PeerJ: Open-Access-Publizieren für eine Pauschalgebühr von 99 US-Dollar

Während über 11300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Zusammenarbeit mit Elsevier kündigen (davon rund 700 aus Deutschland), die Fakultät für Mathematik der Technischen Universität München gar alle Elsevier-Zeitschriften  „[a]ufgrund unzumutbarer Kosten und Bezugsbedingungen“ abbestellt und die Universität Harvard das Motto „move prestige to open accessvorgibt, startet mit PeerJ eine Open-Access-Publikationsplattform mit innovativem Geschäftsmodell.

Für eine einmalige Publikationsgebühr von 99 US-Dollar pro Publizierendem kann auf dieser Publikationsplattform veröffentlicht werden. Natürlich peer-reviewed. Hinter dem Konzept steckt kein Unbekannter: Kopf ist Peter Binfield, der PLoS ONE mit 13.798 Artikel im Jahr 2011 zum „Megajournal“ gemacht hat. Auszug aus der Selbstbeschreibung der von PeerJ:

„PeerJ is establishing a new sustainability model. Researchers will be able to purchase Lifetime Memberships, starting at just $99, giving them the rights to publish their articles in our peer reviewed journal. All published articles are made freely available to the public. Subscription fees made sense in a pre-Internet world, but now they just slow the progress of science. It’s time to change that.“

PeerJ will im Herbst 2012 online gehen. Auf Twitter gibt es bereits eine kleine graphische Preview des Editoral-Systems:

Sammelband zur Offenheit in der digitalen Welt erschienen

Ulrich Herb hat einen lesenswerten Sammelband zum Themenfeld Offenheit in Wissenschaft, Verwaltung und Bildung veröffentlicht. Zwölf Autorinnen und Autoren beleuchten Initiativen deren Ziel es ist, durch Nutzung des Webs, den Zugang zu Information und Wissen zu verbessern. Auszug aus dem Abstract:

„Initiativen, die Transparenz, offenen und möglichst einfachen Zugang zu Informationen, etwa in Wissenschaft und Verwaltung fordern und herstellen, gewinnen rasant an Bedeutung und beginnen sich immer weiter zu differenzieren. Die Forderungen reichen von freiem (im Sinne von kostenlosem) Zugang zu Informationen bis hin zu offenem Zugang analog den Prinzipien der Open Source Community. Manche Initiativen und Phänomene fokussieren stärker auf Transparenz als auf Offenheit, wie z.B. die Whistleblower-Plattform Wikileaks, während wiederum andere (z.B. Open Government oder Open Access zu Forschungsdaten) die Forderungen nach Transparenz und Offenheit kombinieren oder sich an der Bereitstellung nicht-proprietärer Informationen versuchen (wie das Geodaten-Projekt OpenStreetMap oder die Open Metrics Konzepte im Wissenschaftskontext).“

Gelungen ist der Ansatz des Herausgebers, der auch für dieses Blog schreibt, die unterschiedlichen Herangehensweisen der Initiativen in einem Buch zu vereinigen. So wird das Thema Open Data beispielsweise aus Perspektive der Wissenschaft und der öffentlichen Verwaltung behandelt. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Gegensätze der „Open Initiatives“ deutlich.

Das 220-seitige Werk „Open Initiatives: Offenheit in der digitalen Welt und Wissenschaft“ ist im Universitätsverlage der Universität des Saarlandes erschienen und open access zugänglich. Für das Bücherregal gibt es auch eine gedruckte Version.

Internet-Enquete diskutiert Bericht zu Open Access

Die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ hat heute auf ihrer 16. Sitzung den Zwischenbericht der Projektgruppe „Bildung und Forschung“ diskutiert. Dieser Bericht (PDF) behandelt u.a. das Themenfeld Open Access zu Textpublikationen und Forschungsdaten sehr umfassend.

Neben einer Einführung in das Thema wird die Entwicklung von Open Access beleuchtet. Darüber hinaus werden die Herausforderungen behandelt. Weiter wird ein Blick auf Aktivitäten im Ausland geworfen. Auszug aus der Einleitung:

„Eine zentrale Rolle für heutige Informationsinfrastrukturen spielen die Handlungsfelder Open Access und Open Data im Wissenschaftsbereich: Je nach Disziplin werden international aktuell bereits zwischen fünf und 30 Prozent der Veröffentlichungen Open Access publiziert. Führend sind dabei bislang die Naturwissenschaften. Weit verbreitet ist aber auch die Nutzung von Open Access: 90 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit geben in Umfragen eine Präferenz für Open Access an. Insbesondere sie, aber auch Bibliotheken, wissenschaftliche Verlage, Wissenschaftsorganisationen und Wissenschaftsinstitutionen stehen hier in Zukunft vor großen Herausforderungen.“

Handlungsempfehlungen zum Thema folgen.

EU-Kommissarin Kroes: „Let’s make science open.“

Die Europäische Kommission hat diese Tage die Ergebnisse einer Konsultation zur Zugänglichkeit und Erhaltung wissenschaftlicher Publikationen und Forschungsdaten veröffentlicht (PDF).

Die Ergebnisse der Umfrage sprechen eine deutliche Sprache: 84 % der Befragten widersprechen der Aussage „there is no access problem to scientific publications in Europe“ zu. Desweiteren widersprechen 87 % der Aussage “there is no access problem for research data in Europe.”

An der Befragung haben sich 1.140 Personen aus 42 Ländern beteiligt. Der mit Abstand größte Teil der Antwortenden stammt aus Deutschland (422 Personen). Die Befragung thematisierte drei Handlungsfelder: a) Open Access zu wissenschaftlichen Publikationen, b) Zugänglichkeit wissenschaftlichen Daten und c) digitale Langzeitarchivierung.

In der Konsultation wurde auch die Rolle der Europäischen Kommission thematisiert. In der Umfrage wird dieser insbesondere Handlungsbedarf auf politischer Eben zugeschrieben („policy formulation at EU level“).

Neelie Kroes, die für die Digitale Agenda zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission machte heute in Rom deutlich, dass sich die Kommission dem Themenfeld annimmt. In einer Rede zur Eröffnung der Konferenz der Europäischen Akademien (ALLEA) sprach sie sich deutlich für Open Access aus: „let’s make science open.“

Weiter kündigte die Kommissarin Empfehlungen an die EU-Mitgliedstaaten an und betont, dass Open Access im kommenden Forschungsrahmenprogramm HORIZON 2020 umfassend verankert werden soll. In Zukunft sollen alle Publikationen, die im Rahmen der EU-Forschungsförderung entstehen im Open Access zugänglich gemacht werden. Bisher war nur ein Teil der Publikationen betroffen.

Update, 12.04.2012: Korrektur (Danke an Adrian Pohl!)

Neues Zeitschriftenranking: Google Scholar Metrics

Über die Integration von bibliometrischen Indikatoren in Google Scholar wurde hier bereits berichtet. Gestern veröffentlichte der Suchmaschinengigant nun unter dem Namen „Google Scholar Metrics“ eine Top 100 Liste von wissenschaftlichen Zeitschriften, die nach „five-year h-index and h-median metrics“ gerankt sind. Auszug aus der Beschreibung des Angebots:

„Scholar Metrics currently cover articles published between 2007 and 2011, both inclusive. The metrics are based on citations from all articles that were indexed in Google Scholar as of April 1st, 2012. This also includes citations from articles that are not themselves covered by Scholar Metrics.“

Die beiden Indikatoren werden wie folgt definiert:

  • „h5-index is the h-index for articles published in the last 5 complete years. It is the largest number h such that h articles published in 2007-2011 have at least h citations each.“
  • „h5-median for a publication is the median number of citations for the articles that make up its h5-index.“

Die „Google Scholar Metrics“ wurden für folgende Sprachräume veröffentlicht: Englisch,  Chinesisch, Portugiesisch, Deutsch, Spanisch, Französisch, Koreanisch, Japanisch, Niederländisch und Italienisch. Das Ranking des deutschsprachigen Zeitschriftenmarktes wird von dem Springer-Journal „Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz“ angeführt. Im englischen Sprachraum führt Nature. (Ein wenig irritiert, dass mit RePEc und arXiv auch Repositorien indexiert sind.)

Update: Wie ich gerade entdeckt habe, gibt es auch im Google Scholar Blog einen Hinweis auf den Dienst. Dort wird auch auf die Möglichkeit von disziplinären Rankings aufmerksam gemacht.

US-Förderoffensive im Bereich „Big Data“

Unter dem  Motto „Big Data Across the Federal Government“  hat die US-Regierung heute eine 200 Millionen US-Dollar schwere Förderoffensive im Bereich „Big Data“ angekündigt. In der Pressemitteilung (PDF) zum Start der Big-Data-Initiative beschreibt der Direktor des Büros für Wissenschaft und Technologie (OSTP) des Weißen Hauses John P. Holdren das Anliegen:

„In the same way that past Federal investments in information technology R&D led to dramatic advances in supercomputing and the creation of the Internet, the initiative we are launching today promises to transform our ability to use Big Data for scientific discovery, environmental and biomedical research, education, and national security”.

Im Rahmen der Initiative haben sich mehrere US-Behörden auf die  Förderung von datenintensiven Forschungsprojekten und deren  Infrastrukturen verständigt.

Teil der Initiative ist das Projekt 1000 Genomes der National Institutes of Health (NIH) bei dem Genomdatenvia Amazon Web Services (AWS) frei zugänglich gemacht werden. Auszug aus der Pressemitteilung der HIH:

“The data now being released in the cloud include results from sequencing the DNA of some 1,700 people; the remaining 900 samples will be sequenced in 2012 and that data will be released to researchers as soon as possible. The new results identify genetic variation occurring in less than 1 percent of the study populations and which may make important genetic contributions to common diseases, such as cancer or diabetes.”

Ein Fact Sheet (PDF) informiert über die Fördermaßnahmen der einzelnen US-Behörden. Interessant ist, dass die Förderung nicht nur auf Forschung und Informationsinfrastruktur (wie z.B. Forschungsdaten-Repositorien) fokussiert ist, sondern auch Rahmenbedingungen und Anreize aufgreift. So finden sich auch Projekte zu Themenfeldern wie „data citation“ und „data sharing“ im Portfolio der Förderoffensive.

Stimmen zum Elsevier-Boykott

Angeregt durch einen Blogbeitrag von Fields-Medaille-Träger Tim Gowers startete der Mathematik-Doktorand Tyler Neylon am 23. Januar auf der Website „The Cost of Knowledge“ einen Boykottaufruf gegen der Verlagsriesen Elsevier. Bis heute sind über 7.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diesem öffentlichen Ruf gefolgt und haben die Zusammenarbeit mit dem Verlag eingestellt.

Ergänzend dazu veröffentlichte im Februar eine Gruppe von namhaften Mathematikern ein Statement (PDF), in dem das Anliegen des Boykottaufrufs erläutert wird. Auszug:

„What all the signatories do agree on is that Elsevier is an exemplar of everything that is wrong with the current system of commercial publication of mathematics journals, and we will no longer acquiesce to Elsevier’s harvesting of the value of our and our colleagues’ work.“

Unterzeichnet wurde dieses Statement auch von deutschen Professoren: Martin Grötschel (TU Berlin), Folkmar Bornemann (TUM) und Günter M. Ziegler (FU Berlin). Zieglers Beweggründe können in seinem Blog unter dem Titel „Boykottiert Elsevier! Ich boykottiere Elsevier!“ nachgelesen werden:

„Warum? Meine verkürzte Zusammenfassung: Elsevier macht unverschämte Profite mit unglaublich teuren Produkten, in steuerzahlerfinanzierter Arbeit von Wissenschaftlern erstellt werden, die dafür nicht bezahlt werden. Wissenschaftliche Ergebnisse sind aber einzigartig – und deshalb für die Forschung nicht ersetzbar. Damit werden die wissenschaftlichen Bibliotheken erpresst – wobei gerade Elsevier, der größte der Publikationskonzerne, seine Marktmacht ausspielt, um die Journale in riesigen Bündeln zu verkaufen, in denen auch viel Schrott drin ist. Das ist unmoralisch. Und durch Publikation ihrer Ergebnisse bei Elsevier tragen die Wissenschaftler indirekt dazu bei, das wissenschaftliche Publizieren zu ruinieren – und damit auch die Wissenschaft. Ein Skandal.“

Der Boykott hat ein breites Medienecho ausgelöst. Hier einige deutsprachige Reaktionen:

Hendrik Bunke hat auf seiner Website eine Liste von in Deutschland arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftern erstellt die den Boykott unterstützen.

Interessant wird sein welche Wirkung der Boykott auf die Geschäftsmodelle der Wissenschaftsverlage haben wird. Mit Open Access steht ein innovatives Publikationsmodell bereit, das es weiter umzusetzen gilt.

Nicht weniger spannend ist die Frage, welche Wirkung der Boykott und seine Begleitdiskussion auf die Open-Access-Gesetzesinitiativen in Deutschland (Zweitveröffentlichungsrecht) und in den USA (Federal Research Public Access Act) haben wird.

Videos der APE 2012 online

Vom 24. bis 25. Januar  fand in Berlin die diesjährige “Academic Publishing in Europe” (APE) statt. Die Konferenz bot wie in den letzten Jahren einen interessanten Überblick über die heißen Themen der Verlagsbranche. Die Videoaufzeichnungen der Vorträge sind jetzt auf River Valley TV online.

Persönlich fand ich insbesondere den Vortrag von Fred Dylla (AIP) interessant. Er beschreibt seine Sicht auf die politische Diskussion um Open Access in den USA. Dabei geht er auf das schlechte Image der Wissenschaftsverlage und den Research Works Act (RWA) ein.

Einen Schwerpunkt der Konferenz bildete das Thema Data Publishing. U.a. stelle Eefke Smit (STM), im Kontext des ODE-Projekts, die Sicht der STM-Verlage auf das Thema vor. Darüber hinaus wurden die Data Repositories DRYAD und PANGAEA vorgestellt.

Weiter präsentierte Daniel Mietchen (EvoMRI) auf der Konferenz die Kriterien eines „Journal of the Future„, die er gemeinsam mit Lambert Heller und mir diskutiert hat. (Weiterentwicklungen sind weiterhin sehr willkommen.)

Altmetrics-Studie: Neue Verfahren wissenschaftlicher Impact-Messung

Die niederländische SURFfoundation hat eine sehr lesenswerte Studie über innovative Verfahren der Impact-Messungen in der Wissenschaft veröffentlicht.  Unter dem Titel „Users, narcissism and control – tracking the impact of scholarly publications in the 21st century“ (PDF) beleuchtet die Studie Dienste und Verfahren, mit denen abseits des Impact-Faktors die Wirkung wissenschaftlicher Veröffentlichungen gemessen werden kann. U.a. werden Dienste wie Peer Evaluation, ScienceCard und PLoS Article-Level Metrics betrachtet.

Die Studie beschreibt das Potenzial dieser Dienste wie folgt:

„These allow the researcher to make some sort of limited self-assessment with respect to the response to his/her work. However, this does not mean that these technologies and databases can also legitimately be used in research assessments. For this application, they need to adhere to a far stricter protocol of data quality and indicator reliability and validity. Most new tools do not (yet) comply with these more strict quality criteria.“

Darüber hinaus werden folgende Empfehlungen gegeben:

„The report therefore advises to start a concerted research programme in the dynamics, properties, and potential use of new web based metrics which relates these new measures to the already established indicators of publication impact. Its goal would be to contribute to the development of more useful tools for the scientific and scholarly community. This programme should monitor at least the following tools: F1000, Microsoft Academic Research, Total-Impact, PlosONE altmetrics, and Google Scholar. The programme should moreover develop the following key research themes: concepts of new web metrics and altmetrics; standardisation of tools and data; and the use and normalisation of the new metrics.“

Im Januar erschien im Chronicle of Higher Education ein schöner Artikel („Scholars Seek Better Ways to Track Impact Online“) über die Diskussionen zu diesem Thema, die im Kontext des Altmetrics-Manifest geführt werden.

USA: Neue Gesetzesinitiative zur Förderung von Open Access

Der „Research Works Act“ , die Gesetzesinitiative, die nationalen Forschungseinrichtungen in den USA jegliches Engagement für den Grünen Weg des Open Access untersagen möchte, hat nun eine Gegenspielerin: den „Federal Research Public Access Act (FRPAA) of 2012“ (PDF).

Diese Gesetzesinitiative möchte nationale Forschungseinrichtungen verpflichten, Publikationen, die im Rahmen von geförderten Projekten entstehen,  spätestens sechs Monate nach Veröffentlichung in einem referierten Journal frei zugänglich zu machen.

Der Kongressabgeordnete Mike Doyle, der die Initiative vorantreibt beschreibt das Anliegen des FRPAA auf seiner Website:

„The Federal Research Public Access Act would require federal agencies with an extramural research budget of $100 million or more to make federally-funded research available for free online access by the general public, no later than six months after publication in a peer-reviewed journal.“

Weitere Informationen zum FRPAA finden sich im Blog von PLoS-Gründer Michael Eisen. Über die Geschichte des FRPAA informiert das Harvard Open Access Project.

Der „Research Works Act“ hat in den letzten Wochen einen großes Echo in der Wissenschaftsgemeinde ausgelöst:

Eine umfassende Darstellung der Diskussionen rund um den „Research Works Act“  liefert Wisspub-Autor Ulrich Herb unter dem Titel „Die Rückkehr des Kommunitarismus“ im Freitag.