), den beteiligten Personen, der Zielgruppe des Buches u.a.m. Darüber hinaus wurden die Verlage explizit darauf hingewiesen, dass dem Herausgeberteam eine Open-Access-Verfügbarkeit sehr wichtig sei.

Unser Ziel war es herauszufinden, ob seitens der Verlage Interesse an dem damals bereits laufenden Buchprojekt besteht und welcher der Verlage unsere Vorstellungen zu möglichst attraktiven Bedingungen erfüllen würde.

Erfreulicherweise zeigten sich alle sechs kontaktierten Verlage daran interessiert, das geplante Buch in ihr Programm aufzunehmen. Die Angebote fielen allerdings teils lückenhaft und vor allem äußerst unterschiedlich aus:

  • Ein Verlag bot nur die Möglichkeit einer (kostenpflichtigen) Open-Access-Zweitveröffentlichung an, ein weiteres Angebot war in diesem Punkt unklar.
  • Es wurden unterschiedliche Buchformate und Einbände (Hardcover bzw. Softcover) angeboten.
  • Satz und Layout waren nur bei der Hälfte der Verlage im Leistungsumfang inkludiert.
  • Es wurden unterschiedliche Kostenpositionen angeführt, so etwa Kosten für die Druckausgabe und/oder für Open Access, ein Verlag kalkulierte auch Nebenkosten. Keiner der Verlage legte eine detaillierte Aufschlüsselung einzelner Kostenpositionen vor.
  • Der für die Publikation insgesamt aufzubringende Zuschuss wurde mit 0 Euro bis 6533 Euro angegeben.
  • Die Zahl der inkludierten Herausgeber- und Autorenexemplare reichte von 0 bis 40. Weitere Exemplare wurden von den meisten Verlagen mit einem Rabatt von 30-40 % auf den Ladenpreis angeboten.
  • Der Ladenpreis der Printausgabe wurde je nach Verlag zwischen 28 und 80 Euro angesetzt, also zwischen 11 und 32 Cent pro Seite.
  • Zwei Verlage stellten ein Herausgeberhonorar von 10 % des Netto-Ladenpreises in Aussicht.
  • Zwei Verlage machten Angaben zur geplanten Druckauflage: 350 bzw. 400 Exemplare inklusive Freiexemplare für Herausgeber*innen, Autor*innen und Werbezwecke.
  • Zwei Verlage baten um die Zusendung von Probekapiteln.
Überblick der Verlagsangebote

Die meisten der kontaktierten Verlage boten an, die Ausstattung des Buches gegebenenfalls an Wünsche der Herausgeber*innen anzupassen. Es bestätigte sich, dass man bei Verlagen durchaus nachfragen kann und sollte: Durch Rückfragen bei einigen der Verlage konnten wir sowohl Klarstellungen als auch teils bessere Konditionen bei Creative-Commons-Lizenzen, Ladenpreis und Anzahl der Autor*innenexemplare erreichen.

Aufgrund der sehr uneinheitlich strukturierten und kalkulierten Angebote führten wir in einem zweiten Schritt eine genauere Analyse der Angebote durch, um den für uns „besten“ Anbieter zu identifizieren. Hierbei waren uns folgende Punkte wichtig:

  • Vertrauenswürdiges, schlüssiges Angebot
  • Open-Access-Option
  • Leistbare Publikationskosten
  • Vertretbarer Ladenpreis der Printausgabe

Drei Verlage kamen dabei in die engere Auswahl: Sie hatten nachvollziehbare Angebote gelegt sowie strategisches Interesse an der Publikation signalisiert und waren auch bereit, uns bei den Konditionen entgegenzukommen. Wir wählten schließlich jenen Verlag, der sowohl einen vertretbaren Ladenpreis als auch einen vergleichsweise niedrigen Zuschussbedarf angegeben hatte – mit dem Hinweis, dass aufgrund des besonderen Interesses an diesem Band („Open-Access-Publikation von Perspektiven, die uns alle voranbringen“) in unserem Fall nur 2/3 der Betriebskosten in Rechnung gestellt würden. Die beiden anderen Angebote waren ebenfalls interessant, hätten aber unser Budget – und das der Käufer*innen der Druckausgabe – deutlich mehr belastet.

Unser Verlagsvergleich brachte somit folgende Erkenntnisse:

  • Nicht alle Verlage „können“ Open Access.
  • Verlagsangebote sind sehr unterschiedlich strukturiert und kalkuliert und daher nur bedingt vergleichbar.
  • Einholen mehrerer Angebote und Nachfragen lohnen sich.
  • Das eigene Werk dem Verlag gut und verständlich zu „verkaufen“ ist wichtig.
  • Die Höhe des Finanzierungsbedarfs hängt auch vom „Wert“ eines Buches für das Verlagsprogramm ab und kann – zumindest bei nicht streng wissenschaftlichen Büchern – geringer sein als allgemein vermutet.

Der Umfang des Buches erhöhte sich von den ursprünglich geplanten 250 schlussendlich auf beinahe 400 Seiten, was nachträglich eine moderate Erhöhung des Finanzierungsbedarfs und des Ladenpreises bei ansonsten unveränderten Rahmenbedingungen brachte. Das Buch „Publikationsberatung an Universitäten“ erscheint im Mai 2020 gedruckt und Open Access.


[1] Ferwerda et al., A Landscape Study on Open Access and Monographs: https://doi.org/10.5281/zenodo.815932  (S. 38)

Grimme et al., The State of Open Monographs: https://doi.org/10.6084/m9.figshare.8197625  (S. 16-20)

Maron et al., The Cost of Publishing Monographs: https://doi.org/10.18665/sr.276785 

Eve et al., Cost estimates of an open access mandate for monographs in the UK’s third Research Excellence Framework: https://insights.uksg.org/articles/10.1629/uksg.392/ 

[2] Beispiele siehe https://oa2020-de.org/assets/files/20191203_Vorträge_OAMonografienWorkshop.pdf