Einblick ins Geschäft des Ghostwriting

Auf dem Youtube-Kanal {ungeskripted} gibt es ein spannendes Interview mit Elias Gudwis, der unter ghostwriting-gudwis.de eine Ghostwriting-Agentur mit Fokus Haus-, Bachelor- und Masterarbeiten betreibt.

„Lustigerweise“ hat die Plagiatsaffäre um Guttenberg dazu geführt, dass die Nachfrage gestiegen ist, weil Ghostwriter bezüglich Plagiate ihr Handwerk verstehen. Auch ChatGPT hat bisher noch nicht zu einem Einbruch der Nachfrage geführt, da es für den wissenschaftlichen Bereich einfach noch nicht genügend ausgereifte Arbeiten liefert. Langfristig sieht Gudwis die KI allerdings schon als einen Einfluss, der die Preise in seiner Branche nach unten treiben wird.

Obwohl Gudwis natürlich ahnt, wofür die Arbeiten gebraucht werden, bewegt er sich im legalen Bereich, weil es ja der/die AuftraggeberIn ist, der diese Arbeit dann – sehr wahrscheinlich – als seine eigene bei einer Hochschule einreicht und damit gegen die Regeln verstösst. Moralisch scheint er mit seinem Geschäft wenig Bedenken zu haben. Verständnis für seine Auftraggeber hat er insbesondere dann, wenn diese eigentlich einfach einen Beruf ausüben wollen, für den zwar ein Studienabschluss verlangt wird, der Inhalt des Studiums dann aber wenig mit dem eigentlichen Job zu tun hat. Er würde sich als „Wissenschafts-Nerd“ nicht nur eine Abkehr von dieser inflationären Verakademisierung wünschen, sondern auch eine offene Debatte über die eigentlichen Missstände, die zum Ghostwriting führen. Hier sieht er allerdings keinen Willen des Hochschulbetriebs.

Im Oktober 2023 gab es in Nano ebenfalls ein Beitrag „Fake-News in der Wissenschaft“ zum Thema Papermills.

DOIs für Wissenschaftsblogs? – Ein Interview mit Martin Fenner zu Rogue Scholar

Blogs sind heute ein integraler Bestandteil der digitalen Wissenschaftskommunikation und unterstützen verschiedene Kommunikationsfunktionen in der Wissenschaft. Sie können als Tagebuch im Sinne von Open Science genutzt werden, um aktuelle Ergebnisse aus dem Laboralltag zu dokumentieren und zu kommunizieren. Zudem können sie als digitales Schaufenster dienen, um die externe Wissenschaftskommunikation an wissenschaftlichen Einrichtungen zu unterstützen und wissenschaftliche Erkenntnisse einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Trotz ihrer Bedeutung sind jedoch viele Fragen im Zusammenhang mit der dauerhaften Zugänglichkeit von Blogs ungeklärt. Beispielsweise konnten Blogplattformen kommerzieller Akteure wie Nature und ScienceBlogs keinen nachhaltigen Betrieb für ihre Blogs gewährleisten. Angesichts dieser Problematik haben verschiedene Akteure der wissenschaftlichen Blogosphäre begonnen, sich mit den Herausforderungen rund um die dauerhafte Zitierung und Archivierung von Wissenschaftsblogs zu beschäftigen.

Martin Fenner, vielen Leser:innen hier sicher bekannt, bloggt seit Jahren auf verschiedenen Blogplattformen wie Nature Network und PLOS Blogs zu aktuellen Themen der digitalen Wissenschaftskommunikation. Zuletzt war er als Technischer Direktor für DataCite tätig und hat sich dort insbesondere mit Persistent Identifiers (PIDs) für Forschungsdaten und Forschungssoftware befasst. Kürzlich hat er sich mit Front Matter als IT-Dienstleister für die Wissenschaft selbständig gemacht und widmet sich nun unter der Marke Rogue Scholar einigen der Herausforderungen in Bezug auf die Referenzierung und Sicherung von wissenschaftlichen Blogbeiträgen. Unter anderem sorgt sein Dienst dafür, dass Blogbeiträge von wisspub.net seit wenigen Tagen mit DOIs adressierbar sind und mit den ORCID-IDs ihrer Autor:innen verknüpft sind (Beispiel). Grund genug, Martin Fenner ein paar Fragen zu seinem Vorhaben zu stellen.

Dank Dir, Martin Fenner, sind die Beiträge von wisspub.net seit neuestem durch DOIs adressiert. Welche Idee steht hinter Deinem Service Rogue Scholar?

Das Wissenschaftsblogs ein wichtiger aber unterschätzter Teil der Publikation und Kommunikation von Wissenschaft sind. Das Grundkonzept funktioniert prächtig seit zwanzig Jahren, aber einige wichtige Bausteine haben meiner Meinung nach bisher gefehlt.

Wie sind die bisherigen Reaktionen auf Rogue Scholar? 

Viel Interesse und Dankbarkeit bei den Blogs und Blogger:innen die Rogue Scholar schon nutzen. Ich glaube ein bißchen auch positives Erstaunen, dass vieles so einfach (und kostengünstig) geht, was beim Publizieren von Zeitschriftenartikeln (aber auch Büchern, Forschungsdaten, usw.) so schwer und langwierig erscheint, also z.B. Metadaten oder geeignete digitale Formate.

Was ich aber auch sehe, ist eine gewisse Zurückhaltung, die kompletten Inhalte von Blogs in RSS Feeds und mit einer offenen Lizenz (CC-BY) zur Verfügung zu stellen, selbst wenn das Blog sich mit Open Science oder verwandten Themen beschäftigt. Da ist noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten, insbesondere warum CC-BY gegenüber verwandten Lizenzen wie CC-BY-NC und CC-BY-SA vorzuziehen ist.

Welche Herausforderungen sind aus Deiner Sicht weiter ungeklärt?

Blogs sind einfach, bezahlbar und schnell gestartet. Es ist aber weiterhin schwierig, interessante Beiträge auch zu finden – insbesondere von weniger bekannten Autor:innen und zwei, fünf oder zehn Jahre nachdem sie veröffentlicht wurden. Mein beliebtester Blogpost ist seit Jahren ein Post von 2014 mit Tipps zur Nutzung von Microsoft Word mit git. Eine Zeit lang waren Blogging Networks sehr populär, aber einigen von ihnen ist irgendwann die Puste (sprich Finanzierung) ausgegangen.

Und Blogs verschwinden irgendwann, wenn der/die Autor:in oder die Organisation andere Prioritäten setzt. Mein persönliches Blog hat bisher in 16 Jahren sechsmal den Ort und die technische Platform gewechselt, ohne die Wayback Machine des Internet Archive und viel manuelle Arbeit wären viele Inhalte verloren.

Rogue Scholar baut auf diesen Erfahrungen auf, indem es die Langzeitarchivierung und zentrale Suchfunktion für bestehende Blogs unterstützt. Und erweitert Blogs um zentrale Funktionalitäten, die für wissenschaftliche Infrastruktur essentiell sind: Persistierende Identifier und Metadaten. Keine Überraschung, denn diese Themen sind seit 2008 wichtige Themen meines Blogs und später auch meiner Arbeit, u.a. für ORCID, DataCite und ROR. Dank Rogue Scholar haben nicht nur schon über 1.000 Blogposts eine DOI, sondern diese Blogposts sind Teil des Scholarly Record geworden. Sie sind über DOI, Referenzen (bis zu 50 bei bisher insgesamt 5 % aller Blogposts) und ORCID Author Identifier (70 % aller Blogposts) in den Metadaten auf vielfältige Weise mit anderen Publikationen und ihren Autor:innen verknüpft.

Du hast Dich bei PLOS viele Jahre mit Indikatoren für Open Science beschäftigt. Wie bewertest Du die Entwicklungen rund um die Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA)? Könnte der angestrebte breite Blick auf Forschungsleistung auch Wissenschaftsblogs neuen Aufschwung geben?

Momentan sehe ich Wissenschaftsblogs in der Regel nicht als Teil der publizieren Wissenschaft, die evaluiert werden muss oder soll. Vielmehr erfüllen Wissenschaftsblog vor allem andere Funktionen im Bereich der Wissenschaftskommunikation, unter Wissenschaftler:innen und mit der breiteren Öffentlichkeit. Sie ähneln dabei eher Aktivitäten von Wissenschaftler:innen in den sozialen Medien oder Wikipedia.

Wissenschaftsblogs sind wichtig, weil sie die Kommunikation von Wissenschaft einfach, schnell und ohne technische Hürden ermöglichen. Sie ähneln dabei Preprints, die sie übrigens sehr gut ergänzen, da diese in der Regel nicht für Nachrichten, Standpunkte, Übersichtsarbeiten, usw. verwendet werden.

Letzte Frage: Du hast lange Zeit selbst auf verschiedenen Plattformen wie Nature Network und PLOS Blog gebloggt. Eine unserer ersten Diskussionen ist in einem Blog-Beitrag von Dir festgehalten (über Forschungsinformationssysteme aus dem Jahr 2010) und an einigen Stellen weiterhin aktuell. Welche Zukunft wünschst Du den wissenschaftlichen Blogs?

Ich glaube, Wissenschaftsblogs haben eine großartige Zukunft, insbesondere in Zeiten des Wandels in den sozialen Medien, nicht nur bei Twitter. Ich glaube und hoffe dass sich das Format weiterentwickelt, z.B. in Form von Podcasts, Vlogs, oder Microblogs, aber auch neuen Plattformen wie Quarto, Typst oder Curvenote, die wissenschaftliches Publizieren vereinfachen und die Grenzen zwischen Blogs und traditionellen Publikationsplatformen verschwimmen lassen.

Vielen Dank für das Interview!

Referenzen

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Creative Commons. (n.d.). Creative Commons. Retrieved July 12, 2023, from https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Curvenote. (n.d.). Curvenote. Retrieved July 12, 2023, from https://curvenote.com/

Fenner, M. (2008). Just DOI it! Front Matter. https://doi.org/10.53731/r294649-6f79289-8cw4c

Fenner, M. (2009). Author Identifiers: Interview with Geoffrey Bilder. Front Matter. https://doi.org/10.53731/r294649-6f79289-8cw1h

Fenner, M. (2010a). BibApp: Mashups for Universities. Front Matter. https://doi.org/10.53731/r294649-6f79289-8cw50

Fenner, M. (2010b). Yet another look at blogging networks. Front Matter. https://doi.org/10.53731/r294649-6f79289-8cw56

Fenner, M. (2014). Using Microsoft Word with git. Front Matter. https://doi.org/10.53731/r294649-6f79289-8cw07

Fenner, M. (2023). The Rogue Scholar archive reaches a milestone: 1000 searchable full-text science blog posts with DOIs. Front Matter. https://doi.org/10.53731/89zgc-ptr93

Front Matter. (n.d.). Front Matter. Front Matter. Retrieved July 12, 2023, from https://blog.front-matter.io/

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Pampel, H. (2023). Bund und Länder legen Leitlinien zu Open Access vor. Wisspub.net. https://doi.org/10.59350/tfqe7-ptn14

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Redhead, C. (2012, October 23). Why CC-BY? OASPA. https://oaspa.org/why-cc-by/

Rogue Scholar. (n.d.). Rogue Scholar. Retrieved July 12, 2023, from https://rogue-scholar.org/de

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Typst. (n.d.). Typst. Typst. Retrieved July 12, 2023, from https://typst.app/

Update Schweizer Elsevier Agreement

Nach einer ersten ernüchternde Analyse zum Schweizer Elsevier Read & Publish Agreement (2020-2023) im August 2020 ist es nach 18 Monaten Vertragslaufzeit Zeit für eine weiteres Update.

77% Auschöpfung des Kontingents von 2020

Die Befürchtung, dass das Kontingent von 2850 OA Artikel nicht annähernd ausgeschöpft wird, hat sich inzwischen etwas abgeschwächt, ist aber noch nicht vom Tisch. Aktuell (Juni 2021) ist ist das Kontingent von 2020 zu 77% ausgeschöpft, dasjenige von 2021 zu 9%.

Es zeigt sich, dass die Durchlaufszeit von Einreichung bis zur Publikation bei Elsevier wirklich sehr lange dauern kann. Im Mai 2021 wurden beispielsweise 283 Publikationen als Teil des Schweizer Agreements OA publiziert. Etwas mehr als die Hälfte davon sind noch Einreichungen aus den Jahr 2020.

Das heisst bis alle 2020 eingereichten Publikationen entweder publiziert oder abgelehnt wurden, und der Stand des Kontingents abschliessend beurteilt werden kann, dürfte es noch mehre Monate oder länger gehen.

Viele Schweizer Corresponding Author Papers bleiben Closed Access

Dabei liegt der tiefe Auschöpfungsgrad nicht daran, dass Schweizer AutorInnen weniger bei Elsevier publizieren. Vielmehr bleiben viele Publikationen, die eigentlich durch das Agreement Open Access sein könnten/sollten Closed Access. Mein Monitoring kommt inzwischen auf über 500 solcher Schweizer Corresponding Author Papers, deren summierter APC-Listenpreis 1.5 Mio € beträgt. Publikationen, bei denen Elsevier das Einreichedatum nicht veröffentlicht und deshalb die Eligibility von Aussen nicht sicher festgestellt werden kann, sind in dieser Liste noch nicht einmal enthalten. Beispiel: 10.1016/j.cagd.2021.102003

Wieso so viele Papers Closed Access sind, scheint mehrere Gründe zu haben. Von zwei AutorInnen habe ich das Feedback erhalten, dass die Option zu OA im Einreiche-Prozess nicht angezeigt wurde und somit der Verdacht besteht, dass die Identifikation der Affiliation bei Elsevier nicht zuverlässig funktioniert.

Weitere AutorInnen haben offenbar bewusst auf die OA Option verzichtet, weil sie Hybrid-Kosten befürchteten. Da die Schweizer OA-Community (insbesondere der SNF) seit 15 Jahren den Forschenden auf Hybrid und Double-Dip sensibilisiert ist dies eigentlich eine gute Nachricht.

Zwar können eligible Closed-Access Artikel nachträglich noch bei Elsevier für eine Öffnung gemeldet werden. Allerdings scheint das nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt möglich zu sein sein, und für eine wirksame Änderung müssen auch die AutorInnen aktiv werden, was diese (ähnlich wie die Ablage auf ein Repository bei Green OA) leider nicht immer tun.

Ein Drittel aller Schweizer Publikationen OA durch das Agreement

Relevant für das Agreement ist das Einreichedatum ab 1.1.2020. Das heisst, dass die Auswirkung verzögert eintritt und erst 2021 so langsam richtig abgeschätzt werden kann. Von den 3437 Publikationen, die 2021 mit einer Affiliation einer teilnehmenden Institution publiziert wurden, sind ein Drittel (1118) OA durch das Schweizer R&P-Agreement. Das entspricht 54% aller Schweizer Corresponding Author Publikationen.

Damit wird das Agreement dem eigenen Anspruch, nämlich mindestens für die OA-Stellung aller lokaler Corresponding Authors zu sorgen, nicht gerecht. Man muss allerdings beachten, dass dies inbesondere bei den Rahmenbedinungen von Elsevier auch nicht möglich wäre. Einerseits sind etliche Journals von Elsevier ja explizit vom Schweizer Agreement ausgenommen (z.B. Cell Press, verschiedene Society Journals). Anderseits führt die Möglichkeit, dass ein Artikel mehrere Corresponding Authors hat, und ein Autor oder Autorin mehrere Affiliations haben kann, durchaus schon zum Effekt, das Artikel über andere Institutionen OA werden.

Schaut man sich deshalb der OA-Status (via Unpaywall) der Schweizer Publikationen an, sieht es etwas tröstlicher aus. So sind immerhin 61% aller Corresponding- und Non-Corresponding Publikationen von 2021 in einer Form zugänglich.

Verzerrtes Kosten- und Nutzenverhältnis

Eine Steigerung auf 61% OA ist ohne Zweifel eine klare Verbesserung zu den reinen Abos. Doch die Kosten für diesen Schritt sind extrem hoch. Zurzeit liegt die PAR-Fee für das Jahr 2020 bei über 6000€. Sollte das Kontingent ganz ausgeschöpft werden wird die PAR-Fee bei 4500€ EUR zu stehen kommen.

Mit Blick auf die einzelnen Institutionen sieht man erwartungsgemäss bereits grosse Unterschiede zwischen dem historischen Subskriptionspreis und dem Preis gemäss Publikationsverhalten der eigenen AutorInnen.

Man darf gespannt sein wie die Bibliotheken die innerkonsortiale Preisverteilung für das dritte und vierte Vertragsjahr neu aushandeln werden.

Internationaler Vergleich

Wie ist das Schweizer Elsevier Agreement im internationalen Vergleich zu werten? Während der ETH-Rat vor 10 Jahren bei dieser Frage ergebnislos kapitulierte, haben wir heute glücklicherweise bessere Möglichkeiten zum Vergleich. Ich habe dazu meinen Ansatz, denn ich für das Monitoring des Schweizer Agreements begonnen habe, nun auch auf andere Länder (Niederlande, Schweden, Finland, Norwegen, Polen, Ungarn, Österreich und Dänemark) übertragen. Das Ergebnis ist unter https://oa-monitoring.ch/elsevier_monitor/ zugänglich.

Ich hoffe ich kann zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich auf den internationalen Vergleich eingehen. Es fällt auf, dass das Phänomen, dass Publikationen die Open Access sein könnten bzw. solllten nicht frei zugänglich sind, sich bei allen Ländern zeigt. Bei Schweden sind es beispielsweise über 700 Artikel, was insofern unbefriedigend sein muss, da Schweden eigentlich ein „All you can publish“ Deal hat und im Agreement auch explizit ein Vorgehen mit Elsevier definiert hat, wie in im Falle nicht erkannter Publikationen vorzugehen ist.

Besser sieht die Situation in den Niederlanden aus, wo zwar auch noch viele Corresponding Author Papers Closed Access bleiben, jedoch für einen ähnlichen Preis massiv mehr OA-Publikationen enhalten sind.

Vergleicht man die Schweiz mit den Niederlanden und Schweden sieht man diesen Unterschied deutlich:

Da Elsevier bei Agreements ohne Limit die Publikationen nicht einem spezifischen Jahr zuweist, und manchmal das relevante Einreichedatum nicht öffentlich ist, kann die Aufteilung pro Jahr ungenau sein. Genauer wird der Vergleich wenn den ganzen Agreement-Zeitraum anschaut, also 2020 bis heute:

Da für alle 3 Länder das Einreichedatum relevant ist, wird sich die PAR-Fee sowohl für 2020 und 2021 weiter nach unten bewegen. Doch es zeigt sich bereits, dass die Schweizer praktisch doppelt soviel zahlen wie die Niederländer.

Fazit

Leider ändert sich an meinem Fazit vom letzten Jahr nicht viel. Die Verantwortlichen dieses Deals haben sich völlig unnötig auf etwas Halbgares eingelassen, mit dem niemand wirklich zufrieden sein kann. Zwar ist der Anstieg auf 61% OA erfreulich, aber nur solange man den Preis nicht kennt. Wenn ich zudem höre, dass Schweizer OA-Verantwortliche nun AutorInnen hinterherrennen müssen, wenn es bei der Einreichung mit OA nicht geklappt hat, ist man eigentlich am Punkt wo man ja gleich die 61% via Green Road OA ohne Embargo hätte erreichen können. Die Millionen hätte man in sinnvollere Alternativen stecken können.

Immerhin hat man bei swissuniversities erkannt, dass man durch den Fokus auf R&P Agreements Gold OA vernachlässigt hat. Vor kurzem wurden nationale Verhandlungen mit reinen Gold OA Verlagen, sowie die Stärkung von institutionellen Gold OA Funds angekündigt. Für Gold OA ist eine Kostenobergrenze von 2500 CHF vorgesehen. Wo war diese Obergrenze als man mit Elsevier den teuersten Schweizer Deal aller Zeiten eingegangen ist?

Google Scholar: Neue Open-Access-Funktion

Im März hat Google Scholar die Funktion „Public access“ in Google-Scholar-Profilen integriert. Anliegen ist es, so Google, Forschende bei der Umsetzung von Open-Access-Policies („public access mandates“) zu unterstützen.

In Google Scholar sind nun die Open-Access-Policies von 182 Förderorganisationen und wissenschaftlichen Einrichtungen hinterlegt (Stand: 09.04.2021). Aus Deutschland u. a. die Open-Access-Policies der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft und der Leibniz-Gemeinschaft.

Wie so oft bei Google Scholar ist das Verfahren eine Blackbox, d.h. wir können nur vermuten wie Google die „Public access“-Funktion im Detail umsetzt. Ein lesenswertes Interview hierzu mit Anurag Acharya, einem der Köpfe hinter Google Scholar, findet sich in Nature.

In diesem Interview wird der Ansatz der „Public access“-Funktion deutlich: Automatisiert werden die „Funding Acknowledgements“ in Papers mit den Policy-Informationen abgeglichen. Ist ein Artikel nicht frei im Web auffindbar, erscheint ein Hinweis in der „Public access“-Sektion in dem Google-Scholar einer/eines Autor*in. Die Auffindbarkeit bezieht sich dabei nicht nur auf Open-Access-Repositorien und Verlagsportale, sondern auf jegliche von Google indexierte Verzeichnisse im Web. 

Offenbar wurde die Funktion langsam ausgerollt. Seit einigen Tagen findet sich die Funktion auch in dem Back-End meines Google-Scholar-Profils. Folgender Screenshot zeigt die „Public access“-Funktion in meinem Profil:

Screenshot: Anzeige der „Public access“-Funktion im Google-Scholar-Profil

Per Klick auf die Funktion landet man auf einer Webseite, die Artikel listet, die laut Google Scholar durch eine Open-Access-Policy tangiert sind. In meinem Fall sind dies, so Google, 14 Veröffentlichungen. Zu jeder der Publikationen wird eine Leit- oder Richtlinie („Mandate“) angezeigt (siehe Screenshot).

Screenshot: Liste der Publikationen, die so Google Scholar, durch eine Open-Access-Policy tangiert sind

In meinem Fall waren bereits alle von Google identifizierten Publikationen frei zugänglich. Die Auswahl der 14 Paper und ihre Zuordnung zu den Open-Access-Policies überrascht jedoch und zeigt die Schwäche der neuen Funktion. Der automatisierte Abgleich der Angaben zu den Förderorganisationen und wissenschaftlichen Einrichtungen scheint wenig verlässlich. So erscheint in meiner Liste z. B. dreimal die National Institutes of Health (NIH) als Förderorganisation, obwohl ich bisher noch nie in einem von den NIH geförderten Projekt involviert war. Auch kann ich die Auswahl der 14 Paper nicht nachvollziehen. Somit scheint weder die Zuordnung noch die Auswahl verlässlich.

Zu hoffen ist, dass sich solche Fehler, die bei sprachbasierten Verfahren wenig überraschend sind, in Zukunft durch das Research Organization Registry (ROR) und dessen persistenten Identifikator für wissenschaftliche Einrichtungen und Förderorganisationen erledigen. (Siehe dazu unsere Arbeiten im ORCID-DE-Projekt.)

Auch irritiert es, das Google statt dem weltweit gebräuchlichen Term „Open Access“ den Begriff „Public access“ verwendet. Dieser ist zwar in den USA durch eine Verordnung der US-Regierung zu Open Access aus dem Jahr 2013 gängig, aber international kaum verbreitet.

Mehrere Kolleg*innen weisen kritisch darauf hin, dass Google Scholar, im Falle eines nicht frei zugänglichen Artikels, seine Dienst Google Drive als Alternative zu Open-Access-Repositorien bewirbt. Diesem Hinweis von Google sollte man besser nicht folgen und sich anstelle an seine lokale Bibliothek wenden. Die Bibliothekar*in wird sicher ein passendes Repositorium empfehlen können und eine/einen Autor*in im Idealfall auch gleich bei der Rechteprüfung unterstützen.

Die Google-Scholar-Funktion kann dazu beitragen wissenschaftliche Autor*innen für Open Access zu sensibilisieren, auch wenn die Angaben von Google Scholar nur bedingt belastbar scheinen. Auch zeigt die Funktion, dass die Relevanz der Compliance von Open-Access-Förderbedingungen steigt. Hierzu passt auch der Einstieg von Förderorganisationen in das Verlagswesen, wie es jüngst die Europäische Kommission mit ihrer Open-Access-Zeitschrift „Open Research Europe (ORE)“ tat. Die Europäische Kommission stellt mir ORE eine Plan-S-konforme Publikationsplattform bereit. Die Zeitschrift richtet sich an Forschende, die Ergebnisse aus EU-geförderten Projekten publizieren.

Der Schweizer 57 Mio EUR Elsevier Deal

Das Read & Publish Agreement von swissuniversities mit Elsevier gilt für Publikationen, die ab dem 1. Januar 2020 bei Elsevier eingereicht werden. Allerdings wurde erst Ende Mai 2020 der Vertrag und die Liste der relevanten Journals offiziell kommuniziert.

Big-Deal mit einem OA-Addendum

Der Vertrag liest sich zunächst wie ein klassischer Big-Deal für Journal Subskriptionen. Die Schweizer Hochschulen gönnen sich einmal mehr für 4 Jahre Zugriff auf das gesamte Journal-Portfolio von Elsevier. In einem Addendum von anderthalb Seiten wird schliesslich der neue Workflow für OA-Publikationen beschrieben.

1.5 Seiten OA-Bedingungen

Demnach können alle AutorInnen der teilnehmenden Institutionen (Sämtliche Schweizer Hochschulen, sowie Agroscope, FIBL, Uni Liechtenstein und Schweizer Vogelwarte) im Hybrid und Gold OA Programm von Elsevier Open Access publizieren:

JahrAnzahl APCs inbegriffenPreis R&PPAR-fee*
20202850 APCs13.8 Mio EUR4842 EUR
20213000 APCs14.1 Mio EUR4692 EUR
20223150 APCs14.4 Mio EUR4558 EUR
2023Unlimitiert (All you can publish)14.6 Mio EUR?
* Die PAR-fee (Read and Publishing fee) ist ein sehr grober Indikator, der zeigt wieviel Geld für die APC und dem noch bestehenden Lesezugriff pro Artikel ausgegeben wird (in Deutschland ist die PAR-fee bei Wiley beispielsweise 2750 EUR)

In den ersten drei Jahren, ist eine bestimmte Anzahl Artikel (APC’s) inbegriffen. Wird in einem Jahr weniger publiziert als vereinbart, verfällt das Kontingent. Wird mehr publiziert als vereinbart, werden die AutorInnen von Elsevier bei der Einreichung darauf hingewiesen und können dann entscheiden ob sie die Standard-APC für Hybrid oder Gold OA des jeweiligen Journals ausserhalb des Agreements zusätzlich bezahlen wollen.

Kontingent wird 2020 kaum ausgeschöpft werden.

Für das Jahr 2020 und dem Preis von 13.8 Mio EUR steht den Hochschulen ein Kontingent von 2850 APCs zu Verfügung.

Wieviele Publikationen bereits durch das Agreement veröffentlicht worden sind, lässt sich anhand von Metadaten bei Elsevier herausfinden (Najko Jahn 2019).

Demnach wurden bislang knapp 400 Publikationen unter dem neuen Agreement Open Access veröffentlicht.

Selbst wenn man berücksichtigt, dass nicht das Publikationsdatum, sondern das Einreichedatum relevant ist und deshalb die Publikationen von 2020 erst mit einer zeitlichen Verzögerung bis ins Jahr 2021 hinein sichtbar werden, ist diese Zahl überraschend tief. Mit etwa 30 Publikationen pro Woche wird man kaum in den Bereich gelangen, das Kontingent auszuschöpfen.

Pro Woche werden zwischen 20 und 30 Schweizer OA Artikel als Teil des Agreements publiziert.

Zu viele Papers sind nicht im Agreement

Wie die Gegenprobe zeigt, werden aktuell viele Artikel der involvierten Institutionen nicht über das Agreement veröffentlicht. Ich komme auf knapp 400 Corresponding Author-Papers. 75% sind in Journals publiziert, die auf der Liste des Agreement sind. Beschränkt man sich auf den Artikel-Typ „Full-length Papers“ sind zurzeit 169 Papers Closed Access, bei denen ich erwartet hätte, sie würden unter das Agreement fallen.

Entweder lehnen die Hochschulen viele Eingaben ab, oder die Papers werden von Elsevier gar nicht für das Agreement identifiziert und vorgeschlagen.

Desweiteren gibt es noch über 650 Papers, bei denen ein „Schweizer“ Co-Author, aber eben nicht Corresponding-Author ist. Diese Papers sind vom Agreement ausgeschlossen.

Insgesamt muss man deshalb konstatieren, das von den mindestens 1450 „Schweizer“ Papers, die seit 1.1.2020 bei Elsevier eingereicht und publiziert wurden, nur gerade 27% durch das neue Read & Publish Agreement frei zugänglich geworden sind.

Mirror Journals

Über das Agreement wurden bereits auch 10 Artikel in den sogenannten Mirror Journals publiziert. Hier hätte swissuniversities gut getan zu vereinbaren, dass Schweizer Corresponding Papers im Original-Journal, und nicht im Abklatsch-Journal landen. Hier ist man der dreisten Strategie von Elsevier, den Wechsel zu OA zu verzögern, einmal mehr voll auf den Leim gegangen.

Double Dip: Hybrid + Agreement

Auch gibt es Fälle bei dem die Hybrid Kosten nicht über das Agreement, sondern sehr wahrscheinlich über eine zusätzliche Rechnung an das Institut bezahlt wurde. Bestätigt weiss ich das von diesem Beispiel: http://doi.org/d6gt

Wenn nun das Kontingent nicht regulär ausgeschöpft wird, sind solche Fälle von Doppelzahlung, als die neue Art von Double Dip besonders ärgerlich.

Nur 42% CC-BY

Als grober Designfehler zeigt sich auch, dass man nicht zentral definiert hat, dass Artikel die über das Agreement veröffentlicht werden, immer eine CC-BY Lizenz haben. In dem man diese Wahl den AutorInnen überlässt, haben nun 58% der OA Artikel die Lizenz CC-BY-NC-ND, welche bekanntlich nicht mit der Berliner Erklärung kompatibel ist, die ja von swissuniversities, bzw. den einzelnen Hochschulen unterzeichnet wurde.

58% der AutorInnen wählen eine CC-BY-NC-ND Lizenz

Keine Qualitätsvorgaben

Ärgerlich ist auch, dass man es bei swissuniversities versäumt hat, klare Vorgaben hinsichtlich Qualität zu setzen. Sei das inhaltlich (z.B. Transparenz beim Peer-Review bzw. die Veröffentlichung von Peer-Review Reports) noch formal, wie z.B. die Ausgabe von vollständigen Metadaten. Elsevier verweigert ja bewusst, die Ausgabe von Zitationsdaten via Crossref. Ebenfalls liefert Elsevier keine Affiliations oder Abstracts an Crossref.

Halbherzige Transparenz

Und dann ist da noch das leidige Thema Transparenz. Zwar wurde der Vertragstext in weiten Teilen zugänglich gemacht, aber ausgerechnet bei den Kosten pro Institution, entschied man sich wieder intransparent zu bleiben:

Ungeachtet klarer früherer Entscheide, verweigern viele Hochschulen auf meine Anfragen die Auskunft. Dabei wird häufig unkritisch die Argumentation von Elsevier übernommen:

Anstatt mit 10 Minuten Aufwand Transparenz zu schaffen, sind sich viele Hochschulen (z.B. PHZH, ZHAW, UZH, UniFR, ZHDK, Lib4RI) nicht zu schade, sich selbst, mich und die Rekursinstanzen zu beschäftigen, indem sie die Ausgaben auf Anfrage nicht bekanntgeben und aussichtslose Verfahren provozieren. Immerhin gibt es doch auch einige Institutionen (z.B. UniSG, ETHZ, Agroscope, EPFL) die das Transparenzbedürfnis der Öffentlichkeit gegenüber den rein kommerziellen Interessen noch richtig abwägen können und die Zahlen nach langer Bearbeitungszeit bekannt gegeben haben.

Fazit

Wer diesen Blog seit längerem verfolgt weiss, dass ich mich in der Vergangenheit mehrfach für Read & Publish Agreements als realistischen Weg zu Open Access ausgesprochen habe (z.B. hier oder hier).

Dass meine damalige Forderung nun endlich umgesetzt wurde, stimmt mich leider nur halbwegs zufrieden. Das Agreement kommt viel zu spät und nun in einem Umfeld, bei dem sich die Parameter bereits wieder stark geändert haben (z.B. Sci-Hub, PlanS, Elsevier Abbestellung Deutschland).

Dem Agreement merkt man leider an wie es entstanden ist. Man hat sich viel zu lange von Elsevier hinhalten lassen, um dann kurz vor Ende 2019 zu etwas Halbgarem zuzustimmen, weil man nicht den Mut hatte neben Springer Nature auch Elsevier eine Abfuhr zu erteilen.

Besonders störend ist die Tatsache, dass man hier gleich einen 4-Jahres-Vertrag abgeschlossen hat. Hätte man nicht besser mit einem 1-2 Jahres-Vertrag anfangen können um Erfahrungen zu sammeln und Fehlentwicklungen, wie sie sich bereits abzeichnen noch korrigieren zu können? Nun hat man für vier Jahre alle Trümpfe aus der Hand gegeben und muss vielleicht auch noch bald Werbung für Hybrid-OA bei Elsevier machen, wenn sich die Publikationszahlen nicht so entwickeln, wie man dies antizipiert hat. Dabei wäre es ja eigentlich erstrebenswert, wenn weniger Schweizer AutorInnen in Hybrid-Journals von Elsevier, sondern in richtigen Open Access Journals publizieren. Das Signal welches dieses Agreement für richtige Gold Open Access Verlage aussendet ist zudem fatal. Ohne öffentliche Ausschreibung wird Elsevier ein Mega-Auftrag zugeschanzt, während man diejenigen Verlage, die sich seit Jahren tatsächlich um OA bemühen und dies auch günstiger liefern können, links liegen lässt.

Mit einer PAR Fee von über 4500 EUR ist man zudem auf einem bereits extrem hohen Preisniveau, das einmal mehr eindrücklich zeigt, dass OA in der Schweiz nicht am Geld scheitert.

Man hat sich nun mit dem Geld 30% OA bei Elsevier gekauft. Für die 100% die swissuniversities bis 2024 erreichen will, muss aber noch sehr viel passieren.

Neuer DFG-Kodex „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“

Bereits letzte Woche kommunizierte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), sie habe „ihre Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis sowie die Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten (VerfOwF) grundlegend überarbeitet.“

Seit heute Nachmittag ist der Kodex, der bereits am 1.8.2019 in Kraft tritt, online. Es gilt jedoch eine Übergangsfrist: Alle Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen müssen ihn bis zum 31.7.2021 rechtsverbindlich umsetzen, um auch in Zukunft Fördermittel durch die DFG erhalten zu können. Der Kodex löst damit die aus dem Jahre 1998 stammende „Denkschrift „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der DFG ab. Diese wurde zuletzt 2013 aktualisiert.

Bemerkenswert ist, wie tief die Forderung nach Open Science den Kodex durchdringt. Hierfür drei Beispiele:

Z. B. wird der Begriff „Publikationsorgan“ in Leitlinie 15 breit definiert. In der Erläuterung heiß es dazu: „Neben Publikationen in Büchern und Fachzeitschriften kommen insbesondere auch Fachrepositorien, Daten- und Softwarerepositorien sowie Blogs in Betracht.“

Die Leitlinie 13 widmet sich der „Herstellung von öffentlichem Zugang zu Forschungsergebnissen“. Dort findet sich der folgende Satz (Inkl. einem Bezug zu den FAIR-Prinzipien in den Erläuterungen):

„Dazu gehört es auch, soweit dies möglich und zumutbar ist, die den Ergebnissen zugrunde liegenden Forschungsdaten, Materialien und Informationen, die angewandten Methoden sowie die eingesetzte Software verfügbar zu machen und Arbeitsabläufe umfänglich darzulegen.“

In der Leitlinie 17 „Archivierung“ werden über die Forschenden hinaus auch die wissenschaftlichen Einrichtungen und ihre Informationsinfrastrukturen in die Pflicht genommen:

„Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sichern öffentlich zugänglich gemachte Forschungsdaten beziehungsweise Forschungsergebnisse sowie die ihnen zugrunde liegenden, zentralen Materialien und gegebenenfalls die eingesetzte Forschungssoftware, gemessen an den Standards des betroffenen Fachgebiets, in adäquater Weise und bewahren sie für einen angemessenen Zeitraum auf. Sofern nachvollziehbare Gründe dafür existieren, bestimmte Daten nicht aufzubewahren, legen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dies dar. Hochschulen und außerhochschulische Forschungseinrichtungen stellen sicher, dass die erforderliche Infrastruktur vorhanden ist, die die Archivierung ermöglicht.“

Weitere Informationen finden sich auf der Webseite der DFG. Dort finden sich auch Informationen zur Umsetzung des Kodex. Weitere Fallbeispiele und Erläuterungen sollen in einem dynamisches Dokument folgen. Eine journalistische Einordnung des neuen Kodex findet sich bei Jan-Martin Wiarda.

Plan S: Antwort auf die Kritik

Es war klar, dass die Kritik an Plan S nicht ausbleiben wird. Via Twitter und Blog von Leonid Schneider ist eine Antwort von mehreren ChemikerInnen um Lynn Kamerlin erschienen. In diesem Blogpost möchte ich auf einige Punkte der geäusserten Kritik eingehen:

Gold OA – Nur für die Reichen

Obwohl Plan S eine Limitierung der Höhe von APCs vorsieht und auch OA-Infrastrukturen ohne Autorenbezahlung gefördert werden sollen, wird bereits darauf hingewiesen, dass der Wechsel zu Gold OA Ungleichheiten schaffen könnte:

Plan S could create a “pay-to-play” system, where only the best-funded researchers and institutions will be able to publish in the mandated journals, thus creating automatic inequality in publishing opportunities based on one’s geographic location and the size of one’s research budget. (Kamerlin et al.)

Mir soll bitte mal jemand mit soliden Zahlen aufzeigen, wie sich die Finanzströme bei einem Wechsel zu Gold OA denn verschieben würden und ob dies dann tatsächlich zu Ungunsten der finanzschwächeren Länder sein wird. Meines Wissens gibt es keine klare Evidenz dafür.

Im Gegenteil, wer sich tatsächlich aufrichtig um globale Chancengleichheit bemüht, kann erkennen, dass ein Wechsel zu einem vorwiegend APC basierten Gold OA auch den weniger finanzkräftigen Forschenden nützt. Denn das heutige Problem, aus finanziellen Gründen keinen Zugang zu Inhalten von Journals zu haben, wiegt massiv schwerer, als das möglicherweise künftige Problem, aus finanziellen Gründen nicht in einem bestimmten Journal publizieren. Das Problem des teuren Zugangs zu Literatur ist real und unumgänglich. Beim Publizieren hingegen gibt es viele günstige Alternativen. Und als Reminder: Gute Forschung ist objektiv auch dann gut, wenn sie in einem günstigen OA-Journal publiziert wird. Oder wie es Éric Archambault schrieb:

There has never been so many ways of diffusing research results in scholarly journals for free – you can find thousands of journals which do not have an APC, and are fully OA. You absolutely do not have to pay $1,000 or $2,500 to publish and have your paper being made widely available, just like you don’t need to buy a Model S Tesla if you want a car.

Gold OA: Motivation viel zu publizieren führt zu sinkender Qualität

Ein weiterer Kritikpunkt: Mit Gold OA und dem Author-Pays-Modell sinkt die Qualität der Papers, da Verlage motiviert sind möglichst viele Papers zu publizieren und dafür bei der Qualitätskontrolle nicht mehr genau hinschauen.

Dieses Incentive problem, wie es der kommerzielle OA-Verlag MDPI nennt, ist selbstverständlich nicht von der Hand zu weisen und ist tatsächlich die grosse Schwäche vom APC-basierten Geschäftsmodell, insbesondere bei profit-orientierten OA-Verlagen.

Anderseits muss man das Problem auch relativieren:

  • Auch in der OA-Welt muss ein Verlag um seine Reputation besorgt sein und kann sich deshalb langfristig nicht leisten qualitativ schlechte Papers zu publizieren. Da ein Verlag die „schlechteren“ Journals nicht mehr via Bundling den Bibliotheken unterjubeln kann, ist die Reputation bei Forschenden sogar noch viel entscheidender.
  • Publication Charges gibt es bereits seit langem auch im Subskriptionsmodell (z.B. bei OSA, IEEE, AGU, PNAS oder APS)
  • Da Editoren und die Peers weiterhin von der Wissenschaftscommunity gestellt werden, ist es für einen Verlag schwierig völlig eigennützig an deren inhaltlichen Interessen vorbei, ein Journal zu verwalten.
  • Die heutige „Publish or Perish“-Kultur mit der Tendenz Quantität vor Qualität zu stellen, ergibt sich aus einem fehlgeleiteten Anreizsystem von Forschungsförderern und Hochschulen. Diese hätten es selbst in der Hand die Anreize so zu setzen, z.B durch die konsequente Umsetzung von DORA, dass Verlage gar nicht in dem Ausmass wie heute in die alleinige Position kommen als Gatekeeper von Qualität in der Wissenschaft zu fungieren.
  • Qualitätsprobleme bei wissenschaftlichen Papers sind nicht nur auf APC-Journals beschränkt, auch wenn sie dort beim Segment der eindeutigen Predatory-OA Journals viel Aufmerksamkeit erhalten haben. Wer Retraction-Watch verfolgt weiss, dass auch in den „besten“ Subskriptionsjournals immer wieder Artikel zurückgezogen werden (müssen). Für dieses Problem muss die Wissenschaft als ganzes, aber natürlich auch jeder Verlag unabhängig vom Geschäftsmodell, Lösungen finden.

Verletzung der akademischen Freiheit?

Plan S verlangt faktisch, dass nur noch Pure Gold OA mit CC-BY akzeptiert wird. Damit stehen viele traditionelle Journals nicht mehr zur Auswahl, solange diese Journals nicht zu einem entsprechenden Geschäftsmodell wechseln. Die Kritik: Die akademische Freiheit wird dadurch unzulässig eingeschränkt.

Ob dies wirklich der Fall ist, wird sich bestimmt noch in kommenden länderspezifischen Diskussionen zeigen. Auch wenn viele europäische Staaten die akademische Freiheit kennen und schützen, ist es bei weitem kein einheitliches Konzept. In Deutschland warten wohl alle den Fall der Konstanzer Professoren ab, welche die Zweitveröffentlichungspflicht von Baden-Württemberg angefochten haben.

Als Nicht-Jurist scheint es mir allerdings naheliegend, dass die akademische Freiheit im Zusammenhang mit dem Publizieren, vor allem gewährleistet, dass inhaltlich ohne Einschränkung bzw. Zensur publiziert werden kann. Ob da die Wahl eines ganz spezifischen Journals auch dazu gehört ist fraglich. Wie Marc Schiltz zu Recht anmerkt, gibt es ja immer noch die Wahl zwischen Tausenden von OA Journals.

Die Vorgabe OA zu publizieren, verhält sich ähnlich wie wenn eine Universität vorschreibt, dass bei Dienstreisen nur Hotels in einem bestimmten Preissegement wählbar sind. Zugegeben, in der Regel kann bei der persönlichen Übernahme der Zusatzkosten auch ein teureres Hotel ausgewählt werden. Insofern müsste es bei Plan S eigentlich auch gestattet sein, Hybrid OA zu publizieren, solange die Kosten persönlich übernommen werden.

Nur CC-BY

Kamerlin et al. äussern auch Kritik an der CC-BY Vorschrift:

Several authors of this article, for moral reasons, are strong proponents of CC-BY-NC rather than CC-BY licenses on their work, in order to restrict for-profit commercial exploitation of publicly funded research.

Dieser Gesinnungswandel ist wirklich bemerkenswert, kommt er doch von AutorInnen die sich bis anhin nicht zu schade waren, das Verbreitungsrecht ihrer Arbeit exklusiv an For-profit Verlage abzutreten. Auch wenn die Motivation für CC-BY-NC hier sicherlich gut gemeint ist, gibt es in der Praxis Schwierigkeiten. Nicht von ungefähr empfiehlt die Open Access Scholarly Publishers Association ihren Mitgliedern dringend CC-BY. Die Gründe werden auf der Webseite und der FAQ von OASPA detailliert aufgeführt.

Warum nicht Green OA?

Weiter soll Plan S doch wieder Green OA zulassen:

One possible solution would be to convince all subscription (TA) journals to make all papers fully OA after an embargo period of 6-12 months, without APCs. In this environment, libraries would still buy subscriptions to allow scientists to catch up with the most recent developments, and the broader public would have access to all research without a paywall (but with a slight delay). (Kamerlin et al.)

Das wäre vielleicht vor 5 Jahren noch ein Kompromiss gewesen. Doch dafür ist die Zeit definitiv zu weit fortgeschritten. Gold OA funktioniert, während Green OA seit 15 Jahren vor sich hindümpelt, obwohl via Subskription immense und bislang nachwievor geheime Summen an die Verlage gehen.

Platinum OA

Fälschlicherweise wird Platinum OA nicht als kompatibel mit Plan S kritisiert. Solange ein CC-BY Lizenz verwendet wird (wie z.B. bei den Beilstein Journals) ist das völlig kompatibel. ACS Central Science ist zwar Platinum OA, verwendet allerdings eine eigene Lizenz, bei der kommerzielle Nutzung nicht gestattet ist und wäre in der Tat nicht kompatibel.

Fazit

Es ist gut, wenn Wissenschaftler sich in die Debatte einmischen. Nach Jahren Vertrauen und Gewähren, fordern nun die Forschungsförderer Loyalität bezüglich Open Access ein. Dies wird einige Forschenden vor harte persönliche Entscheidungen bei ihrem Publikationsverhalten stellen. Es ist sehr verständlich, wenn versucht wird, dieser persönlichen Entscheidung und Verantwortung aus dem Weg gehen, indem man lieber nochmals die Prinzipen von Plan S in Frage stellt und abzumildern sucht. Die Kritik von Kamerlin et al. überzeugt mich nicht. Sympathie habe ich jedoch mit dem Anliegen, das wissenschaftliche Publizieren nicht erneut den kommerziell orientierten Verlagen zu überlassen. Dazu muss aber die Wissenschaftscommunity endlich reagieren und aktiv werden. Gerade in der Chemie sind viele Journals eigentlich im Besitz von Fachgesellschaften (GDCh, ACS, RSC), welche sich aber bisher nur zaghaft der OA-Transformation angenommen haben.

Umfrage zu Open Access an der ETH Zürich

Die ETH Zürich führte im Februar 2017 bei ihren Forschenden eine Umfrage zu Open Access durch, deren Resultate nun veröffentlicht wurden. An der Umfrage nahmen 16% (992 von 6212) ETH-Wissenschaftler (inkl. Assistierende) teil.

Zustimmung zu OA und Transformation.

  • 90% aller Befragten sind der Meinung, dass wissenschaftliche Publikationen grundsätzlich online frei zugänglich sein sollten. Bei der grossen SOAP-Studie (2011) waren es 89%.
  • 74% der Befragten würden eine vollständige Transformation des wissenschaftlichen Publikationswesens vom Subskriptionsmodell hin zu OA positiv bewerten.

Boykottwille vorhanden

Besonders interessant war die Frage, zu was ETH-Wissenschaftler bereit wären, wenn ein Verlag Zeitschriftenpreise fordert, welche aus Sicht der ETH Zürich inakzeptabel sind. Knapp 50% wären bereit auf den Zugriff zu verzichten und über 70% wären bereit die Tätigkeit in einem Editorial Board oder als Reviewer abzulehnen oder niederzulegen.

Abbestellung_Review_Verzicht

Für eine bloss hypothetische Frage ist diese Zustimmung zu einem Boykott sehr hoch.  Man kann sich gut vorstellen, dass bei einem entsprechenden realen Fall, bei dem die Wissenschaftler auch mit mehr konkreter Informationen versorgt werden, die Bereitschaft und Zustimmung zum Boykott noch erhöht werden kann.

OA-Policy und Repository wenig bekannt

  • 74% der Befragten ETHZ-Wissenschaftler kennen die 2008 eingeführte verpflichtende Open Access Policy der ETHZ nicht.
  • 24% haben noch nie vom Repository ETH E-Collection (seit Juli 2017: Research Collection) gehört.
  • Academic Social Networks werden dem Institutionellen Repository gar vorgezogen:

Wo_OA_publizieren.png

Gründe gegen Gold-OA

Die Gründe gegen Gold/Hybrid OA sind vielfältig:

Gründe gegen OA.png

Interessanterweise gibt es an der reichen ETH doch 20% Wissenschaftler, die angeben aus finanziellen Gründen nicht OA zu publizieren. Erschreckend ist die Zahl derer, die aus Unkenntnis nicht OA publiziert. Als ob es so komplex wäre.

Gründe gegen Grün-OA

Gründe gegen grün.png

Auch bei den Gründen warum 600 ETH-Wissenschaftler im letzten Jahr kein Repository benutzt haben oder, um es klar zu benennen, der OA-Policy nicht nachgekommen sind, wird mehrheitlich Ahnungslosigkeit vorgeschoben.

Finanzierung von Gold/Hybrid OA

Die Umfrage fragte auch nach der Finanzierungsquelle und der Höhe der Ausgaben:

Finanzierung OA.png

Ähnlich der Resultaten aus der „Pay it forward„-Studie, scheint vielen ETH-Wissenschaftlern (Hybrid) Gold OA so wichtig, dass sie nicht auf die Bibliothek warten, bis diese verlagsunabhängiges OA-Funding anbietet oder sich um Offsetting-Verträge kümmert. Sie bezahlen APCs gleich direkt aus ihrem Forschungsetat. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass Forschende auch für Hybrid OA bezahlen und es so zu dem berüchtigten Double Dip kommt.

Unterschiede pro Gruppe

Je nach Anstellungsform und Forschungsjahre konnten teils signifikante Unterschiede in den Antworten erkannt werden:

  • Professorinnen und Professoren stimmen am wenigsten zu, dass wissenschaftliche Publikationen grundsätzlich online frei zugänglich sein sollten. Sie fordern am stärksten eine weiterhin freie Wahl des Publikationsorgans und stimmen am wenigsten zu, dass die OA Policy generell verpflichtend sein soll. Sie bezahlen auch die höchsten Gebühren für Veröffentlichungen aller Art.
  • Wissenschaftlichen Mitarbeitenden mit befristeter Anstellung ist eine weiterhin freie Wahl des Publikationsorgans am wenigsten wichtig und sie stimmen einer vollständigen Transformation des Publikationswesen hin zu OA am ehesten zu.
  • Befragte mit mehr als 20 Jahren Forschungserfahrung stimmen am wenigsten zu, dass wissenschaftliche Publikationen grundsätzlich online frei zugänglich sein sollten. Auch einer vollständigen Transformation des Publikationswesen hin zu OA stimmen sie am wenigsten zu. Der Anteil an Personen, welche die OA Policy kennen, ist am höchsten und langjährig Forschende haben in den letzten 12 Monaten auch am meisten OA-Publikationsmöglichkeiten genutzt.

Fazit

Insgesamt bestätigt die Umfrage weitgehend, was man bereits über OA an der ETHZ wusste. Die OA-Policy der ETHZ ist gut, nur fehlt es ihr seit Jahren an internem Gewicht zur Durchsetzung. An der ETHZ und insbesondere in der Bibliothek gibt es niemand der die Forschenden in mühsamer Arbeit auffordert, den Postprint für diese und jene Publikation aufs Institutionelle Repository zu stellen. Entsprechend kommt so kein regelmässiger Kontakt und Austausch zwischen Bibliotheksmitarbeitenden und Forschenden zustande und entsprechend äussern sich viele Forschenden, dass sie uninformiert sind. So bleibt auch das Repository leer. Sucht man aktuell (22.8.2017) in Research Collection nach Artikeln aus dem Jahr 2017 findet man insgesamt 2797 Artikel verzeichnet, aber nur gerade mal 122 (4%) sind Open Access. Bei ZORA sind es vergleichsweise 598 von 1404, also 42%.

Wirklich neu ist die Erkenntnis, dass Forschende sehr wohl zu Boykott-Massnahmen bereit sind. Dies widerspricht der, insbesondere der Schweiz vertretenen Aufassung vieler BibliotheksdirektorInnen, dass man als Bibliothek zwischen Verlag und Forschenden als Opfer gefangen ist und sich letztlich den Verlagen nicht widersetzen könne. Die Umfrage zeigt vielmehr, dass beim Einbezug der Forschenden und einer transparenten Information über die Preise und Verhandlungen, durchaus mit Unterstützung von Forschungsseite gerechnet werden kann. Denn letztlich begrüssen 74% der Forschenden einen Wechsel vom Subskriptionsmodell zu OA.

Mal schauen, ob Rafael Ball den durch die Resultate der Umfrage zugespielten Ball aufnehmen kann. Noch im letzten Jahresbericht der ETH-Bibliothek, warnt Ball vor Schnellschüssen und „Aktionismus“.

Doch zunehmend gewinnt man den Eindruck, dass auch Bibliotheken mehr und mehr tangiert werden von aktuellen politischen Umwälzungen und Ereignissen, denen sie sich nicht mehr verschliessen können und dürfen. Da ist zum Beispiel das Thema «Open Access», das deutlich mehr ist als eine weitere Spielart der Literaturversorgung. Es ist vielmehr eine politische und wirtschaftliche Problematik, die bis in die Führung von Staaten reicht und auf der gleichen Ebene wie Wirtschaftssubventionen oder Marktinterventionen abgehandelt wird. Denn die Konsequenzen sind so gewaltig und grundlegend, dass viele Akteure sie nicht mehr zu überschauen scheinen und das Thema mit einem blossen Aktionismus mit ungewissem Ausgang vorantreiben. Denn die Konsequenzen sind so gewaltig und grundlegend, dass viele Akteure sie nicht mehr zu überschauen scheinen und das Thema mit einem blossen Aktionismus mit ungewissem Ausgang vorantreiben.

Gerade hier ist es wichtig, dass sich Bibliotheken ihrer Jahrhunderte alten Tradition als Kultur- und Gedächtnisinstitution erinnern und neuen Trends – zumal wenn sie irreversible Konsequenzen haben – mit dem notwendigen Sachverstand und der gebotenen Tiefe nähern und die beteiligten Akteure mit validen Informationen und Statements unterstützen. Die ETH-Bibliothek ist gerade bei diesem Thema im besten Sinne des Wortes professionell mit dabei: Qualifiziert, durchdacht, konstruktiv, aber ohne Schnellschüsse.

Open Science Monitor der EU-Kommission online

Der „Open Science Monitor“ der EU-Kommission ist online. Auszug aus der Beschreibung des Tools zum Monitoring von Open Science in Europa:

„The Open Science Monitor supports open science initiatives in Europe. It provides a way to assess developments in open science and particularly trends in open science activities over time and comparatively between countries and scientific disciplines. […] The monitor was commissioned by the European Commission Directorate-General for Research and Innovation. It was developed by several partners, led by RAND Europe with the support of Digital Science, Altmetric, figshare and Deloitte.“

Für den Bereich „Open Research Data“ werden Daten  von re3data verwendet:

Open Science Monitor

Eine ausführliche Darstellung der Methodik findet sich auf der Website des Monitors (PDF). Der Monitor greift auf folgende Quellen zu: 101innovations, Altmetric, arXiv, bioRxiv, Clarivate Analytics, F1000Research, figshare, GenBank, Helmholtz-Centre for Environmental Research – UFZ and German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv), Nature Publishing Group and Palgrave Macmillan, OpenAIRE, PeerJ preprints, Publons, re3data.org, RePEc, SHERPA/RoMEO, SHERPA/JULIET, Taylor & Francis und Wiley. In Zukunft sollen weitere Quellen, z. B. zur offenen Zugänglichmachung von wissenschaftlicher Software und Open Educational Resources integriert werden.

Next-generation metricsPassend zum Thema Metriken für Open Science hat heute die „Expert Group on Altmetrics“, die die Generaldirektion Forschung und Innovation der EU-Kommission berät, ihren Abschussbericht unter dem Titel „Next-generation metrics: Responsible metrics and evaluation for open science“ veröffentlicht.

Die fünf Kernaussagen des lesenswerten Reports lauten: „An open science system should be grounded in a mix of expert judgement, quantitative and qualitative measures“; „Transparency and accuracy are crucial“; „Make better use of existing metrics for open science“;“Next generation metrics should be underpinned by an open, transparent and linked data infrastructure;“ sowie „Measure what matters“.  Damit wird ein deutlicher Kurswechsel bei der Evaluierung von Forschungsleistung vorgeschlagen.

Die Expertinnen und Experten der Arbeitsgruppe empfehlen auch den Standard ORCID zur Identifikation von Autorinnen und Autoren und weiteren Beteiligten im Forschungsprozess verpflichtend im kommenden Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (FP9) zu verankern.

Disclosure: Ich bin in zwei der genannten Initiativen involviert: re3data und ORCID DE.

Beall’s Liste ist weg – gut so!

Jeffrey Beall’s Liste ist weg. Sein Blog, wo er eine viel beachtete Liste von Journals und Verlage führte, die er als „Predatory“ einstufte, ist leer geräumt. Beall selber will nicht sagen wieso er die Inhalte seines Blogs entfernt hat. Dies führt nun im Netz zu vielerlei Spekulation.

Beall hat die Welt auf das Problem der Predatory Journals aufmerksam gemacht und in diesem Feld auch Pionierarbeit geleistet. Dafür gebührt ihm Dank und Respekt. Allerdings schoss er häufig über das Ziel hinaus und drückte manchen Verlagen ohne seriöse Abklärung das Prädikat „Predatory“ auf. Seine Vorurteile hinsichtlich Verlage und Menschen ausserhalb des westlichen Kulturkreises oder seine tiefe Abneigung gegenüber Open Access waren dabei nicht zu übersehen. Er versteifte sich zudem darauf Probleme nur bei Open Access Verlagen zu kritisieren. Qualitätsprobleme oder pures profitorientiertes Verhalten sind selbstverständlich auch bei den klassischen Subskriptionsverlagen zu finden.

Während andere Lösungen entwickelten, beschränkte sich Beall darauf immer und immer wieder auf das Problem hinzuweisen, so dass es in den Medien und letztlich in den Köpfen von unwissenden Forschenden massiv überrepräsentiert wird.

Forschende, welche wenig Erfahrung mit Open Access haben, verweisen gerne voller Vorbehalte zuerst auf Beall’s Liste. Dabei ist die Gefahr von Predatory Journals überbewertet. Mit etwas Verstand und Vorsicht (passend dazu die Kampagne Think – Check – Submit) ist das Problem vergleichsweise genauso gross bzw. klein wie Spam oder Phishing mit Zusammenhang mit E-Mails. Mit der Zeit entwickelt man Routine auf gewisse Merkmale zu schauen, wodurch sich das Risiko auf einen Scam reinzufallen drastisch verkleinert. Und wenn dann immer noch jemand reinfällt, dann war entweder der Scam sehr raffiniert, oder der/die Forschende einfach unglaublich naiv.

Es ist zu hoffen, dass mit der Löschung von Beall’s Liste nun bessere Lösungen wie der Quality Open Access Market oder das DOAJ Seal vermehrt Aufmerksamkeit bekommen.