Transparenz bei Subskriptionskosten in der Schweiz: Bilanz nach vier Jahren

Vor vier Jahren, am 23. Juni 2014, habe ich die Schweizer Hochschulbibliotheken nach ihren Ausgaben an die drei grossen Verlage Elsevier, Springer und Wiley angefragt. Die Antworten waren ernüchternd. Bis auf die Tessiner Universität (USI) war keine Hochschule bereit die Zahlen offenzulegen. Mit viel Unverständnis nahm ich den juristischen Kampf für die Transparenz dieser Kosten auf. Updates und Dokumente dieses andauernden Unterfangen habe ich jeweils hier im Blog verlinkt.

Juristische Bilanz

Bislang musste ich bei 14 Institutionen Beschwerde einreichen. In 11 Fällen (Uni Bern, ZB Zürich, Hauptbibliothek Uni Zürich, ZHAW, ETHZ, EPFL, Lib4RI, Uni Genf, Uni Fribourg, Uni Lausanne, Bibliothek am Guisanplatz) stellte sich in teils mehrjährigen Verfahren heraus, dass der Informationszugang widerrechtlich verhindert wurde. Zwei Fälle in St. Gallen (Uni und FH) sind noch hängig. Lediglich im Fall Basel habe ich vor Bundesgericht verloren.

Mehrheitlich kann man deshalb sagen, dass in der Schweiz die bisher leichtfertig unterzeichneten Vertraulichkeitsklauseln keine absolute Sperrwirkung haben und die bezahlten Summen alleine keine objektiven Geschäftsgeheimnisse der Verlage darstellen.

Finanzielle Bilanz

Für alle Rekurse habe ich bisher 22’043 CHF Gerichts- und Anwaltskosten aufgewendet. Durch das Crowdfunding, weiteren Spenden und Entschädigung durch die Gerichte kamen 6’927 CHF wieder zurück. Insgesamt musste ich somit für das ganze Unterfangen persönlich 15’116 CHF bezahlen. Dazu kommen natürlich Hunderte von Stunden, die ich für das Schreiben von Rekursen und das Bestreiten von Schlichtungen aufwenden musste.

Meine ernüchternde Erfahrung insbesondere aus dem Rekurs gegen die Universität Genf: Selbst wenn man letztlich vor Gericht vollständig Recht bekommt, werden einem nicht automatisch die entstandenen Auslagen zurückerstattet. Es überwiegt auch die bittere Erkenntnis, dass man als Bürger ökonomisch immer verliert, wenn man gegen die Verwaltung den juristischen Weg einschlägt. Denn der Aufwand, der durch Fehlentscheide von gut bezahlten Juristinnen oder Führungspersonen in der Verwaltung verursacht wird, geht immer auf Staatskasse und letztlich wieder auf die Kosten der Steuerzahlenden.

Bilanz zu den erhaltenen Daten

Gerne möchte ich einmal zu den initialen Auswertungen (Uni Bern, Uni Zürich, ETHZ) eine Übersicht zu den Gesamtdaten machen und diese in Vergleich zu anderen Ländern setzen. Doch dies erweist sich als schwierig, da ich immer noch diverse grundsätzliche Lücken bestehen (Universität Basel, Hochschule Luzern, St. Gallen) und ich auch von einigen Hochschulen inzwischen keine aktualisierten Daten mehr erhalte ohne Tausende von Franken Gebühren zu bezahlen.

Dennoch zeigen die ersten erhalten Daten, insbesondere auch die „offizielle“ Datenerhebung des SNF und swissuniversities, dass in der Schweiz weit mehr für Zeitschriften bezahlt wird als in vergleichbaren Ländern. Eine Umstellung zu Open Access, selbst zu den aktuellen Preisen der Verlage, würde die Schweiz mit einem Wechsel zu OA massiv Geld sparen.

Bilanz für Open Access

Noch aber hat sich bei meinem eigentlichen Anliegen „Open Access“ in der Schweiz nichts wirklich getan. Obwohl ich am Beispiel Springer erstmalig öffentlich aufzeigen konnte, dass die Schweizer Bibliotheken im Vergleich zum Ausland schon massiv schlechtere Konditionen ohne Open Access haben, entschieden sich die Verantwortlichen im Jahre 2018 weiterhin Springer und dem klassischen Modell die Treue zu halten.

Immerhin ist inzwischen von swissuniversties eine Open Access Strategie geschaffen worden. Bis 2024 sollen alle Publikationen von Schweizer Forschenden frei zugänglich sein.

Ebenfalls gibt es erstmals eine definierte Strategie für die kommenden Verhandlungen mit den Verlagen Elsevier, Springer Nature und Wiley. Darin ist nun auch endlich verankert, dass keine Vertraulichkeitsklauseln mehr akzeptiert werden:

Die Lizenzverträge werden aus öffentlichen Geldern bezahlt. Deren Inhalte sollten entsprechend ebenfalls öffentlich zugänglich sein. Gesellschaftlich werden Vertraulichkeitsklauseln nicht mehr akzeptiert.

Es wird zu testen sein, ob dem so sein wird und die Verträge aktiv offengelegt werden.

Bilanz Öffentlichkeitsprinzip

Das Öffentlichkeitsprinzip und die dazugehörigen Gesetze sind in meinen Augen eine grosse rechtsstaatliche Errungenschaft und gewissermassen auch eine Messlatte für den Stand einer Demokratie. Viele dieser Gesetze sind noch jung und die (Rechts-)Praxis ist noch nicht gefestigt. Meine Anstrengungen haben dazu beigetragen das Öffentlichkeitsprinzip mindestens in der Bibliotheksbranche und dem Hochschulbereich bekannt zu machen.

Mit der zunehmenden Bekanntheit ergeben sich aber auch neue Probleme. So entdeckte man an der ETH-Bibliothek, dass man den Sinn des Öffentlichkeitsprinzips mit hohen Gebührenforderungen aushebeln kann. So forderte die ETH-Bibliothek auf meine zweite Anfrage nach aktualisierten Daten eine Gebühr von 4000 CHF. Dies fand man an der Universität St. Gallen inspirierend und verlangte plötzlich auch 3000 CHF. Es folgte die Hauptbibliothek der Universität Zürich, welche in einer zweiten Runde gar 4250 CHF für die Herausgabe verlangte.

Rechtlich komme ich da zurzeit nicht weiter, weil die meisten Öffentlichkeitsgesetze tatsächlich Gebühren als Option vorsehen. Zumindest auf Bundesebene gibt es schon seit längerem einen politischen Vorstoss dies zu ändern. Ausgelöst durch die Gebührenforderung der Hauptbibliothek der Universität Zürich ist nun auch im Zürcher Kantonsrat eine ähnliche parlamentarische Initiative aufgegleist.

Persönliche Bilanz

Es war nicht immer ganz einfach in diesen vier Jahren. Meine Anfragen und Beschwerden, sowie meine Berichterstattung hier auf dem Blog missfielen gerade denjenigen, welche den bisherigen Kurs mit den Verlagen stark mitbestimmt haben oder leichtfertig mitgegangen sind. Anstatt Verantwortung zu übernehmen und diesen Kurs zu korrigieren, versteiften sich einige Akteure darauf mir persönlich Steine in den Weg zu legen. In einem Fall ging das sogar soweit, dass der Vizepräsident einer Hochschule bei meinem Arbeitgeber vorstellig wurde und mich beruflich zu diskreditieren suchte. Neben solchem Machtmissbrauch habe ich auch viel Unvermögen, Unsachlichkeit und Opportunismus erlebt, so dass ich heute gegenüber der Verwaltung viel kritischer eingestellt bin, als ich es eigentlich sein möchte.

Umgekehrt habe ich von vielen Leuten Zusprache und tolle Unterstützung erhalten. Auch bei den wirklich unabhängigen Beschwerdeinstanzen, insbesondere von den Öffentlichkeitsbeauftragten, hatte ich den Eindruck, dass ein grosses Interesse an einer sorgfältigen Prüfung vorhanden war und man mich mit meinem Anliegen ernst nahm.

Insgesamt bleibt dieses „Projekt“ eine wichtige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Für Überzeugungen auch gegen viel Widerstand einzustehen, hat viel Erfüllendes. Zu sehen, dass man mit Risikobereitschaft, Engagement und die Berufung auf die gegebenen Rechte durchaus etwas in der realen Welt bewegen kann, ist letztlich viel befriedigender, als diese Erfahrung in den virtuellen Welten von Games und Serien nachzuerleben (was ich auch gerne tue).

Natürlich wäre es schön gewesen, wenn die Bibliotheken und Hochschulen – wie in Finnland – nach dem ersten Urteil schneller zu einer konstruktiven Sachlichkeit zurückgefunden hätten. Die Energie, die selbst nach den ersten klaren Urteilen immer noch in die Verhinderung von Transparenz und gegen meine Person gesteckt wurde (und sogar immer noch wird), wäre besser direkt in den anstehenden Kampf gegen die Grossverlage geleitet worden.

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