EU-Kommission verankert Open Access in Europa

Nach mehreren Konsultationen, in denen massive Zugangsbarrieren zu wissenschaftlichen Informationen konstatiert wurden, hat die Europäische Kommission heute eine umfassende Verankerung von Open Access im Europäischen Forschungsraum (ERA) angekündigt.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz stellten die EU-Kommissarinnen Neelie Kroes (Digitale Agenda) und Maire Geoghegan-Quinn (Forschung, Innovation und Wissenschaft) ein Kommuniqué an das Europäische Parlament (PDF) und eine Empfehlung an die EU-Mitgliedsstaaten (PDF) zur dauerhaften und offenen Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsdaten vor.

U.a.  informierten die EU-Kommissarinnen über die Open-Access-Policy im kommenden Forschungsrahmenprogramm HORIZON 2020: Alle Publikationen, die im Rahmen des Förderprogramms veröffentlicht werden, müssen in Open-Access- Zeitschriften veröffentlicht werden oder nach einem Embargo von zwölf bzw. sechs Monaten (je nach Förderprogramm) auf einem Repositorium zugänglich gemacht werden. Eventuell entstehende Publikationsgebühren bei der Veröffentlichung in Open-Access-Zeitschriften werden übernommen.

Weiter empfiehlt die Kommission den Mitgliedstaaten die deutliche Förderung von Open Access. Ziel der Kommission ist es, dass 2016 60% der Publikationen, die im Rahmen der öffentlich geförderten Forschung in Europa entstehen, ohne Barrieren zugänglich sind.

Bislang sind deutliche Unterschiede in der Umsetzung von Open Access in den Mitgliedstaaten zu beobachten. Spannend wird nun sein, welche Wirkung die Empfehlungen auf Deutschland haben. Der Blick auf die jüngsten Entwicklungen in Großbritannien und Dänemark zeigt die zunehmende Verankerung des Themas in der europäischen Wissenschaftspolitik.

Der offene Zugang zu wissenschaftlicher Information ist aus Sicht der Kommission nicht auf Textpublikationen beschränkt. Den Mitgliedstaaten wird nahegelegt auch die dauerhafte Zugänglichkeit von Forschungsdaten zu fördern. In der Empfehlung an die Staaten heißt es

“Define clear policies for the dissemination of and open access to research data resulting from publicly funded research. These policies should provide for: concrete objectives and indicators to measure progress; implementation plans, including the allocation of responsibilities (including appropriate licensing); associated financial planning.”

Es lohnt sich die Empfehlung und das Komuniqué zu lesen. Weiter finden sich auf der Website der Kommissarin Neelie Kroes eine Reihe von Videos, in denen sie mit prominenten Wissenschaftlern über Open Access spricht (Robbert Dijkgraaf, IAS, Günter Stock , Akademienunion & ALLEA,  Nobelpreisträger Harold Varmus, NCI). Folgendes Video fasst die Gespräche zusammen:

EU-Kommissarin Kroes: „Let’s make science open.“

Die Europäische Kommission hat diese Tage die Ergebnisse einer Konsultation zur Zugänglichkeit und Erhaltung wissenschaftlicher Publikationen und Forschungsdaten veröffentlicht (PDF).

Die Ergebnisse der Umfrage sprechen eine deutliche Sprache: 84 % der Befragten widersprechen der Aussage „there is no access problem to scientific publications in Europe“ zu. Desweiteren widersprechen 87 % der Aussage “there is no access problem for research data in Europe.”

An der Befragung haben sich 1.140 Personen aus 42 Ländern beteiligt. Der mit Abstand größte Teil der Antwortenden stammt aus Deutschland (422 Personen). Die Befragung thematisierte drei Handlungsfelder: a) Open Access zu wissenschaftlichen Publikationen, b) Zugänglichkeit wissenschaftlichen Daten und c) digitale Langzeitarchivierung.

In der Konsultation wurde auch die Rolle der Europäischen Kommission thematisiert. In der Umfrage wird dieser insbesondere Handlungsbedarf auf politischer Eben zugeschrieben („policy formulation at EU level“).

Neelie Kroes, die für die Digitale Agenda zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission machte heute in Rom deutlich, dass sich die Kommission dem Themenfeld annimmt. In einer Rede zur Eröffnung der Konferenz der Europäischen Akademien (ALLEA) sprach sie sich deutlich für Open Access aus: „let’s make science open.“

Weiter kündigte die Kommissarin Empfehlungen an die EU-Mitgliedstaaten an und betont, dass Open Access im kommenden Forschungsrahmenprogramm HORIZON 2020 umfassend verankert werden soll. In Zukunft sollen alle Publikationen, die im Rahmen der EU-Forschungsförderung entstehen im Open Access zugänglich gemacht werden. Bisher war nur ein Teil der Publikationen betroffen.

Update, 12.04.2012: Korrektur (Danke an Adrian Pohl!)

„Kampf gegen wissenschaftliches Fehlverhalten aufnehmen“

Unter diesem Titel hat die SPD gestern einen Antrag (17/5758) in den Bundestag eingebracht. Hintergrund sind die aktuellen Plagiatsaffären um zu Guttenberg, Koch-Mehrin und Saß. In dem Papier (PDF) wird die „Verantwortung des Bundes für den Ruf des Forschungsstandortes Deutschland“ betont. Nach Vorstellung der SPD-Fraktion soll die Bundesregierung zehn Maßnahmen zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis umsetzen. U.a. fordert die SPD:

  • eine Initiative der Bundesländer „um bundesweite Kriterien zur Definition, zum Umgang mit und zur Ahndung von Fällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu definieren“,
  • die Prüfung, „ob die Strafen für wissenschaftliches Fehlverhalten […] vereinheitlicht werden können“,
  • die „Entwicklung von Anti-Plagiatssoftware zu unterstützen und ihren verstärkten Einsatz zu befördern“.

Darüber hinaus soll die Leopoldina beauftragen werden, eine Stellungnahme zur „Bewertung von und Sanktionen bei wissenschaftlichem Fehlverhalten“ auszuarbeiten. Leider berücksichtigt auch die SPD nicht das Potenzial von Open Access zur Aufdeckung und Vermeidung von Plagiaten und Fälschungen. In weiteren Maßnahmen wird der Blick auf die europäische und internationale Ebene gelenkt.

Im europäischen Kontext muss auf zwei interessante Publikationen der European Science Foundation (ESF) zur Qualitätssicherung in der Wissenschaft hingewiesen werden, die bisher in Deutschland nur wenig Beachtung gefunden haben.

Im April veröffentlichte die ESF gemeinsam mit dem Akademien-Verbund ALLEA (All European Academies) einen „European Code of Conduct for Research Integrity“ (PDF). Der Code wurde bereits 2010 auf der Second World Conference on Research Integrity vorgestellt und ist das Ergebnis einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der beiden Organisationen. Eine Website der ESF informiert über die Entstehungsgeschichte und vorhergehende Publikationen.

Bereits im März veröffentlichte die ESF einen „European Peer Review Guide“ (PDF). Dieser ist auf Basis einer ebenfalls veröffentlichten Studie entstanden ist. Auszug aus der Pressemitteilung zur Veröffentlichung:

„Peer review is an internationally recognised way of assessing the quality and excellence in all research. The European Peer Review Guide will help all research funding organisations to learn more about different peer review processes, to perform evaluations more efficiently and with better quality,” said Dr Risto Vilkko, Science Adviser for Finland’s Research Council for Culture and Society, who contributed to the guide. The guide is based on a comprehensive survey that benchmarked and identified good practice amongst the many different systems and criteria currently in use in European countries. This includes research funding and performing organisations, councils, private foundations and charities, which all have roles in evaluating research applications.”

Nicht weniger Interessant ist, dass sich das Science and Technology Committee des britischen Parlaments heute in einer Anhörung mit dem Thema Peer Review befasst hat. Eine Videoaufzeichnung der Anhörung ist online.