Gerüchte um eine „zero embargo“ Open-Access-Policy in den USA

Aktuell machen Gerüchte über die Planung einer Executive Order der US-Administration zum Thema Open Access die Runde: Wie das Blog The Scholarly Kitchen berichtet, soll eine Verordnung in Arbeit sein, die die US-Behörden verpflichten würde, eine „zero embargo“ Open-Access-Policy umzusetzen. Eine Executive Order ist eine Durchführungsverordnung der US-Regierung, die ohne weitere Abstimmungen im Kongress rechtlich bindend verankert werden kann. 

AAP_Letter_Open_Acess_2019

Die aktuelle Policy der US-Regierung aus dem Jahr 2013 sieht eine Embargoperiode von 12 Monaten vor (PDF). Sie gilt für die forschenden und forschungsfördernden Behörden in den USA wie z. B. die Weltraumbehörde NASA und die National Institutes of Health (NIH). Eine Übersicht der Implementierungen dieser Policy in den einzelnen US-Behörden bietet Science.gov.

Gestern hat nun die Association of American Publishers (AAP) einen offene Brief veröffentlicht, der von über 125 Fachgesellschaften und Verlagen (u. a. Elsevier und Wiley) unterzeichnet wurde und vor der Verankerung einer solchen Open-Access-Policy warnt. In einer begleitenden Pressemitteilung des Verlagsverbandes AAP heißt es:

„In a new major letter signaling deep concern, more than 125 organizations – representing publishers in scientific and medical societies, global companies, and the U.S. Chamber of Commerce – have expressed their strong opposition to a proposed Administration policy that would mandate immediate free distribution of peer-reviewed journal articles reporting on federally funded research.“ 

In dem offenen Brief (PDF) schildern die Verlage und verlegerisch tätigen Fachgesellschaften ihre Bedenken gegen das Vorhaben: 

„Going below the current 12 month “embargo” would make it very difficult for most American publishers to invest in publishing these articles. As a consequence, it would place increased financial responsibility on the government through diverted federal research grant funds or additional monies to underwrite the important value added by publishing. In the coming years, this cost shift would place billions of dollars of new and additional burden on taxpayers. In the process, such a policy would undermine American jobs, exports, innovation, and intellectual property.“

In der Pressemitteilung findet sich die völlig absurde Behauptung, dass im aktuellen wissenschaftlichen Publikationssystem keine Kosten für die/den Steuerzahler*in anfallen:

„Hundreds of non-profit and commercial publishers across America make significant investments, at no cost to taxpayers, to finance the peer-review, publication, distribution, and long-term stewardship of these articles.“ 

Dabei sind die steuerfinanzierten US-Behörden zentrale Kunden der Verlagsdienstleistungen.

Interessanterweise wird in dem Schreiben der Verlage auch der Umgang mit Forschungsdaten adressiert. Dazu stellen die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Briefes fest:

„We write to express our strong opposition to this proposal, but in doing so we want to underscore that publishers make no claims to research data resulting from federal funding.“ 

Auch wurde ein Brief (PDF) des US-Senator Thom Tillis (R-NC), Chairman of the Senate Judiciary Intellectual Property Subcommittee, an die US-Administration veröffentlicht, in dem dieser seine Bedenken gegen das Vorhaben äußert. 

Dass mit der Herausgabe von Open-Access-Zeitschriften und so mit den Bedingungen einer „zero embargo“ Open-Access-Policy durchaus Geld zu verdienen ist, wie viele Open-Access-Verlage beweisen, unterschlagen die Verlage in ihrer Positionierung völlig. Auffallend ist auch, dass der Verlag Springer Nature, der sich selbst als „largest OA publisher“ bezeichnet, das Schreiben nicht unterzeichnet hat. Auch die wohl größte Fachgesellschaft in den USA, die American Association for the Advancement of Science (AAAS), trägt das Schreiben nicht mit. 

In der sogenannten “cOAlition S” arbeiten bereits einige Forschungsförderer, u. a. die Europäischen Kommission, der Europäischen Forschungsrat (ERC) und die Weltgesundheitsorganisation WHO, an der Umsetzung einer „zero embargo“ Open-Access-Policy namens “Plan S”, die ab 2021 in Kraft treten wird. Mittelempfängerinnen und -empfänger dieser Förderorganisationen müssen ab dem 01.01.2021 Ergebnisse aus geförderten Projekten in offen zugänglichen Open-Access-Zeitschriften oder -Repositorien unter „zero embargo“-Bedingungen veröffentlichen. 

Es bleibt spannend! Jedoch: Gerücht ist Gerücht und nicht mehr! 

Big Bang statt Big Deal?Verhandlungen in der Schweiz mit Elsevier, Springer und Wiley drohen zu scheitern

Es geht um 22.4 Mio EUR, welche die Schweizer Hochschulen alleine den drei grossen Verlagen Elsevier, Springer und Wiley jährlich für Zeitschriften bezahlen.

Quelle: Schneider Gabi (2019). Nationaler Aktionsplan Open Access. 7.11.2019

In 6 Wochen könnte es sein, dass dieses Geld nicht mehr an diese Verlage fliesst. Am 16. Oktober erhielten die Schweizer Hochschulen von Michael Hengartner, Präsident von swissuniversities einen Brief, wonach Vorbereitungen zu treffen sind, sollten die Ende Jahr auslaufenden Verträge nicht erneuert werden.

Seit einem Jahr versucht ein Verhandlungsteam mit Vertretung von Rektor/innen, Forschenden, Bibliotheken und des Schweizer Konsortiums Read & Publish Verträge mit den drei Grossen zu erreichen. Die Ziele dieser Verhandlungen wurden vorgängig in einem fortschrittlichen Factsheet, welches sich an den Verhandlungsgrundsätzen von LIBER orientiert, angekündigt.

2018: Kniefall vor Springer Nature

Während andere Länder nun schon seit mehreren Jahren Offsetting-Agreements mit diversen Verlagen abschliessen und dadurch den Open Access Anteil ihrer „eigenen“ Artikelproduktion steigern, hat die Schweiz bisher von der Seitenlinie zugesehen und den Verlagen weiterhin Millionen für Closed Access hinterhergeworfen. Anfang dieses Jahres haben einige Hochschulen immerhin mit RSC ein erstes, jedoch intransparentes Read & Publish Agreement geschlossen.

Gemäss dem Factsheet von swissuniversities wollte man eigentlich schon 2019 ein Read & Publish Agreement mit Springer Nature haben. Allerdings wurde Mitte (!) 2018 still und leise im Fliesstext auf der OA-Webseite von swissuniversities folgender Satz eingefügt:

Im Interesse eines erfolgreichen Transformationsprozesses passte swissuniversities auf Wunsch von Springer Nature die im März 2018 kommunizierte Agenda an und vereinbarte für 2019 eine Übergangslösung.

Wie das Beschaffungsportal simap.ch zeigt, kostete diese euphemistisch bezeichnete „Übergangslösung“ 5.2 Mio EUR.

Verzug des Aktionsplans

Gemäss der Open Access Strategie (2017) von swissuniversities sollen 2024 alle von öffentlichen Geldern finanzierten wissenschaftlichen Publikationen „der Schweiz“ frei zugänglich sein. Wenn dieses Ziel noch erreicht werden soll, muss nun Einiges geschehen. Beim Aktionsplan ist man in diversen Bereichen in Verzug:

Quelle: Schneider Gabi (2019). Nationaler Aktionsplan Open Access. 7.11.2019

Kein Zweitveröffentlichungsrecht

Ein herben Dämpfer erlebte die Strategie ebenfalls, als der Wunsch nach einem gesetzlich verankerten Zweitveröffentlichungsrecht im Parlament bei der Urheberrechtsrevision im Sommer 2019 durchfiel:

Der Bundesrat ist hier der Auffassung, dass ein gesetzgeberischer Eingriff nicht notwendig ist. Die Universitäten stehen bereits heute in Verhandlung mit den Verlegern. Zudem hat Swissuniversities auch in den Hearings darauf hingewiesen, dass die Schweiz im Bereich Open Access im internationalen Vergleich eine führende Rolle einnimmt. Das zeigt schon, dass die Selbstregulierung hier funktioniert, ohne dass es eine zusätzliche Regulierung durch den Gesetzgeber braucht.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter, im Ständerat am 4.6.2019

Man kann dies Entscheid des Parlaments durchaus als Quittung dafür ansehen, dass man in den vergangenen Jahren die eigene Passivität im Dossier OA gegenüber der Öffentlichkeit und Politik permanent beschönigt hat.

Zur Erinnerung: Als 2010 Nationalrat Theophil Pfister den Bundesrat einlud, mit dem Gewicht des Geldgebers den Zielen von OA eine stärkere Gewichtung zu geben (Motion 10.3240) wurde diese Einladung ausgeschlagen:

Insgesamt werden nach Einschätzung des Bundesrates die Arbeiten im Bereich Open Access von den verantwortlichen Akteuren zielführend und effizient angegangen. Für den Bundesrat sind somit die Anliegen der Motion erfüllt, und es besteht zum jetzigen Zeitpunkt kein zusätzlicher Handlungs- und Regelungsbedarf im Sinne der Motion.

Befreiungsschlag ist möglich und nötig

Swissuniversities kann sich nun aus der selbstverschuldeten Lethargie befreien, indem nun Ende dieses Jahr klar Stellung gegenüber den Verlagen bezieht und konsequent für OA einsteht.

Man darf sich auch in Erinnerung rufen, dass die Unzufriedenheit mit den grossen Verlagen, insbesondere mit Elsevier, eine lange Geschichte hat:

Zwischenbericht_2010.jpg
Auszug Protokolle ETH-Rat 2010

Wie beispielsweise eine Umfrage an der ETHZ ebenfalls ergeben hat, wird eine Transformation zu OA von den Forschenden klar befürwortet und es gibt eine grosse Bereitschaft auf die Abos zu verzichten.

Dabei könnte Swissuniversities auch gar die Read- und Publishverträge ganz überspringen und sich voll und ganz auf die Finanzierung von Gold OA fokussieren. Die COAliton-S gibt diesen Agreements letztlich sowieso nur eine Chance bis 2024:

After 2024, we will be encouraging institutional libraries and large consortia to switch from ‘read and publish’ agreements with publishers to ‘pure publish’ deals for portfolios of subscription journals that have become open-access journals. The cOAlition S funders will contribute to financing such deals

Und man darf auch ruhig noch einmal betonen, dass die Nutzung von Sci-Hub in der Schweiz legal ist und eine fantastische Abdeckung bietet.

Update 3. Dezember 2019

Die Universität Bern informiert zum ersten mal öffentlich und gibt bekannt, dass swissuniversities am 13. Dezember entscheiden werden.

Neuseeland: Transparenz von Subskriptionskosten

Über drei Jahre musste Mark C. Wilson auf den erlösenden Entscheid des neuseeländischen Ombudsmann warten. Wilson hatte beim Ombudsmann Beschwerde eingereicht, nachdem sich verschiedene neuseeländische Universitäten, weigerten ihre Zahlungen an die grossen Verlage auf seine Anfrage hin offen zulegen, da sie gegenüber den Verlagen die zugesicherte Vertraulichkeit einhalten wollten.

Wilson beschriebt auf seinen Blog den durchlaufenen Prozess als sehr mühsam:

The process was long and required persistence.  I count at least 36 emails and several phone conversations. I commented on the preliminary report earlier this year, and the large publishers certainly had considerable input. […] Gratifyingly, it ruled unambiguously that the commercial interests of the publishers and universities were outweighed by the public’s right to know. The universities have all complied, supplying me with the amounts spent on journals from Elsevier, Springer, Wiley and Taylor & Francis for years 2013-2016 inclusive. There are several other problematic publishers, notably the American Chemical Society, but I had to stop somewhere. I hope that others can continue this work in NZ and other jurisdictions.

Die erhaltenen Zahlen und die letzten Antworten der Hochschulen sind nun auf Figshare einsehbar: https://doi.org/10.6084/m9.figshare.5656069.v1

Daten_NZ_FigshareScreenshot

Die Daten zeigen auf Anhieb nichts Überraschendes:

  • The total amount of money spent on just 4 publishers is substantial, around US$14.9M in 2016.
  • The mean expenditure per academic/research staff member  in 2016 is around US$1800.
  • University of Canterbury is getting a much worse deal than the others, 35% above the mean.
  • The rate of increase of  subscription costs (17%) over the period clearly exceeds the Consumer Price Index inflation rate over the period (2-3% in NZ, USA and Europe).
  • The publisher with highest percentage increase over the period was Taylor & Francis (33%).

Wilson, seit 2002 Senior Lecturer an der University of Auckland, liess sich 2014 durch Gowers Transparenzanfragen in UK inspirieren. Er ist ein starker Unterstützer von FairOA und sähe gerne Journals wieder in der Kontrolle der Wissenschaft.

SpringerNature vor Börsengang

SpringerNature gehört seit dem Merger von Springer und NPG mit 53% zu Holtzbrinck und mit 47% zu BC Partners. Bereits beim Merger im Jahre 2015 hat Ewald Walgenbach von BC Partners in der FAZ durchblicken lassen, dass seine Beteiligungsgesellschaft innerhalb der nächsten 3-4 Jahren den Ausstieg (Exit) mit einem Börsengang plane.

Gemäss Reuters sollen nun JP Morgan und Morgan Stanley beauftragt worden sein, diesen Gang an die Frankfurter Börse für den Sommer 2018 vorzubereiten. BC Partners und Holtzbrinck selber halten sich noch bedeckt.

Offenbar erhofft sich SpringerNature eine Kapitalerhöhung von 700-800 Mio. EUR. Während BC Partners einen grossen Teil seiner Beteiligung abstossen will, soll Holtzbrinck weiterhin einen Anteil über 40% halten. Mindestens 25% der Aktien sollen frei handelbar sein (free float). Insgesamt soll SpringerNature 4-5 Milliarden EUR Wert sein.

Wer den exzellenten Artikel im Guardian über die Geschichte von Elsevier gelesen (oder gehört) hat, kann sich gut vorstellen, dass nach oben tatsächlich keine Grenzen gesetzt sind. Jeder neue Verkauf scheint in dieser Industrie zu weiterem Wachstum zu führen. BC Partners loben sich auf ihrer Webseite, dass sie bisher auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, stets hervorragende Ergebnisse, sprich überdurchschnittliche Renditen erzielt haben.

BC-Partners

Schweden: Springer und IOP Offsetting

In Schweden ist ein Zwischenbericht zu den Offsetting-Agreements mit Springer und IOP veröffentlicht worden. Von dem 24-Seitigen Bericht in schwedischer Sprache, gibt es auch eine zweiseitige Zusammenfassung auf Englisch.

Springer Compact: Juli 2016 – Dezember 2017

Der Deal des Bibsam Konsortium umfasst die Publikationsmöglichkeit in 1705 Hybrid-Journals von Springer und den Zugriff auf 2110 Journals von SpringerLink (1997-).

Im ersten Jahr (Juli 2016 – Juli 2017) wurden insgesamt 1232 Publikationen in Hybrid OA Journals von Springer publiziert. Eine Liste der Publikationen bis April 2017 findet sich inzwischen auch auf OpenAPC. Beim Abschluss des Agreements, ging man davon aus, dass in den nächsten drei Jahren etwa 15% mehr publiziert werden würde. Zumindest bei den Hybrid-Journals von Springer blieb dieser Effekt aus. Es wurden letztlich sogar 20% weniger publiziert als man dies vereinbart hatte.

Schweden bezahlt für den ganzen Springer Compact Deal 4.2 Mio EUR, und somit 60% mehr als bisher.

Springer_Costs_of_Offsetting

Ausgaben des Schwedischen Bibsam Consortiums ohne und mit Springer Compact
Quellen: 2. Evaluationsbericht zu Springer Compact und IOP vom 20.09.2017 ; Auskunft Ulf Kronman 4.10.2017

Vergleich mit Niederlande

Der preisliche Unterschied zum Niederländischen Deal ist frappant. So konnten die Niederländer in den ausgesprochen harten Verhandlungen die Hybrid-APC auf unter €1’400 drücken. Im Schwedischen Agreement wurde ursprünglich mit einer APC von €2’200 kalkuliert. Da aber dann weniger als angenommen publiziert wurde, ist der effektive Preis jedoch sogar bei €3’000. Die Niederländer bezahlen somit trotz mehr Hybridpublikationen (2015: 1927 Artikel) eine Million Euro weniger als die Schweden. Wohl deshalb wehrte sich SpringerNature wohl besonders stark gegen die Offenlegung des Niederländischen Vertrags.

Springer Costs Netherlands.png

Ausgaben der Niederländischen Universitäten 2011-2016 für Springer Journals & Artikel. 
Quellen: Subskriptionskosten 2011-2014 ; Springer Agreement 2015-2016

Institute of Physics (IOP): Januar 2017 – Dezember 2019

Zum noch relativ jungen Agreement mit IOP liegen noch keine spezifischen Daten zur Analyse vor. Allerdings sollen die entstandenen Kosten von Hybrid-Zahlungen im Folgejahr zu 90% von den Schwedischen Subskriptionskosten, und zu 10% von den globalen Preisen von Hybridjournals abgezogen werden.

Fazit

Die Schwedische Evaluationsgruppe zieht im Bericht ein ambivalentes Fazit. Der Anstieg von OA ist erfreulich. Befragte Forschende zeigen sich von dem Agreement begeistert und wünschen sich weitere solche Deals mit anderen Verlagen. Anderseits wurde erkannt, dass der Preis dafür doch sehr hoch ist. Auch der Fokus auf Hybrid Journals, anstatt reine OA Journals wird als Nachteil aufgeführt.

Schweiz: Springer Open Access Agreement ab 2018?

In der Schweiz läuft Ende 2017 die konsortiale Lizenz zu den Springer Zeitschriften aus. Bei der aktuell laufenden Neuverhandlung bietet sich für die Schweizer Hochschulen nun die Möglichkeit den nationalen Gold-OA Anteil ab 2018 schlagartig um etwa 6% zu erhöhen. Um diese Chance für OA zu realisieren, müssen die Schweizer nicht einmal besonders kreativ sein. Wie ich im Folgenden aufzeige, reicht es schon, wenn sie von Springer die gleichen Konditionen einfordern, welche für die niederländischen Universitäten schon seit Jahren gelten.

Niederländisches Springer-Agreement als Vorbild

Dem kürzlich öffentlich gewordenem Agreement der niederländischen Universitäten von 2015-2016 kann man nämlich folgende Zahlen für 2015 entnehmen:

  • Publishing Fees: € 2.63m
  • Reading Fees: € 200k

In der Übersicht von der VSNU zu den Zahlungen pro Verlag/Universität werden die gesamten Ausgaben an Springer 2015 mit € 3m beziffert. Ich vermute dies hat mit dem Hinzurechnen der Mehrwertsteuer zu tun.

Nun kann man auf openaccess.nl sehen, dass 2015 ingesamt 1927 OA-Artikel mit niederländischen Corresponding-Authors bei Springer mit OA publiziert wurden.

openaccess.nl - Springer OA articles.png

Wenn wir also nun die im Vertrag vereinbarten Publikationskosten von € 2.63m nehmen und diese durch 1927 Artikel dividieren, erhalten wir eine durchschnittliche APC von € 1365. Zum Vergleich: Die durchschnittliche APC bei BMC/SpringerOpen ist laut OpenAPC € 1496.

Niederländische Konditionen im Schweizer Kontext

Gemäss einer Analyse der Publikationen in Scopus wurden im Jahre 2015 bei Springer insgesamt 2789 Papers von AutorInnen mit Schweizer Affiliation publiziert. Dies entspricht 9% des gesamt schweizerischen Outputs. Mit dem üblichen „Corresponding Author“-Anteil von 65% kommt man dabei auf 1813 Papers, welche durch die Schweiz zu finanzieren wären. Multipliziert man diese mit der niederländischen APC kommt man auf voraussichtliche Publikationskosten von € 2.47m.

1813 Schweizer Corresponding Author Papers * € 1365 APC = € 2.47m

Rechnet man dann noch die zusätzliche Reading-Fee von 200k EUR und eine Mehrwertsteuer von 8% (= € 214k) dazu, ergeben sich Kosten von insgesamt € 2.88m.

Dies wäre der Betrag, den die Schweizer Hochschulen zu bezahlen hätten, damit ihre Angehörigen einerseits den bisherigen Zugang zu den laufenden Closed-Access Inhalten hätten, und anderseits als „Corresponding Authors“ automatisch mit Gold OA und CC-BY Lizenz bei Springer publizieren.

Teurer oder günstiger als aktuelle Subskriptionskosten?

Bislang gibt es noch keine offizielle Angabe, was im Jahre 2015 alle Schweizer Hochschulen für Springer Zeitschriften bezahlt haben. Mit den Zahlungsdaten, welche über Öffentlichkeitsgesetz-Anfragen bekannt geworden sind, lässt sich jedoch näherungsweise eine Zahl ableiten. Aufgrund der Heterogenität der erhaltenden Daten (in CHF oder EUR, mit und ohne Mwst, nach Zahlungsjahr oder Abo-Jahr, mit und ohne Backfiles, Rückgriff auf Jahr  2014 bei HBZ und EPFL) besteht natürlich eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Genauigkeit. Dennoch ergibt sich eine Gesamtsumme von mindestens € 2.8 m.

Dabei fehlen die Zahlungen der mittelgrossen Universität Basel und der kleinen Universität Luzern. Die beiden Hochschulen wollen diese Zahlungen nicht bekanntgeben und juristisch lässt sich Transparenz zurzeit nicht durchsetzen (Siehe Bundesgerichtsurteil zu Basel und Antwort aus Luzern). Auch noch nicht aufgeführt sind die Zahlungen der Fachhochschulen, da die relativ sehr geringen Ausgaben nicht klar auf den Medientyp Zeitschriften aufgeteilt werden können.

Die wohl insgesamt etwa € 3 Millionen Subskriptionskosten für Springer Journals reichen somit aus, um bei Springer ohne zusätzliches Geld OA mit CC-BY Lizenz für die eigene Artikelproduktion zu erwirken.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt.

Das niederländische Beispiel (inkl. Musterklauseln für den Vertrag) existiert. An Geld mangelt es nicht. Und die Zielvorgaben sind auch da: 100% OA und bis 2020 (SNF) und bis 2024 (swissuniversities).

Was vermutlich noch fehlt, ist der Wille von Springer bzw. heute ja SpringerNature, den Schweizer die gleichen Konditionen zu gewähren wie den Niederländern. Und wie man so hört, möchte SpringerNature tatsächlich nicht in Verhandlungen über OA für die Schweiz eintreten, da man angeblich stark mit Verhandlungen in anderen Ländern, insbesondere Deutschland (DEAL) ausgelastet sei.

Hoffentlich erkennen die Verantwortlichen in der Schweiz, wie unglaublich dreist eine solche Antwort ist. Das niederländische Modell ist sehr einfach und kann von SpringerNature in den verbleibenden vier Monaten für die Schweiz adaptiert werden. Etwas Wille und drei zusätzliche Seiten im Vertrag, sind alles was es braucht.

Wenn dieser Wille bei SpringerNature nicht vorhanden ist, sollten die Schweizer Verantwortlichen die Konsequenzen daraus ziehen und den Lizenzvertrag nicht erneuern.

Man darf SpringerNature (und die Angsthasen in den eigenen Reihen) durchaus darauf aufmerksam machen, dass der Download aus Sci-Hub für den privaten Gebrauch in der Schweiz legal ist. Und gemäss einer neueren Analyse von Himmelstein et al. sind inzwischen 89.4% aller Zeitschrifteninhalte von SpringerNature auf Sci-Hub verfügbar.

Zahlungen der Universität Zürich

Was zahlt die Universität Zürich an Elsevier, Springer und Wiley?

Auf diese Frage weigerte sich die Hauptbibliothek der Universität Zürich (HBZ) im Juli 2014 eine Antwort zu geben. Gegen die Ablehnung rekurrierte ich im August 2014 bei der zuständigen Rekurskommission der Zürcher Hochschulen. Während des Rekursverfahrens erhielt ich durch ein Missverständnis und zum Erstaunen aller Beteiligten Einsicht in die gewünschten Daten der HBZ, welche eigentlich nur für die Rekurskommission bestimmt gewesen waren. Im Dezember 2014 zog ich deshalb den inzwischen nicht mehr notwendigen Rekurs gegen die HBZ zurück, führte aber den Rekurs gegen die Einsichtsverweigerung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) bei der gleichen Rekurskommission weiter. So kenne ich nun seit einem Jahr die Zahlungen der Hauptbibliothek und hätte sie, wie mir die Rekurskommission ehrlich antwortete, legal veröffentlichen können. Doch aus Gründen der Fairness wollte ich damit zuwarten bis die rechtliche Situation im Kanton Zürich bei den parallelen Rekursen gegen die Einsichtsverweigerungen der ZHAW oder gegen die Zentralbibliothek Zürich grundsätzlich geklärt worden ist. Das Prinzip scheint mir hier wichtiger als die Zahlen.

Im Dezember 2015 entschied nun endlich die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen unter Berücksichtung der kantonalen Gesetzgebung, dass die ZHAW mir ihre Zahlungen an die Verlage zugänglich machen muss. Es ist davon auszugehen, dass die Rekurskommission im Falle der Hauptbibliothek der Universität Zürich gleichermassen entschieden hätte und die HBZ die Zahlen so oder so hätte herausrücken müssen. Wie sie übrigens auch die freihändigen Zuschläge auf simap.ch hätte deklarieren müssen!

Zu den Zeitschriftenausgaben

Hier also nun die Zeitschriftenausgaben der Hauptbibliothek der Universität Zürich. Die Ausgaben der Zentralbibliothek Zürich, welche insbesondere die geisteswissenschaftlichen Fächer an der Universität Zürich abdeckt, sind hier noch nicht eingerechnet (dieser Rekurs läuft noch).

Auch hier (wie bei der UniBE und der ETHZ) können wir überschlagsmässig nun erstmals einen Blick wagen, was dies für die Transformation zu Gold OA bedeuten würde.

Als Datengrundlage bietet sich das Repository ZORA an, wo seit 2008 alle Forschenden der Universität Zürich verpflichtet sind, ihre Publikationen zu hinterlegen.

Sparpotential bei Elsevier

Forschende der Universität Zürich (inkl. Universitätsspital) publizieren pro Jahr gegen die 950 Zeitschriftenartikel bei Elsevier:

Gehen wir hier wieder von einem Corresponding Author Anteil von 60% und einer durchschnittlichen APC von 2700 CHF aus, lässt sich ein Einsparungspotential von fast 0.25 Mio. CHF ausmachen!

Elsevier: 570 Artikel * 2700 CHF = 1'539'000 CHF
(Subskriptionskosten 2014: 1'778'095 CHF)

500’000 CHF mehr bei Springer (APC 3000 CHF)

Ohne SpringerOpen und BMC werden pro Jahr gegen die 600 Artikel durch AutorInnen der Universität Zürich bei Springer veröffentlicht.

Rechnen wir hier auch wieder mit einem 60% Corresponding Author-Anteil und einer APC von 3000 CHF. Mit dieser müsste die UZH gut 500’000 CHF mehr bezahlten.

Springer: 360 Artikel * 3000 CHF = 1'080'000 CHF
(Subskriptionskosten 2014: 589'080 CHF)

150’000 CHF mehr bei Wiley (APC 3000 CHF)

Bei Wiley kann von ca. 650 Artikel pro Jahr ausgegangen werden:

Hier müsste die UZH 150'000 CHF mehr bezahlen.

Wiley: 390 Artikel * 3000 CHF = 1'170'000 CHF
(Subskriptionskosten 2014: 1'025'733 CHF)

Fazit

Rechnet man mit den Verlags-APCs, 2700 CHF bei Elsevier, 3000 CHF bei Springer und Wiley, müsste die UZH gute 350’000 CHF mehr bei einer Transformation zu OA bezahlen.

Würde man aber mit einer APC von 2600 CHF rechnen, ergäbe sich wieder eine kostenneutrale Transformation

Wiley + Elsevier + Springer : 1320 Artikel * 2600 CHF = 3'4 Mio CHF
(Subskriptionskosten 2014: 3.4 Mio CHF)

Green-OA dümpelt ohne in Fahrt zu kommen

Der Universität Zürich hat schon seit 2008 eine verpflichtende OA-Policy und leistet sich inzwischen ein 7-köpfiges Open Access Team, welches jede Publikation die auf ZORA eingeht prüft und sich um das Einholen von Volltexten bemüht. Schaut man sich den Erfolg bei den Zeitschriftenartikel an, scheint dies zumindest bei den drei grossen Verlagen ziemlich ineffektiv zu sein. Lediglich bei Springer kommt man im Jahre 2014 auf eine Höchstmarke von 35% freien Volltexten im Repository. Bei Elsevier sind es immerhin noch 24%. Bei Wiley bleibt es aber bei kümmerlichen 12%.  Insgesamt sind lediglich 23% (492 von 2126) bei Elsevier, Springer und Wiley publizierten Artikel von Zürcher AutorInnen über ZORA zugänglich.

Im Vergleich zu anderen Unis mögen dies vielleicht sogar gute Werte sein. Nüchtern betrachtet, müsste man sich aber bei diesen Zahlen sieben Jahre nach Einführung der OA-Policy eingestehen, dass es dringend einen Strategiewechsel bedarf. Wenn die Universität Zürich pro Jahr 3,4 Mio CHF an die Verlage Elsevier, Springer und Wiley zahlt (nur Journals!), aber im Gegenzug nur 23% der eigenen bei diesen Verlagen publizierten Artikel frei bei ZORA zugänglich sind, läuft etwas gewaltig schief!

Gold-OA an der Universität Zürich unterfinanziert

Noch absurder wird es, wenn man bedenkt das AutorInnen der Uni Zürich die in einem Gold OA Journal z.B. von Frontiers oder BioMedCentral publizieren wollen für einen Teil der Kosten selber aufkommen sollten. An die Publikationskosten die beim beliebten Verlag PLOS entstehen, zahlt die Hauptbibliothek dann aber schon gar nichts mehr. Obwohl dort im Jahr 2014 bereits 176 Artikel publiziert wurden und somit schon ein Viertel des Publikationsaufkommen bei Wiley ausmacht.

Die Logik, dass die Hauptbibliothek Subskriptionen von drei wissenschaftsfeindlichen Verlagen mit 3,4 Mio CHF fördert und die immensen Kosten am liebsten noch der Öffentlichkeit verschweigt, gleichzeitig aber kein oder nur wenig Geld für ganz offensichtlich nachgefragten Open Access Verlage hat, scheint mir enorm widersprüchlich. Von der Universität Zürich wird das LERU-Statement „Christimas is Over“ offenbar nicht gekommen sein. Leider!

Update: 12.1.2016

Dank einem Hinweis des OA-Teams der UZH habe ich festgestellt, einen Bug in meinem Pentaho-Script für die Auswertung des ZORA-XML gehabt zu haben. Ich habe den Fehler und entsprechend die Daten korrigiert. Wie vom OA-Team der UZH korrekt beanstandet, sind es weit mehr Publikationen die von UZH-Wissenschaftler bei Elsevier, Springer und Wiley publiziert werden.

Dies ändert natürlich die überschlagsmässig prognosizierten Kostenersparnisse gravierend, bzw. resultiert bei Wiley und Springer gar in Mehrkosten. Das heisst, das ursprüngliche Fazit das eine kostenneutrale Transformation zu Gold OA selbst bei einer forschungsintensiven Universität mit den von den Verlagen gesetzten APCs möglich ist, scheint falsch zu sein.

Jedoch wissen wir alle, dass die durchschnittliche APC wohl mit 3000 CHF definitiv ein Maxium darstellt. Sobald man mit einer realistischeren APC von unter unter 2600 CHF bei Elsevier, Wiley und Springer rechnet, ist die UZH auch schon wieder in der Sparzone.

Hinweis

Die für die Grafiken und Auswertungen von ZORA verwendeten Daten sind in diesem Google Spread Sheet zugänglich.

Zahlungen der Universität Bern

Was zahlt die Universität Bern an Elsevier, Springer und Wiley?

Nach einem erfolgreichen Beschwerdeverfahren bei der Erziehungsdirektion des Kanton Bern gegen die initiale Auskunftsverweigerung stellte mir die Universität Bern im vergangenen November endlich ihre Zahlungen zu.

Zeitschriftenausgaben der Universität Bern

Wie schon bei den Zahlungen der ETH Zürich können wir mit diesen Zahlen nun erstmals überhaupt eine kleine „Milchbüchleinrechnung“ vornehmen, welche das Potential dieser Kosten für den Wechsel zu Gold OA aufzeigt. Die Universität Bern erfasst schon seit längerem eine zentrale und relativ vollständige Hochschulbibliografie, die vor wenigen Jahren in das Repository BORIS überführt wurde.

200’000 CHF mehr benötigt bei Elsevier definierter APC

Eine Suche nach Zeitschriftenartikel in BORIS die bei Elsevier erschienen sind, ergibt für die Jahre 2010-2015 folgende Zahlen:

In Anbetracht einer möglichen Unvollständigkeit und Unschärfe bei der Suche können wir von max. 750 Artikel pro Jahr ausgehen. Mit einer durchschnittlichen Hybrid-APC von 2700 USD (=2700 CHF) bei Elsevier, sowie einem Anteil von ca. 60% Papers mit einem Berner Corresponding Author ergibt sich folgende Überschlagsrechnung:

Elsevier: 450 Artikel * 2700 CHF = 1'215'000 CHF
(Subskriptionskosten 2014: 930'000 EUR)

300’000 CHF mehr bei Springer definierter Hybrid APC

Eine weitere Suche in BORIS zeigt, dass  ungefähr 400 Artikel durch AutorInnen der Universität Bern pro Jahr bei Springer publiziert werden:


Die Rechnung mit 60% Corresponding Author Anteil und einer APC von 3000 USD/CHF  („Open Choice„) zeigt ebenfalls, dass ein Wechsel zusätzliche Kosten bedeuten würde.

Springer: 240 Artikel * 3000 CHF = 720'000 CHF
(Subskriptionskosten 2014: 398'000 €)

400’000 CHF mehr bei Springer definierter Hybrid APC

Etwa 450 Artikel pro Jahr werden durch Berner Autoren bei Wiley publiziert.

Geht man hier auch von einer Standard-Hybrid-APC von 3000 USD/CHF („Online Open„) aus, dürften die Subskriptionskosten für die Gold OA-Transformation nicht reichen:

Wiley: 270 Artikel * 3000 CHF = 810'000 CHF
(Subskriptionskosten 2014: 370'000 €)

Auch wenn man mit der durchschnittlichen APC von $2220 rechnet, welche Wiley zurzeit bei seinen reinen OA-Journals anwendet, wäre eine Transformation immer noch gut 200’000 CHF teurer.

Wiley: 270 Artikel * 2220 CHF = 594'000 CHF
(Subskriptionskosten 2014: 370'000 €)

Fazit

Die hier erstmalig überschlagsmässig vorgenommene Verbindung zwischen Subskriptionskosten und Publikationsverhalten lässt vermuten, dass die Universität Bern bei einem  Wechsel zu den von den drei Verlagen gesetzten APCs Mehrkosten von gut 900’000 CHF entstehen würden.

Eine kostenneutrale Transformation wäre mit einer durchschnittlichen APC von 1750 EUR erreichbar.

Wiley + Elsevier + Springer : 960 Artikel * 1750 EUR = 1.7 Mio EUR
(Subskriptionskosten 2014: 1.7 Mio EUR)

Letztlich auch eine Motivation für die Universität Bern, mehr Gold OA über die Subskriptionverhandlungen erwirken, müssten die sehr bescheidenen Green-OA Werte auf BORIS sein. Nur gerade 13% (193 von 1535) aller im Jahre 2014 auf BORIS verzeichneten Zeitschriftartikel der Verlage Elsevier, Springer und Wiley sind dort tatsächlich frei verfügbar. Trotz verpflichtendes Mandat.

Dies liegt nicht zu letzt daran, dass die Grossverlage, wie kürzlich Elsevier, den freien Zugang auch über Repositories mit allen gerade noch erträglichen Mitteln zu verhindern suchen.

Es ist deshalb schwer verständlich, wieso die Universität Bern ohne eigene Forderungen (wie z.B. die berechtigte Verrechnung von Subskriptions- und Publikationskosten wie hier aufgezeigt) mit diesen Verlage Jahr für Jahr und steigendem Umsatz Geschäfte macht. Geschäfte, die im Jahre 2014 immerhin 1.7 Mio  betrugen (für Zeitschriften alleine).

Deklaration auf simap.ch

Man muss der Universität Bern übrigens zugute halten, dass sie – wie es scheint als einzige Universität in der Schweiz – die freihändige Vergabe der grossen Lizenzen (= über 230’000 CHF) auf der entsprechenden Plattform ordnungsgemäss nach öffentlichen Beschaffungsrecht deklariert hat. Lustigerweise bin ich selber erst nach meiner Anfrage bei der Universität zufällig darauf gekommen. Während des gesamten Beschwerdeverfahren hat mich auch niemand von der Universtität Bern darauf hingeweisen.

Simap - Elsevier University of Bern

4 Mio CHF Auftragsvergabe für die Elsevier Lizenz auf simap.ch

 

Korrektur 12.1.2016

Dank eines Hinweises der OA-Team der UZH bin ich auf einen wesentlichen Fehler in meinem Auswertungsscript der Repository-Daten gekommen. Auch die Universität Bern publiziert weit mehr Publikationen bei Springer, Wiley und Elsevier als ursprünglich hier dargestellt. Die frühere Einschätzung, dass auch die Universität eine kostennneutrale Transformation zu den Verlags-definierten APCs hinbekäme muss enstprechend revidiert werden. Für eine kostenneutrale Publikation bei der Universität Bern müssten mit einer APC von 1750 EUR gerrechnet werden.

Hinweis

Die für die Grafiken verwendeten Daten sind in diesem Google Spread Sheet zugänglich.

 

Zahlungen der ETH Zürich an Elsevier, Springer und Wiley nun öffentlich.

Was bezahlt die ETH Bibliothek an Elsevier, Springer und Wiley? Die Antwort auf diese einfache Frage liegt nun nach gut 14 Monaten und einem Entscheid der ersten Rekursinstanz (EDÖB) vor. Werfen wir nun also einen Blick in diese nun erstmals öffentlich zugänglichen Daten (auch als XLSX). Die ETH-Bibliothek schlüsselte die Ausgaben wie von mir gewünscht in Datenbanken, E-Books und Zeitschriften auf.

Interessanter Fakt: Alleine die Ausgaben für Zeitschriften, E-Books und Datenbanken an die drei Verlage Elsevier, Wiley und Springer betragen zusammen 7.78 Mio. CHF und machen somit fast die Hälfte des gesamten Erwerbungsbudget der ETH-Bibliothek (17.75 Mio CHF) aus. Ja, die Konzentration im wissenschaftlichen Publikationswesen findet statt.

Ausgaben für Zeitschriften

Konzentrieren wir uns nachfolgend auf die Zeitschriften.

Gleich vorweg, mit der aktuell vorliegenden Granularität lassen sich keine exakte Analysen oder Vergleiche machen. Dazu fehlen Informationen über die konkreten Bedingungen: Anzahl Journals, Historical Spendings und Holdings, Vertragslaufzeit, Kauf oder Miete etc. Auch zu berücksichtigen sind die starken Kursschwankungen zwischen CHF und USD/EUR in den letzten Jahren. Dennoch kann man einige interessante grobe Beobachtungen festhalten.

  • Die effektiven Ausgaben an die klassischen Subskriptionsverlage Elsevier und Wiley sind in den letzten Jahren weiter massiv gewachsen (Mehr Open Access möchte man, mehr Closed Access bezahlt man).
  • Mit 3.55 Mio CHF Ausgaben für Elsevier Zeitschriften im Jahre 2014, toppt die ETH alle britischen Universitäten. Das University College London gab 2014 den grössten Betrag von ca. 2.5 Mio CHF (£1’657’434) für Elsevier Zeitschriften aus. Oxford sogar „nur“ ca. 1.5 Mio. CHF (£990’774).
  • Auch im Vergleich zu amerikanischen Universitäten liegen die Ausgaben der ETH an Elsevier im Spitzenbereich. Cornell bezahlte im Jahr 2013 ca. 2.4 Mio (USD 2’468’244). Das MIT beziffert in seinem Elsevier Factsheet seine Ausgaben auf über 2 Mio USD, wobei das MIT – wie in den USA üblich – nicht alle Journals von Elsevier abonniert hat.
  • Gemäss ETH-Jahresbericht 2014 sind an der ETH gut 7000 Personalstellen mit Lehre und Forschung beschäftigt. D.h. pro wissenschaftlicher Stelle kostet der Elsevier Zugang gute 500 CHF. Natürlich verflacht sich diese Zahl wenn man noch die 18616 Studierenden dazuzählt, aber das ist ja bekanntlich nicht Hauptnutzungsgruppe von Zeitschriften.

Abgesehen davon, lohnt es sich meines Erachtens auch gar nicht, sich zu lange mit der heutigen Situation abzugeben. Denn wie die Ökonomen Bergstrom et al. in ihrem PNAS-Paper über die Preise von US-Universitäten aufzeigen, bezahlen Bibliotheken heute Fantasie-Preise, die sich nicht auf reale und vergleichbare Indikatoren zurückführen lassen:

The contracts that we have seen show remarkable institution-specific price variations that cannot be explained by university characteristics such as enrollment and PhD production. Some institutions have been quite successful in bargaining for lower prices, whereas others may not have been aware that better bargains can be reached. Perhaps this variation explains publishers’ desire to keep contract terms confidential.

Viel interessanter ist die Frage, inwiefern das Geld für einen Wechsel zu Gold OA ausreicht. AutorInnen der Max Planck Digital Library kamen kürzlich zum Schluss, dass zumindest für DE, FR und UK genug Geld im Subskriptionssystem vorhanden sei, um einen sofortigen Wechsel auf ein mehrheitlich APC-finanziertes System ohne zusätzlichen Kosten zu bewerkstelligen. Mit den nun öffentlichen Daten der ETH Zürich, lässt sich dies zumindest für die grösste technische Bibliothek der Schweiz auch nachvollziehen und bestätigen.

Die ETH ist auch Lieferant an die Verlage

Die ETH ist eine forschungsintensive Hochschule, welche gegenüber Elsevier nicht nur als Käufer, sondern auch als Lieferant von wissenschaftlichen Texten auftritt. Wenn man auf Sciencedirect, der Plattform von Elsevier nach wissenschaftlichen Artikel mit AutorInnen der ETHZ sucht findet man für das Jahr 2014 1260 Zeitschriftenartikel (Stand: 30.8.2015):

1260 Articles in Sciencedirect from ETH-AutorInnenSucht man in der ETH-Hochschulbibliografie e-Citations nach Artikel mit Publisher=Elsevier im Jahre 2014 kommt man auf 1374 Artikel. D.h. wenn wir von 1400 Artikel pro Jahr bei Elsevier ausgehen, liegen wir im sicheren Bereich.

Was dies bei einer Umstellung auf ein APC-basiertes Modell bedeuten würde

So lässt sich bereits mal grob ausrechnen, was es kosten würde, müssten ETH-Autoren neu für das Publizieren mit Hybrid/Gold OA APCs bezahlen. Gehen wir also mal von den berühmt-berüchtigten $3000 als Standard-APC aus und rechnen wir überschlagsmässig:

Elsevier: 1400 Artikel * 3000 CHF = 4.2 Mio CHF

Bei den gegenwärtigen Subskriptionskosten (3.5 Mio CHF) müsste die ETH bei einer Umstellung auf ein APC-Businessmodell ca. 700k CHF draufzahlen.

Nun ist aber zu berücksichtigen, dass die beiden Faktoren in Realität wesentlich kleiner sein werden.

  1. Elsevier hat sich bezüglich Gold OA, aber auch bei Hybrid länger als andere Verlage zurückgehalten und hat sehr spät ein dynamisches APC-Modell eingeführt. Je Journal gilt eine andere APC. Ohne es überprüft zu haben, gehe ich davon aus, dass bei Journals mit höheren Impact Faktoren auch der Preis höher ist. Nimmt man die aktuelle APC-Liste und fügt noch die teuren Cell-Press Journals dazu (APC von je $5000) kommt man bei Elsevier auf eine durchschnittliche APC von $2334. Für die ETH ist dieser Wert jedoch zu tief, da ETH-Wissenschaftler eher in den teureren Zeitschriften publizieren. Dies zeigt eine Verknüpfung der 1260 gefunden Artikel in Sciencedirect mit den aktuell gültigen APCs. Beim aktuellen Publikationsverhalten von ETH-Wissenschaftlern und der momentanen Preissetzung durch Elsevier ist ein APC Durchschnitt von $2700 (~CHF 2600) realistischer.
  2. Nicht bei allen Artikel bei dem ein ETH-Wissenschaftler als Autor aufgeführt ist, müsste die ETH die APC bezahlen. Bei Papers mit mehreren internationalen Autoren würde ja zuweilen auch die Publikationskosten über eine andere Institution oder Förderorganisation abgerechnet werden. Hier könnte man sich die Mühe machen und bei den Artikeln jeweils schauen, ob der Corresponding Author (denn dieser zahlt meistens) von der ETH kommt oder nicht. Aus Zeitgründen verzichte ich jedoch darauf und verweise auf die Erfahrungswerte der Max Planck Digital Library:

    Our robust formula is that we [Max Planck Digital Library] expect our authors’ papers to generate invoices for between 50% and 60% of the total number of papers (in fact, for some publishers we observe shares of corresponding author papers even as low as 40%). Already we feel confident enough to base further cost projections on this value.

    Das heisst, wenn wir auch hier vorsichtig rechnen, gehen wir davon aus, dass die ETH bei einem Wechsel auf ein APC finanziertes Model von ihren 1400 Papers bei Elsevier 60%, also 840 Papers selber bezahlen müsste.

Das heisst die viel realistischere, aber dennoch vorsichtige Schätzung wäre:

Elsevier: 840 Artikel * 2600 CHF = 2.2 Mio CHF
(Subskriptionskosten 2014: 3.5 Mio CHF)

Somit wird auch schnell offensichtlich, dass eine Umstellung auf ein APC-fianziertes Geschäftsmodell zumindest bei Elsevier durch die ETH absolut tragbar und gar günstiger (-1 Mio CHF) wäre. (Vorausgesetzt die 3.5 Mio CHF sind tatsächlich regelmässige Subkriptionskosten und nicht Einmalkäufe!).

Auch bei Springer und Wiley würde das bisherige Geld locker ausreichen

Nun die gleiche Rechnung für Springer und Wiley. In e-Citations finden sich für das Jahr 2014 576 Artikel von Springer und 736 Artikel von Wiley.

Gehen wir wieder von den 60% zu zahlenden APCs aus und vereinfachen die Sache, indem wir bei beiden Verlagen von einer durchschnittlichen APC von 3000 CHF ausgehen. Zurzeit sind die Hybrid-APC von Springer und Wiley $3000, obwohl beide Verlage mit ihren Open Access Programmen ebenfalls pro Journal unterschiedliche APC-Rates haben, die im Falle z.B. von BMC einiges unter $3000 liegen. Bei Interesse am APC Markt empfehle ich den Report von Björk und Solomon (2014).

Springer: 350 Artikel * 3000 CHF = 1.1 Mio CHF
(Subskriptionskosten 2014: 1.3 Mio.)
Wiley: 450 Artikel * 3000 CHF = 1.4 Mio CHF
(Subskriptionskosten: 2014: 1.6 Mio.)

Somit zeigt sich auch hier, dass das Geld, welches aktuell über Subskriptionen über die ETH-Bibliothek an Springer und Wiley geht, ausreichend ist, um eine sofortige Transformation hin zum Open Access Publizieren bei diesen Verlagen zu finanzieren.

Fazit

Open Access ist, wie vom ehemaligen ETH-Bibliotheksdirektor beschrieben, ein wünschenswertes wissenschaftliches und politisches Ziel. Mir ist es allerdings ein Rätsel warum sich die ETH-Bibliothek mit ihrem Anspruch die Leading Library in der Schweiz zu sein, sich nicht mehr im Interesse der Wissenschaft für Open Access einsetzt? An zuwenig Geld liegt es ganz offensichtlich nicht. Vielleicht an zuviel?

Warum nimmt eine ETH Zürich die Verlage nicht beisseite und sagt bestimmt :

Wir sind einer eurer Top-Kunden, und wohl auch einer eurer Top-Lieferanten. Kommt, lasst unserer ETH-Autoren bei euch Gold/Hybrid OA publizieren und wir verrechnen dass dann mit den Subskriptionen. Wir wären sogar bereit 10-20% Prozent mehr als jetzt zu bezahlen, letztlich akzeptieren wir ja eure Preiserhöhungen ja sowieso.

Sicher, Verlage haben wenig Interesse diesen Weg zu gehen, solange der Druck nicht gross genug ist. Dass man aber diesen Druck aufbauen muss und kann, zeigen die Niederländer, die mit Springer einen wegweisenden Deal erreicht haben, von dem man liest, nur 7% teurer (=200’000 EUR) zu sein, als was bisher jährlich bezahlt wurde. Neben Zugang zu SpringerLink können niederländische Autoren seit Anfang 2015 ohne zusätzliche Kosten Gold/Hybrid Open Access publizieren. Ein immenser Vorteil, den ETH-Autoren trotz stetig wachsender öffentlicher Unterstützung nachwievor nicht haben und auch nicht haben werden, solange die ETH-Bibliothek nicht endlich aus ihrer Lethargie erwacht und sich aktiver für Open Access einsetzt.

 

Springer und Nature sollen fusioniert werden

Das Investorenkarusell hat sich mal wieder gedreht. Springer SBM soll mit Geschäftssparten von Macmillan Science and Education im Besitz der Holtzbrinck Publishing Group fusioniert werden, sofern die Aufsichtsorgane die Zustimmung für diese Fusion erteilen.

Holtzbrinck Publishing Group

Die ursprünglich von Georg von Holtzbrinck gegründete Gruppe besteht aus den Geschäftsbereichen: Geschäftsfelder “Macmillan Science and Education” (Wissenschaft und Bildung), “Macmillan Publishers” (Belletristik und Sachbuch) sowie “Holtzbrinck Digital, Information & Services” (Internetunternehmen, Nachrichtenmedien und Dienstleistungen).

Der für den Merger einzig relevante Bereich Macmillan Science und Education setzt sich mehrheitlich aus dem ursprünglich wissenschaftlichen Teil von Macmillan zusammen. Macmillian, zu dem auch die Nature Publishing Group gehört, wurde 1995 von Holtzbrinck gekauft:

Auftteilung Macmillan Science and Education

Auftteilung Macmillan Science and Education

Von dem Merger ausgenommen bleiben Untergruppen wie z.B. Digital Science zu der eine grosse Anzahl Startups gehört wie z.B. Figshare, Readcube oder Altmetric. Ausgenommen ist  auch der OA Verlag Frontiers, mit dem Macmillian 2013 auch ein Joint Venture eingegangen ist.

BC Partners

Im Jahre 2013 haben BC Partners Springer SBM von EQT Partnerns AB und der Government of Singapore Investment Corporation für für 3.3 Milliarden Euro übernommen. Für den kommenden „Merger“ ist der ganze Springer Konzern vorgesehen.

BC Partners nennt sich auf seiner Website ein international führendens Private Equity-Haus. Der Fokus liegt auf attraktiven Investitionsmöglichkeiten mit einem ausgewogenen Chancen- und Risikoprofil für die Investoren. Aktuell berät BC Partners Fonds mit einem Gesamtvolumen von 12 Milliarden Euro.

Motivation könnte Stabilität und Aussichten für einen Börsengang sein

In der FAZ äussert sich Ewald Walgenbach von BC Partners dahingehend, dass sich seine Privat-Equity-Gesellschaft in drei bis vier Jahren zurückziehen möchte und dabei einen Börsengang als mögliches (lohnendes) Exit-Szenario sieht. Danach könnte Holtzbrinck als Mehrheitsgesellschafter und Ankeraktionär verbleiben. Bereits jetzt wird Holtzbrinck 53% des fusionierten Verlags besitzen, so dass man wohl besser von einem Teil-Aufkauf anstatt einem „Merger“ sprechen muss.

Vermutlich dürfte der Zusammenschluss mit Holtzbrinck Springer für einen Börsengang attraktiver machen.

Neuer Megaverlag: Springer und MacMillan