„Kampf gegen wissenschaftliches Fehlverhalten aufnehmen“

Unter diesem Titel hat die SPD gestern einen Antrag (17/5758) in den Bundestag eingebracht. Hintergrund sind die aktuellen Plagiatsaffären um zu Guttenberg, Koch-Mehrin und Saß. In dem Papier (PDF) wird die „Verantwortung des Bundes für den Ruf des Forschungsstandortes Deutschland“ betont. Nach Vorstellung der SPD-Fraktion soll die Bundesregierung zehn Maßnahmen zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis umsetzen. U.a. fordert die SPD:

  • eine Initiative der Bundesländer „um bundesweite Kriterien zur Definition, zum Umgang mit und zur Ahndung von Fällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu definieren“,
  • die Prüfung, „ob die Strafen für wissenschaftliches Fehlverhalten […] vereinheitlicht werden können“,
  • die „Entwicklung von Anti-Plagiatssoftware zu unterstützen und ihren verstärkten Einsatz zu befördern“.

Darüber hinaus soll die Leopoldina beauftragen werden, eine Stellungnahme zur „Bewertung von und Sanktionen bei wissenschaftlichem Fehlverhalten“ auszuarbeiten. Leider berücksichtigt auch die SPD nicht das Potenzial von Open Access zur Aufdeckung und Vermeidung von Plagiaten und Fälschungen. In weiteren Maßnahmen wird der Blick auf die europäische und internationale Ebene gelenkt.

Im europäischen Kontext muss auf zwei interessante Publikationen der European Science Foundation (ESF) zur Qualitätssicherung in der Wissenschaft hingewiesen werden, die bisher in Deutschland nur wenig Beachtung gefunden haben.

Im April veröffentlichte die ESF gemeinsam mit dem Akademien-Verbund ALLEA (All European Academies) einen „European Code of Conduct for Research Integrity“ (PDF). Der Code wurde bereits 2010 auf der Second World Conference on Research Integrity vorgestellt und ist das Ergebnis einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der beiden Organisationen. Eine Website der ESF informiert über die Entstehungsgeschichte und vorhergehende Publikationen.

Bereits im März veröffentlichte die ESF einen „European Peer Review Guide“ (PDF). Dieser ist auf Basis einer ebenfalls veröffentlichten Studie entstanden ist. Auszug aus der Pressemitteilung zur Veröffentlichung:

„Peer review is an internationally recognised way of assessing the quality and excellence in all research. The European Peer Review Guide will help all research funding organisations to learn more about different peer review processes, to perform evaluations more efficiently and with better quality,” said Dr Risto Vilkko, Science Adviser for Finland’s Research Council for Culture and Society, who contributed to the guide. The guide is based on a comprehensive survey that benchmarked and identified good practice amongst the many different systems and criteria currently in use in European countries. This includes research funding and performing organisations, councils, private foundations and charities, which all have roles in evaluating research applications.”

Nicht weniger Interessant ist, dass sich das Science and Technology Committee des britischen Parlaments heute in einer Anhörung mit dem Thema Peer Review befasst hat. Eine Videoaufzeichnung der Anhörung ist online.

DFG fördert Informationsinfrastrukturen für Forschungsdaten

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert in ihrer ersten Ausschreibung  zum Thema Forschungsdaten 27 Projekte mit einem Fördervolumen von insgesamt 9,9 Millionen Euro. Auszug aus der Pressemitteilung:

„In den nun anlaufenden Vorhaben sollen in enger Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Fachgebieten deren spezifische Anforderungen an das Datenmanagement aufgegriffen und mithilfe informationsfachlicher Methoden Systeme zur Speicherung, Referenzierung und Nachnutzbarkeit von Forschungsdaten aufgebaut werden. Ziel ist die Etablierung bedarfsgerechter und nachhaltiger Informationsdienstleistungen, die helfen, mittels standardisierter Methoden langfristig den Zugang zu Forschungsdaten zu ermöglichen.“

Eine Übersicht (PDF) der bewilligten Anträge gibt einen lesenswerten Überblick über die Vielfalt der Projekte. Eine Visualisierung der Projektbeschreibungen deutet die „Buzzwords“ der Projekte an (und zeigt die Schwächen von Wordle):

Einen Überblick über aktuelle Projekte und Initiativen rund um das Thema bieten die Folien des JISC MRD International Workshop aus dem März.

In diesem Kontext auch der Hinweis auf die Mailingliste „Umgang mit Forschungsdaten“ auf der diese und andere Entwicklungen kommuniziert und diskutiert werden können.

Plädoyer für Open Access auf DRadio

Marco Winkler vom Universitätsverlag Potsdam hat mich auf das hörenswerte Radiofeuilleton von Jörg Kantel zum Thema Open Access aufmerksam gemacht. Kantels Forderung „Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen im Internet frei verfügbar sein!“ wurde heute Morgen auf  Deutschlandradio Kultur gesendet und ist als Podcast nachhörbar.

Kantel bloggt als Schockwellenreiter und ist am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte tätig. Das Institut hat Anfang des Jahres mit weiteren MPIs eine „Edition Open Access“ gestartet. In der Edition werden Publikationen  zur Wissenschaftsgeschichte hybrid (print/open access) publiziert.

In diesem Zusammenhang auch der verspätete Hinweis auf weitere Interviews zum Thema Open Access: Die Zeitschrift Buchreport hat Bettina Goerner von Springer befragt  (14.04.2011) und ich habe, im Kontext meiner Arbeit für die Helmholtz-Gemeinschaft, dem Springer-Newsletter „Society Zone“ (04.04.2011) ein paar Fragen beantwortet.

Foto: MPIWG (CC: BY-NC-SA)

„The architecture of access to scientific knowledge: just how badly we have messed this up“

Dies ist der Titel eines sehenswerten Vortrags von Lawrence Lessig am CERN. Eine Videoaufzeichnung ist online:

Mit Blick auf die laufenden Diskussion hierzulande, ist der Klick auf den Abschlussbericht des Google-Collaboratory  „Internet & Gesellschaft“ sowie der Blick auf die Statements zum Dritten Korb bei iRights.info empfohlen.

LINKE fordert unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht

Nachdem die SPD im März bereits einen Gesetzentwurf für eine Zweitveröffentlichungsrecht in den Bundestag eingebracht hat, widmet sich die Linksfraktion nun in einem eigenen Antrag (17/5479) dem Thema. Unter dem Titel „Wissenschaftliche Urheberinnen und Urheber stärken – Unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht einführen“ fordert die LINKE die gesetzliche Verankerung von Open Access. Nach den Vorstellungen der LINKE soll das Zweitveröffentlichungsrecht folgende Bedingungen berücksichtigen:

  • „Das Recht erstreckt sich auf alle wissenschaftlichen Publikationen, die überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert worden sind.“
  • „Eine Zweitveröffentlichung wird nicht nur in nichtkommerziellen, sondern auch in kommerziellen Publikationen ermöglicht.“
  • „Die Sperrfrist, nach der das Zweitverwertungsrecht in Anspruch genommen werden kann, beträgt höchstens sechs Monate.“
  • „Das Recht gilt auch für eine formatgleiche Zweitveröffentlichung, deren Ursprung in der Erstveröffentlichung jedoch anzugeben ist.“
  • „Vertragliche Vereinbarungen, die das Zweitveröffentlichungsrecht einschränken, sind unwirksam.“

Der Bundestag hat dazu eine kurze Meldung veröffentlicht.

DHV: Empfehlungen zum wissenschaftlichen Publizieren

Vor dem Hintergrund der Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg gewinnt die Diskussion um das wissenschaftlichen Publikationsverhalten an Relevanz.

Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat am 14.04.2011 disziplinübergreifende Empfehlungen zum wissenschaftsadäquaten Publikationsverhalten veröffentlicht. In den Empfehlungen werden die „Rechtsgrundlagen der Autorenbenennung“ behandelt und“ wissenschaftsethische Publikationsempfehlungen“ formuliert. Die DHV-Empfehlungen sind online.

Weiter fordert der DHV die Abgabe von Qualifikationsarbeiten in digitaler Form:

„In einer Resolution, die die Delegierten auf dem 61. DHV-Tag verabschiedeten, werden die Hochschulen aufgefordert, Studierende, Doktoranden und Habilitanden qua Prüfungsordnung dazu zu verpflichten, ihre Arbeiten auch in digitaler Form abzugeben, damit Texte besser und schneller auf Übereinstimmungen mit fremden Texten abgeglichen werden können.“

Dabei macht es sich der DHV leider etwas einfach in dem er a) „Diplomarbeitsbörsen“ verdächtigt Plagiarismus zu fördern und  b) das Potenzial von Open Access zur Plagiaterkennung nicht berücksichtigt.

Darüber hinaus werden in der aktuellen DIE ZEIT (14.4.2011 Nr. 16) die Ergebnisse einer Veranstaltung der Robert Bosch Stiftung aus dem November 2009 aufgewärmt. In dem Thesenpapier (PDF) zu der damaligen Veranstaltung werden sieben „Vorschläge zur Sicherung der Integrität und Qualität der Wissenschaft“ formuliert. U.a. heißt es dort:

„Die Autorschaft für eine wissenschaftliche Publikation bedingt substanzielle inhaltliche Anteile an der zu veröffentlichenden Arbeit. Die Autorschaft ist heute eine Währung der Wissenschaft geworden, die mit Geld belohnt wird. Das System der leistungsorientierten Mittelvergabe sollte daher die tatsächlichen Beiträge eines Autors prüfen und lediglich strategische Autorschaften ohne verantwortliche inhaltliche Beteiligung ächten.“

SCOAP3: Start der operativen Phase

Das Sponsoring Consortium for Open Access Publishing in Particle Physics (SCOAP3) geht in die operative Phase. Ziel von SCOAP3 ist die Überführung der Kernzeitschriften der Hochenergiephysik in Open Access. Bereits über 70 Prozent der benötigten 10 Millionen Euro sind zugesagt.

Auf dem „decision-making meeting“ am 06.04.2011 wurde das weitere Vorgehen mit den beteiligten Ländervertretern abgestimmt. Das Meeting wurde mit einer Grußbotschaft von Neelie Kroes, EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, eröffnet. Ein Video und ein Transkript (PDF) ihrer Rede sind online. Auszug:

„We all know that change in scientific publishing is both possible and inevitable. But what should each actor do today to help make it happen?
SCOAP3 says: Let’s go all the way in one step, let’s get together and convert the publications of a whole scientific field to Open Access. This is a radical approach and I applaud it.
You are pioneers. Your success will be more than just a proof of concept. It will show us a passable way into the future of scientific publishing that others can follow. SCOAP3 is key.“

Darüber hinaus wurde das weitere Vorgehen mit den potenziellen Verlagspartnern diskutiert. In Kürze wird nun die Ausschreibung gestartet.

Eine Video-Aufzeichnung der Veranstaltung ist online. Empfehlenswert ist insbesondere die Einführung von Salvatore Mele (siehe Screenshot). In seinem Vortrag beschreibt er u.a. die Entwicklung des Publikationswesens in der Physik während der letzten 60 Jahren.

„Sammeln und teilen“

Unter diesem schönen Titel schreibt der Journalist Dirk Asendorpf in der aktuellen Ausgabe der ZEIT (Nr. 15, S. 42) über das Publishing Network for Geoscientific & Environmental Data (PANGAEA).

Der Artikel beschreibt die Aktivitäten der Kolleginnen und Kollegen am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) und am Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen (MARUM) rund um die dauerhaft Zugänglichkeit geowissenschaftlicher Forschungsdaten.

Der Artikel ist frei zugänglich.

Michael Nielsen über Open Science

Der australische Quantenphysiker Michael Nielsen, auf desen Buch „Reinventing Discovery: The New Era of Networked Science“ ich mich schon sehr freue, hat auf der TEDxWaterloo einen sehr empfehlenswerten Vortrag zum Thema Open Science gehalten.

Falls nicht bekannt:Die Essays von Nielsen zum Thema „The future of science“ sind sehr lesenswert.

(via Daniel Mietchen.)

Studie zur Vernetzung in der Wissenschaft

Die Royal Society hat eine interessante Studie zur Vernetzung und zur Zusammenarbeit von Wissenschaftlern veröffentlicht.

„Knowledge, Networks and Nations surveys the global scientific landscape in 2011, noting the shift to an increasingly multipolar world underpinned by the rise of new scientific powers such as China, India and Brazil; as well as the emergence of scientific nations in the Middle East, South-East Asia and North Africa. The scientific world is also becoming more interconnected, with international collaboration on the rise. Over a third of all articles published in international journals are internationally collaborative, up from a quarter 15 years ago.“ (Quelle)

Eine PDF-Version der Studie „Knowledge, networks and nations. Global scientific collaboration in the 21st century“ ist online. Darüber hinaus gibt es eine visuelle Aufbereitung zur internationalen Zusammenarbeit in den Jahren 1996-2008.