In der Schweiz läuft Ende 2017 die konsortiale Lizenz zu den Springer Zeitschriften aus. Bei der aktuell laufenden Neuverhandlung bietet sich für die Schweizer Hochschulen nun die Möglichkeit den nationalen Gold-OA Anteil ab 2018 schlagartig um etwa 6% zu erhöhen. Um diese Chance für OA zu realisieren, müssen die Schweizer nicht einmal besonders kreativ sein. Wie ich im Folgenden aufzeige, reicht es schon, wenn sie von Springer die gleichen Konditionen einfordern, welche für die niederländischen Universitäten schon seit Jahren gelten.
Niederländisches Springer-Agreement als Vorbild
Dem kürzlich öffentlich gewordenem Agreement der niederländischen Universitäten von 2015-2016 kann man nämlich folgende Zahlen für 2015 entnehmen:
- Publishing Fees: € 2.63m
- Reading Fees: € 200k
In der Übersicht von der VSNU zu den Zahlungen pro Verlag/Universität werden die gesamten Ausgaben an Springer 2015 mit € 3m beziffert. Ich vermute dies hat mit dem Hinzurechnen der Mehrwertsteuer zu tun.
Nun kann man auf openaccess.nl sehen, dass 2015 ingesamt 1927 OA-Artikel mit niederländischen Corresponding-Authors bei Springer mit OA publiziert wurden.
Wenn wir also nun die im Vertrag vereinbarten Publikationskosten von € 2.63m nehmen und diese durch 1927 Artikel dividieren, erhalten wir eine durchschnittliche APC von € 1365. Zum Vergleich: Die durchschnittliche APC bei BMC/SpringerOpen ist laut OpenAPC € 1496.
Niederländische Konditionen im Schweizer Kontext
Gemäss einer Analyse der Publikationen in Scopus wurden im Jahre 2015 bei Springer insgesamt 2789 Papers von AutorInnen mit Schweizer Affiliation publiziert. Dies entspricht 9% des gesamt schweizerischen Outputs. Mit dem üblichen „Corresponding Author“-Anteil von 65% kommt man dabei auf 1813 Papers, welche durch die Schweiz zu finanzieren wären. Multipliziert man diese mit der niederländischen APC kommt man auf voraussichtliche Publikationskosten von € 2.47m.
1813 Schweizer Corresponding Author Papers * € 1365 APC = € 2.47m
Rechnet man dann noch die zusätzliche Reading-Fee von 200k EUR und eine Mehrwertsteuer von 8% (= € 214k) dazu, ergeben sich Kosten von insgesamt € 2.88m.
Dies wäre der Betrag, den die Schweizer Hochschulen zu bezahlen hätten, damit ihre Angehörigen einerseits den bisherigen Zugang zu den laufenden Closed-Access Inhalten hätten, und anderseits als „Corresponding Authors“ automatisch mit Gold OA und CC-BY Lizenz bei Springer publizieren.
Teurer oder günstiger als aktuelle Subskriptionskosten?
Bislang gibt es noch keine offizielle Angabe, was im Jahre 2015 alle Schweizer Hochschulen für Springer Zeitschriften bezahlt haben. Mit den Zahlungsdaten, welche über Öffentlichkeitsgesetz-Anfragen bekannt geworden sind, lässt sich jedoch näherungsweise eine Zahl ableiten. Aufgrund der Heterogenität der erhaltenden Daten (in CHF oder EUR, mit und ohne Mwst, nach Zahlungsjahr oder Abo-Jahr, mit und ohne Backfiles, Rückgriff auf Jahr 2014 bei HBZ und EPFL) besteht natürlich eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Genauigkeit. Dennoch ergibt sich eine Gesamtsumme von mindestens € 2.8 m.
Dabei fehlen die Zahlungen der mittelgrossen Universität Basel und der kleinen Universität Luzern. Die beiden Hochschulen wollen diese Zahlungen nicht bekanntgeben und juristisch lässt sich Transparenz zurzeit nicht durchsetzen (Siehe Bundesgerichtsurteil zu Basel und Antwort aus Luzern). Auch noch nicht aufgeführt sind die Zahlungen der Fachhochschulen, da die relativ sehr geringen Ausgaben nicht klar auf den Medientyp Zeitschriften aufgeteilt werden können.
Die wohl insgesamt etwa € 3 Millionen Subskriptionskosten für Springer Journals reichen somit aus, um bei Springer ohne zusätzliches Geld OA mit CC-BY Lizenz für die eigene Artikelproduktion zu erwirken.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt.
Das niederländische Beispiel (inkl. Musterklauseln für den Vertrag) existiert. An Geld mangelt es nicht. Und die Zielvorgaben sind auch da: 100% OA und bis 2020 (SNF) und bis 2024 (swissuniversities).
Was vermutlich noch fehlt, ist der Wille von Springer bzw. heute ja SpringerNature, den Schweizer die gleichen Konditionen zu gewähren wie den Niederländern. Und wie man so hört, möchte SpringerNature tatsächlich nicht in Verhandlungen über OA für die Schweiz eintreten, da man angeblich stark mit Verhandlungen in anderen Ländern, insbesondere Deutschland (DEAL) ausgelastet sei.
Hoffentlich erkennen die Verantwortlichen in der Schweiz, wie unglaublich dreist eine solche Antwort ist. Das niederländische Modell ist sehr einfach und kann von SpringerNature in den verbleibenden vier Monaten für die Schweiz adaptiert werden. Etwas Wille und drei zusätzliche Seiten im Vertrag, sind alles was es braucht.
Wenn dieser Wille bei SpringerNature nicht vorhanden ist, sollten die Schweizer Verantwortlichen die Konsequenzen daraus ziehen und den Lizenzvertrag nicht erneuern.
Man darf SpringerNature (und die Angsthasen in den eigenen Reihen) durchaus darauf aufmerksam machen, dass der Download aus Sci-Hub für den privaten Gebrauch in der Schweiz legal ist. Und gemäss einer neueren Analyse von Himmelstein et al. sind inzwischen 89.4% aller Zeitschrifteninhalte von SpringerNature auf Sci-Hub verfügbar.
Pingback: Erreicht die Open Access-Bewegung auch bald die Rechtswissenschaften?
Pingback: Erreicht die Open Access-Bewegung auch bald die Rechtswissenschaften? – Bibliotheksblog