Was zahlt die Universität Bern an Elsevier, Springer und Wiley?
Nach einem erfolgreichen Beschwerdeverfahren bei der Erziehungsdirektion des Kanton Bern gegen die initiale Auskunftsverweigerung stellte mir die Universität Bern im vergangenen November endlich ihre Zahlungen zu.
Zeitschriftenausgaben der Universität Bern
Wie schon bei den Zahlungen der ETH Zürich können wir mit diesen Zahlen nun erstmals überhaupt eine kleine „Milchbüchleinrechnung“ vornehmen, welche das Potential dieser Kosten für den Wechsel zu Gold OA aufzeigt. Die Universität Bern erfasst schon seit längerem eine zentrale und relativ vollständige Hochschulbibliografie, die vor wenigen Jahren in das Repository BORIS überführt wurde.
200’000 CHF mehr benötigt bei Elsevier definierter APC
Eine Suche nach Zeitschriftenartikel in BORIS die bei Elsevier erschienen sind, ergibt für die Jahre 2010-2015 folgende Zahlen:
In Anbetracht einer möglichen Unvollständigkeit und Unschärfe bei der Suche können wir von max. 750 Artikel pro Jahr ausgehen. Mit einer durchschnittlichen Hybrid-APC von 2700 USD (=2700 CHF) bei Elsevier, sowie einem Anteil von ca. 60% Papers mit einem Berner Corresponding Author ergibt sich folgende Überschlagsrechnung:
Elsevier: 450 Artikel * 2700 CHF = 1'215'000 CHF
(Subskriptionskosten 2014: 930'000 EUR)
300’000 CHF mehr bei Springer definierter Hybrid APC
Eine weitere Suche in BORIS zeigt, dass ungefähr 400 Artikel durch AutorInnen der Universität Bern pro Jahr bei Springer publiziert werden:
Die Rechnung mit 60% Corresponding Author Anteil und einer APC von 3000 USD/CHF („Open Choice„) zeigt ebenfalls, dass ein Wechsel zusätzliche Kosten bedeuten würde.
Springer: 240 Artikel * 3000 CHF = 720'000 CHF
(Subskriptionskosten 2014: 398'000 €)
400’000 CHF mehr bei Springer definierter Hybrid APC
Etwa 450 Artikel pro Jahr werden durch Berner Autoren bei Wiley publiziert.
Geht man hier auch von einer Standard-Hybrid-APC von 3000 USD/CHF („Online Open„) aus, dürften die Subskriptionskosten für die Gold OA-Transformation nicht reichen:
Wiley: 270 Artikel * 3000 CHF = 810'000 CHF (Subskriptionskosten 2014: 370'000 €)
Auch wenn man mit der durchschnittlichen APC von $2220 rechnet, welche Wiley zurzeit bei seinen reinen OA-Journals anwendet, wäre eine Transformation immer noch gut 200’000 CHF teurer.
Wiley: 270 Artikel * 2220 CHF = 594'000 CHF (Subskriptionskosten 2014: 370'000 €)
Fazit
Die hier erstmalig überschlagsmässig vorgenommene Verbindung zwischen Subskriptionskosten und Publikationsverhalten lässt vermuten, dass die Universität Bern bei einem Wechsel zu den von den drei Verlagen gesetzten APCs Mehrkosten von gut 900’000 CHF entstehen würden.
Eine kostenneutrale Transformation wäre mit einer durchschnittlichen APC von 1750 EUR erreichbar.
Wiley + Elsevier + Springer : 960 Artikel * 1750 EUR = 1.7 Mio EUR (Subskriptionskosten 2014: 1.7 Mio EUR)
Letztlich auch eine Motivation für die Universität Bern, mehr Gold OA über die Subskriptionverhandlungen erwirken, müssten die sehr bescheidenen Green-OA Werte auf BORIS sein. Nur gerade 13% (193 von 1535) aller im Jahre 2014 auf BORIS verzeichneten Zeitschriftartikel der Verlage Elsevier, Springer und Wiley sind dort tatsächlich frei verfügbar. Trotz verpflichtendes Mandat.
Dies liegt nicht zu letzt daran, dass die Grossverlage, wie kürzlich Elsevier, den freien Zugang auch über Repositories mit allen gerade noch erträglichen Mitteln zu verhindern suchen.
Es ist deshalb schwer verständlich, wieso die Universität Bern ohne eigene Forderungen (wie z.B. die berechtigte Verrechnung von Subskriptions- und Publikationskosten wie hier aufgezeigt) mit diesen Verlage Jahr für Jahr und steigendem Umsatz Geschäfte macht. Geschäfte, die im Jahre 2014 immerhin 1.7 Mio € betrugen (für Zeitschriften alleine).
Deklaration auf simap.ch
Man muss der Universität Bern übrigens zugute halten, dass sie – wie es scheint als einzige Universität in der Schweiz – die freihändige Vergabe der grossen Lizenzen (= über 230’000 CHF) auf der entsprechenden Plattform ordnungsgemäss nach öffentlichen Beschaffungsrecht deklariert hat. Lustigerweise bin ich selber erst nach meiner Anfrage bei der Universität zufällig darauf gekommen. Während des gesamten Beschwerdeverfahren hat mich auch niemand von der Universtität Bern darauf hingeweisen.
Korrektur 12.1.2016
Dank eines Hinweises der OA-Team der UZH bin ich auf einen wesentlichen Fehler in meinem Auswertungsscript der Repository-Daten gekommen. Auch die Universität Bern publiziert weit mehr Publikationen bei Springer, Wiley und Elsevier als ursprünglich hier dargestellt. Die frühere Einschätzung, dass auch die Universität eine kostennneutrale Transformation zu den Verlags-definierten APCs hinbekäme muss enstprechend revidiert werden. Für eine kostenneutrale Publikation bei der Universität Bern müssten mit einer APC von 1750 EUR gerrechnet werden.
Hinweis
Die für die Grafiken verwendeten Daten sind in diesem Google Spread Sheet zugänglich.
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Lieber Christian
Vielen Dank für die Beschaffung und Veröffentlichung der Daten zu den Zahlungen. Ich finde es richtig und wichtig, dass diese Zahlen publiziert werden.
Deine Berechnungen zu den Kosteneinsparungen bei Umstieg auf OA können wir jedoch nicht nachvollziehen. Der Anteil der frei zugänglichen Publikationen von Springer, Wiley und Elsevier in BORIS stimmt zwar, aber die Anzahl der Publikationen für die drei Verlage ist insgesamt höher. Das wirkt sich natürlich auf die von dir aufgestellte Behauptung aus, dass die Universität Bern mit einer Kündigung der Subskriptionen der UB kostenneutral auf Open Access umsteigen könnte. Hier die Neuberechnung mit den korrigierten Zahlen für Zeitschriftenartikel:
Elsevier
605 Publikationen im Jahr 2014. Das macht, wenn man deine Formel verwendet, 605 x 0.6 x 2‘700 = 980‘100 CHF. Das entspricht 903‘584 € – was knapp unter den Lizenzkosten von 930‘000 € liegt.
Springer
344 Publikationen im Jahr 2014: 344 x 0.6 x 3‘000 = 619‘200 CHF = 570‘860 €. Damit würden die Hybrid-APC-Kosten ca. 43% über den Subskriptionskosten von 398‘000 € liegen.
Wiley
307 Publikationen im Jahr 2014. 307 x 0.6 x 3000 = 552‘600 CHF = 509‘459 €. Das ist deutlich (38%) mehr als die tatsächlich bezahlten 370‘000 €.
Das zeigt, dass deine Behauptung nicht stimmt. Selbst wenn man davon ausgeht, die Universität Bern würde deinen Vorschlag wirklich in Erwägung ziehen und auf den Zugriff auf Closed-Access-Publikationen verzichten, um mit dem eingesparten Geld Hybrid APCs zu bezahlen, wäre eine kostenneutrale institutionelle Transformation zu Gold OA mit dem gegenwärtigen Preisniveau für Hybrid APCs nicht möglich. 1. Wären die Hybrid APCs höher als die bisher gezahlten Subskriptionskosten. 2. Müsste der Zugriff auf Publikationen, die nicht Open Access zugänglich sind, dennoch bezahlt werden.
Lieber Dirk
Dank dir für diesen Kommentar. Durch den gestrigen Hinweis des OA-Teams der UZH bin ich inzwischen auch auf den Fehler in meiner Berrechung gestossen und habe entsprechende Korrekturen vorgenommen. Tatsächlich werden durch AutorInnen der UniBe weit mehr Artikel bei Elsevier, Springer und Wiley publiziert als hier ursprünglich dargestellt und wohl auch noch etwas mehr als du in deinem Kommentar erwähnst (Achtung: Verlagsnamen können in BORIS unterschiedlich erfasst sein aufgrund Societies, Imprints und Verlagswechsel). Dies ändert natürlich die Aussage bezüglich kostenneutraler Transformation erheblich, als das sie tatsächlich nicht mit den von den Verlagen definierten APC vollständig möglich ist wie von mir fälschlicherweise behauptet.
Letzlich möchte ich die die Überschlags-Rechnung auch eher als Denkanstoss für diese Richtung verstanden haben als eine genaue Rechnung. Denn es gibt es nachwievor viele Faktoren für die wir wenig Gespür und noch weniger Evidenz haben um wirklich solide Rechnungen aufstellen zu können.