Wissenschaftsrat empfiehlt die Publikation von negativen Resultaten

Der Wissenschaftsrat, das zentrale wissenschaftspolitische Beratungsgremium Deutschlands, hat auf seinen Frühjahrssitzungen in Stuttgart lesenswerte „Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität“ veröffentlicht. In der Pressemitteilung dazu heißt es:

„Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates widmen sich mit diesem Ansatz nicht nur gravierenden Fällen des Wissenschaftsbetrugs wie Datenfälschung oder Plagiaten, sondern betrachten auch die Grauzone verschiedener Formen nicht integren oder unverantwortlichen Verhaltens. Damit geht der Wissenschaftsrat weit über den in der öffentlichen Debatte bisher dominierenden Schwerpunkt von Plagiatsfällen in Doktorarbeiten hinaus. Betrachtet wird der gesamte Forschungsprozess und auch das Studium als entscheidende Phase für die Entwicklung wissenschaftlicher Integrität wird miteinbezogen.“

In den Empfehlungen (PDF) werden auch einige Ergebnisse der Fakultätenbefragung des Wissenschaftsrates dokumentiert. Nach dieser Erhebung, die u. a. die Verbreitung der gängigen Leitlinien zur guten wissenschaftlichen Praxis in Deutschland untersuchte, konstatiert der Wissenschaftsrat ein „ernüchterndes Bild, da selbst die DFG-Denkschrift und die HRK-Leitlinie als bekannteste Direktiven nur etwa der Hälfte bzw. zwei Dritteln der Antwortenden bekannt sind“. Gemeint sind hier die Denkschrift „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der DFG (1998/2013) und die Empfehlung „Gute wissenschaftliche Praxis an deutschen Hochschulen“ der HRK (2013). Weiter stellt der Wissenschaftsrat fest, dass die „langjährige Aufbewahrung und Nutzungsmöglichkeit von Forschungsdaten“ nur von „etwa der Hälfte“ der antwortenden Hochschulen umgesetzt wird.

Empfehlungen zu wissenschaftlicher IntegritätVor diesem Hintergrund adressieren die Empfehlungen des Wissenschaftsrates jetzt Forschende, deren Einrichtungen, die Politik, Förderorganisationen, Evaluationsagenturen und auch Wissenschaftsverlage und -zeitschriften. Für jeden dieser Akteure werden Handlungsempfehlungen gegeben. Wie bereits in vorhergehenden Empfehlungen „bekräftigt“ der Wissenschaftsrat seine Forderung „Forschungsdaten internationalen Standards entsprechend aufzubereiten, für einen ausreichend langen Zeitraum aufzubewahren und für Anschlussforschung zugänglich zu machen.“ Der Politik wird hierzu empfohlen „strategische Konzepte und Leitlinien“ zum Thema Forschungsdatenmanagement auf den Weg zu bringen. Positiv herausgehoben werden Entwicklungen in einigen Bundesländern, wie z. B. in Baden Württemberg. Dort wurde im letzten Jahr ein “Fachkonzept zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Infrastruktur” veröffentlicht, welches auch den Umgang mit wissenschaftlichen Daten thematisiert. Herausgeberinnen und Herausgebern von Fachzeitschriften werden aufgefordert „den Zugang zu Forschungsdaten und die Transparenz des Forschungsprozesses insgesamt zu befördern“. In diesem Kontext soll, so der Wissenschaftsrat, auch die „Publizierbarkeit von Replikationsstudien und negativen Forschungsergebnissen“ verbessert werden:

„Negative Forschungsergebnisse müssen grundsätzlich auch in renommierten Journalen publizierbar sein, bspw. als Teil der Hauptpublikation oder in gesonderten Sparten, ebenso wie Replikationsstudien. Errata und Korrigenda sollten systematisch veröffentlicht und bspw. mit der Originalpublikation verknüpft werden, um die Verbreitung falscher Daten zu verhindern. Online-Repositories mit zugänglichen Forschungsprimär- und Metadaten stellen ebenfalls wichtige Maßnahmen für die Förderung wissenschaftlicher Integrität dar. „

Um die Veröffentlichung von negativen Resultaten zu fördern, empfiehlt der Wissenschaftsrat Förderorganisationen die Publikation negativer Ergebnisse bei der Bewertung von Forschungsvorhaben und -ergebnissen positiv zu bewerten.

Springer und Nature sollen fusioniert werden

Das Investorenkarusell hat sich mal wieder gedreht. Springer SBM soll mit Geschäftssparten von Macmillan Science and Education im Besitz der Holtzbrinck Publishing Group fusioniert werden, sofern die Aufsichtsorgane die Zustimmung für diese Fusion erteilen.

Holtzbrinck Publishing Group

Die ursprünglich von Georg von Holtzbrinck gegründete Gruppe besteht aus den Geschäftsbereichen: Geschäftsfelder “Macmillan Science and Education” (Wissenschaft und Bildung), “Macmillan Publishers” (Belletristik und Sachbuch) sowie “Holtzbrinck Digital, Information & Services” (Internetunternehmen, Nachrichtenmedien und Dienstleistungen).

Der für den Merger einzig relevante Bereich Macmillan Science und Education setzt sich mehrheitlich aus dem ursprünglich wissenschaftlichen Teil von Macmillan zusammen. Macmillian, zu dem auch die Nature Publishing Group gehört, wurde 1995 von Holtzbrinck gekauft:
Auftteilung Macmillan Science and Education

Auftteilung Macmillan Science and Education

Von dem Merger ausgenommen bleiben Untergruppen wie z.B. Digital Science zu der eine grosse Anzahl Startups gehört wie z.B. Figshare, Readcube oder Altmetric. Ausgenommen ist  auch der OA Verlag Frontiers, mit dem Macmillian 2013 auch ein Joint Venture eingegangen ist.

BC Partners

Im Jahre 2013 haben BC Partners Springer SBM von EQT Partnerns AB und der Government of Singapore Investment Corporation für für 3.3 Milliarden Euro übernommen. Für den kommenden „Merger“ ist der ganze Springer Konzern vorgesehen.

BC Partners nennt sich auf seiner Website ein international führendens Private Equity-Haus. Der Fokus liegt auf attraktiven Investitionsmöglichkeiten mit einem ausgewogenen Chancen- und Risikoprofil für die Investoren. Aktuell berät BC Partners Fonds mit einem Gesamtvolumen von 12 Milliarden Euro.

Motivation könnte Stabilität und Aussichten für einen Börsengang sein

In der FAZ äussert sich Ewald Walgenbach von BC Partners dahingehend, dass sich seine Privat-Equity-Gesellschaft in drei bis vier Jahren zurückziehen möchte und dabei einen Börsengang als mögliches (lohnendes) Exit-Szenario sieht. Danach könnte Holtzbrinck als Mehrheitsgesellschafter und Ankeraktionär verbleiben. Bereits jetzt wird Holtzbrinck 53% des fusionierten Verlags besitzen, so dass man wohl besser von einem Teil-Aufkauf anstatt einem „Merger“ sprechen muss.

Vermutlich dürfte der Zusammenschluss mit Holtzbrinck Springer für einen Börsengang attraktiver machen.

Neuer Megaverlag: Springer und MacMillan

Nature – lesen ja, drucken nein!

Der Verlag des renommierten Nature-Journals, die Nature Publishing Group (NPG), feiert sich selbst. In einer aktuellen Pressemitteilung des Mutterkonzerns Macmillan Science heißt es „Macmillan Science and Education revolutioniert Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen.“

Die Revolution soll laut Pressemitteilung durch zwei Maßnahmen umgesetzt werden:

„1. Den Abonnenten von 49 Fachzeitschriften von nature.com können eine eindeutige URL zur schreibgeschützten Vollversion eines publizierten wissenschaftlichen Textes an Kollegen oder Mitarbeiter weiterleiten, ganz bequem per E-Mail oder über soziale Medien.“

„2. Zugang für Journalisten und Blogger: 100 Medienkanälen und Blogs auf der ganzen Welt, die über Forschungsergebnisse berichten, die auf nature.com veröffentlicht wurden, können ihre Leser über einen Link zur schreibgeschützten Vollversion eines wissenschaftlichen Originalartikels verweisen und ihnen so Zugang zu tausenden hochwertigen wissenschaftlichen Abhandlungen verschaffen.“

Zukünftig öffnen Personen, die die erwähnte „eindeutige URL“ des Verlags anklicken, in ihrem Browser eine Anwendung namens „ReadCube„. Über diese Anwendung kann die PDF-Datei eines Artikels dann angesehen werden. Druck und Speicherung eines Artikels sind nicht möglich. Weiter besteht die Möglichkeit – nach Anmeldung – Artikel zu annotieren und eigene Sammlungen anzulegen. Vorrausetzung ist jedoch immer, dass die Nutzenden über die „eindeutige URL“ verfügen.

Dieses Vorhaben ist begrüßenswert. Von einer Revolution kann jedoch keine Rede sein.

Interessant sind die Hintergründe der Ankündigung:

  • Von Seiten der Wissenschaft gibt es eine klare Erwartungshaltung: Forschende erwartet heute sofortigen Zugriff auf alle Publikationen, die für ihre Arbeit von Interesse sind. Forschenden deren Bibliothek ein breites Portfolio an Zeitschriften lizenziert hat, haben einen Vorsprung bei der Wissensproduktion. Wer keinen Zugang zu den neusten Publikationen, hat kaum eine Chance im kompetitiven Wissenschaftssystem.
  • Dagegen gibt es auf Seiten der Verlage den Wunsch nach Kontrolle über die verlegten Inhalte. Es liegt – wenig überraschend – im Interesse von Nature, dass der Zugriff auf die Artikel des Verlags über die NPG-Server läuft und nicht über die  Open-Access-Repositorien der wissenschaftlichen Einrichtungen.

Open-Access-Repositorien, sowie der Austausch von Artikeln über Projekt-Wikis, Mailinglisten und andere Kanäle, sind jedoch für viele Forschenden von großer Bedeutung, da ihre Institutionen die ständig teurer werdende Zeitschriften nicht mehr lizenzieren können. Selbst Harvard, die wohl reichste Bildungseinrichtung der Welt, ist nicht mehr in der Lage ihren Forschenden den Zugang zu alle relevanten Zeitschriften sicherzustellen.

Die angekündigte Maßnahme des NPG ist es also eine logische Antwort auf den Wunsch nach Open Access. Darüber hinaus bietet die Maßnahme dem Verlag mehrere Vorteile:

  • Da auch Blogs und Zeitungen die „eindeutige URL“ nutzen können, werden die Klickzahlen auf nature.com erhöht. Mit Blick auf Altmetrics ein nachvollziehbarer Schritt.
  • Weiter wird das Literaturverwaltungssystem „ReadCube“, dass von der Nature-Tochter „Digital Science“ betrieben wird gefördert.

Die Ankündigung von Nature passt gut in die aktuellen Verlagsstrategien rund um Open Science. Die US-Regierung hat 2013 eine Direktive zur Förderung von Open Access erlassen. Nach dieser Verordnung müssen die öffentlichen Forschungseinrichtungen in den USA Open-Access-Policies verankern.

Die Verlage haben dies zum Anlass genommen und eine Initiative namens „CHORUS“ gestartet. Anliegen der Verleger ist es, den Zugang zu den Artikeln weiterhin über ihre Verlagsplattformen zu ermöglichen. Für diese Dienstleistung – unter Kontrolle der Verlage –  sollen die US-Behörden dann zahlen. Dagegen arbeiten die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den USA an einer verteilten und öffentlichen Infrastruktur namens „SHARE„. Diese Infrastruktur basiert auf der Vernetzung der Open-Access-Repositorien der wissenschaftlichen Einrichtungen.

Nun könnte man begrüßen, dass Verlage die Open-Access-Policies aufgreifen an einer Lösung zur Verbesserung des Zugangs bauen. Die Diskussion um die NPG-Ankündigung zeigt jedoch wo die Probleme liegen. Die Bedingungen des Zugangs und der möglichen Nachnutzung werden durch die Verlage kontrolliert und nicht durch die Wissenschaft. Siehe dazu auch den Kommentar von John Wilbanks:

 „So, Nature said a thing about public access tonight. Everything is free to read* they say. But there’s an asterisk, pesky and persistent, next to read. And it’s a big one. The asterisk is that you can’t do anything but read the document, and you have to […] use their proprietary reader software in order to read the document, and you have to hope that someone who has a subscription or is a journalist is kind enough to share a link to the document that you want to read, and if you try to do anything other than look at the document passively on a screen you’re basically gonna get sued for copyright infringement.“

Forschung und Lehre werden also auch weiterhin eine öffentliche Repositorien-Infrastruktur benötigen, die es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch ermöglicht Artikel zu drucken, zu speichern und im Idealfall auch zu bearbeiten (Stichwort: Text und Data Mining).

Die Ankündigung von Nature ist eine gute Marketing-Idee. Sie ist zu begrüßen, solange die Forschenden auch weiterhin die Möglichkeit haben, die Nature-Artikel auf Open-Access-Repositories zu speichern.

Die Ankündigung von Nature zeigt, dass die Diskussion um Open Science immer komplexer wird. Längst geht es nicht mehr nur um den Zugang zu wissenschaftlicher Literatur. Nur wenn Forschenden mit Artikeln arbeiten können, werden sich die Chancen der digitalen Wissenschaft realisieren lassen. Deshalb scheint es wichtig in der Diskussion um Open Access zwischen „gratis“ (freier Zugang) und „libre“ (offene Nachnutzung) zu unterscheiden. Die NPG-Politik sowie auch das Zweitveröffentlichungsrecht in Deutschland, ermöglichen nur den „gratis“ Zugang, längerfristiges Ziel ist es jedoch, die „libre“ Nachnutzung der Inhalte zu ermöglichen. Dieses Ziel kann  jedoch nur erreicht werden, wenn Forschende in ihrer Urheberrechtsposition gestärkt werden und mit offenen Lizenzen Dritten (z. B. auch Maschinen) die Arbeit mit und an den Artikeln auf Basis offener Informationsinfrastrukturen ermöglichen.

Wissenschaftsorganisationen: „Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke muss kommen“

Anlässlich der Entfristung von Paragraf 52a Urheberrechtsgesetz (Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung) fordert die Allianz der Wissenschaftsorganisationen die Bundesregierung auf, “zeitnah einen Gesetzentwurf für eine Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke vorzulegen.”

Auszug aus der Pressemitteilung (PDF):

“Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag die Schaffung einer Allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht zugesagt. Damit sollen die Belange von Wissenschaft und Forschung und die Ansprüche von Urhebern angemessen geregelt werden. Die Allianz appelliert an die Bundesregierung, über die nun auf den Weg gebrachte Entfristung von Paragraf 52a Urheberrechtsgesetz hinaus, zeitnah einen Gesetzentwurf für eine Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke vorzulegen. Konkrete Vorschläge dafür liegen vor.”

Im Juni hat die Rechtsprofessorin Katharina de la Durantaye im Auftrag des BMBF eine umfangreiche Studie (PDF) zur Thematik veröffentlicht. Anliegen einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke ist es, die bisher zu engen Regelungen für Lehre und Forschung zu erweitern und die bisher verstreuten Paragraphen zu bündeln.

Update, 01.12.2014, 16:10:

Auch das Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ meldet sich in einer Pressemitteilung zu Wort:

„Wenn jetzt die Auseinandersetzung um die im Koalitionsvertrag der jetzigen Regierung vorgesehene Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke (ABWS) beginnt, muss ein wirklicher Neuansatz gewählt werden. Eine ABWS, die nur die bisherigen, auf Bildung und Wissenschaft bezogenen Regelungen mit ihren starken Einschränkungen zusammenfasst und damit fortschreibt, wäre nutzlos.“

(Crosspost von ALBERTopen.)

Offenlegung von Open-Access-Publikationsgebühren in Deutschland

Die Geschäftsmodelle des Goldenen Weges des Open Access verlagern die Finanzierung: wissenschaftliche Einrichtungen und Fördererorganisationen (z. B. die DFG und die EU) stellen Mittel bereit, um Publikationen bereits bei der Veröffentlichung im Rahmen sogenannter Publikationsgebühren (auch Article-Processing Charges, APCs genannt) zu finanzieren. Dazu betreiben wissenschaftlichen Einrichtungen häufig sogenannte Open-Access-Publikationsfonds. Über diese wird der Umgang mit den Publikationsgebühren gemanagt. Zudem wird eine Vielzahl von Open-Access-Zeitschriften als Teil wissenschaftlicher Aktivitäten einzelner Organisationen herausgegeben und finanziert.

Eine Reihe von wissenschaftlichen Institutionen in Deutschland hat jetzt begonnen Angaben zur Höhe bezahlter Open-Access-Publikationsgebühren offenzulegen. Anliegen ist es, bezahlte „Open-Access-Publikationsgebühren der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Deutschland umfassend zu dokumentieren“ und damit einen Beitrag zu einer transparenten Entwicklung des goldenen Open-Access-Publizierens zu leisten.

Auf Initiative der Universität Bielefeld und unter Koordination der Arbeitsgruppe „Elektronisches Publizieren“ der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation (DINI) wurden die Daten von sieben wissenschaftlichen Einrichtungen auf GitHub , unter einer offenen Lizenz, zugänglich gemacht.

Folgende Visualisierung zeigt die Verteilung der bezahlten Open-Access-Publikationsgebühren auf die beteiligten Einrichtungen:

Verteilung: Open-Access-Publikationsgebühren pro Verlag

Verteilung: Open-Access-Publikationsgebühren pro Verlag

Der Datensatz umfasst aktuell 1.432 Open-Access-Artikel von sieben Institutionen im Umfang von 1.732.556 Euro. Wünschenswert ist, dass sich weitere Einrichtungen der Initiative anschließen.

Ähnliche Entwicklungen gibt es z. B. auch in Großbritannien. Eine Initative des Wellcome Trust im Frühjahr 2014 hat dort zu einer breiten Offenlegung der Zahlen geführt.

Open-Access-PublikationsfondsDie Gestaltung eines nachhaltigen Open-Access-Publikationssystems ist eine zentrale Herausforderungen für wissenschaftlichen Einrichtungen und ihre Bibliotheken. Im Rahmen der diesjährigen Open-Access-Week veröffentlichte die Arbeitsgruppe Open Access in der Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der Wissenschaftsorganisationen eine Broschüre zum Thema „Open-Access-Publikationsfonds“ (PDF). Ziel von Publikationsfonds ist es, den Transformationsprozess von subskriptionsbasiertem zu Publikationsgebühren-basiertem Open-Access-Publizieren effizient und nachhaltig zu gestalten. In der Broschüre wird erläutert, welchen Zielen Open-Access-Publikationsfonds dienen und was bei ihrem Aufbau und Betrieb beachtet werden sollte.

Anliegen der Wissenschaft ist es, den Transformationsprozess von Subskription zu Open Access aktiv zu gestalten und den sich formierenden Open-Access-Publikationsmarkt im Sinne der Wissenschaft zu realisieren. Die Wissenschaftsverlage haben den Wunsch nach Open Access längst erkannt. Jedoch ist nicht jedes Verlagsangebot wissenschaftsadäquat. Vor diesem Hintergrund wurden z. B. in der Helmholtz-Gemeinschaft Kriterien zum Umgang mit Open-Access-Publikationsgebühren erarbeitet. Z. B. sind sog. „hybride“ Modelle, bei der einzelne Beiträge in einer nicht-Open-Access-Zeitschrift durch den Publizierenden „freigekauft“ werden können, problematisch, da sich Verlage mit diesem Modell – zusätzlich zur Subskriptionsgebühr –  eine weitere Einnahmequelle sichern (sog. „double dipping“).

Disclosure: Ich arbeite für die Helmholtz-Gemeinschaft und bin Mitglied in den beiden genannten AGs.

(Crosspost von ALBERTopen.)

Update,  07.11.2014, 13:37: Bereits im April 2014 hat der FWF – Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich Daten über bezahlte Open-Access-Publikationsgebühren veröffentlicht. Siehe: DOI:10.6084/m9.figshare.988754

Seit heute bin ich Aktionär von Reed Elsevier

„If you can’t beat them, join them“ lautet ein Sprichwort. Nun das habe ich getan. Ab sofort bin ich Kleinaktionär von Reed Elsevier (dem Mutterkonzern von dem STM-Verlag Elsevier). Heute habe ich 300 Elsevier Aktien zu einem Kurs von 17.75 EUR und einem Gesamtwert von 5351 EUR gekauft.

Zugegeben, ich mag Elsevier nicht besonders. Dies hat viele Gründe. Einer davon ist sicher, dass Elsevier wie kaum ein anderer Verlag die Gewinnmaximierung perfektioniert hat und dabei den Kunden (wissenschaftliche Bibliotheken und Wissenschaftler) heuchlerisch vorgaukelt in deren Interesse zu handeln.

So richtig fiel mir dies zuletzt bei einer Präsentation in Bern auf, wo Federica Rosetta (Senior Access Relations Manager) die neuesten Entwicklungen im OA-Bereich vorstellte. Anstatt das ganze Journal-Portfolio auf OA mit CC-BY umzustellen, wird alles andere versucht und dabei als grossen Schritt Richtung OA hingestellt. Da macht Elsevier eine Umfrage bei Autoren, und siehe da, die Autoren wollen plötzlich nicht nur CC-BY sondern auch eine CC-BY-NC-ND. Anstatt OA, offeriert man nun Autoren einen personalisierten Link, mit dem KollegInnen 50 Tage auf das PDF zugreifen können. Anstatt den Repositories direkt das akzeptierte Manuskript zugänglich zu machen, bietet Elsevier eine API an, wo im Repository das Verlags-PDF anzeigt wird, sofern der Besucher eine gültige Elsevier Lizenz dazu hat. Dazu blendet man dann hübsch ein paar Tweets von Forschenden ein, die das neue Angebot von Elsevier loben aber offensichtlich keine Ahnung haben, dass Elsevier ihnen Open Access bewusst vorenthält. Auch die sogenannte „No Double Dipping Policy“ die Elsevier anpreist ist natürlich ein zynischer Witz sondergleichen, da sie die Reduktion von Hybrid-OA global und nicht institutionell verrechnet.

Trotz diesem unsympathischen und unethischen Gebaren von Elsevier, muss man dieser Firma einfach lassen, dass sie finanziell wahnsinnig erfolgreich ist. Eine Gewinnmarge von 39% sagt alles. Novartis zum Vergleich schafft kaum 27%. Ein gerade erschienener Analysten-Report von BernsteinResearch mit dem Titel: Reed Elsevier: Goodbye to Berlin – The Fading Threat of Open Access bestätigt diese positiven Aussichten. Die nüchterne aber auch gut lesbare Analyse zeigt in aller Klarheit, was man als Anleger von Reeds Elsevier erwarten kann. Während die Analysten Reed Elsevier in den letzten Jahren wegen Budgetkürzungen von Bibliotheken, sowie der stärker werdenden Open Access Bewegung die Erwartungen runtergestuft haben, stellen sie heute fest, dass Reed Elsevier so stark ist, wie noch nie:

  • „Subscription publishing appears in good health. Both Reed Elsevier and Wiley have outperformed the respective markets in the past year, supported (at least in part) by the performance of the journal businesses.
  • The threat posed by OA seems to recede. OA policies have proved right, so far, the critics who argued that they would not threaten the status of subscription publishers. The hybrid model deployed by subscription publishers to meet the requirements of the UK government is not threatening in any visible way the subscription model of the journals; the rate of adoption of deposit policies for US federal agencies, and the embargo period of 12 months also protect the position of subscription publishers.
  • OA funding may in fact be adding to the profits of STM. It remains to be seen whether the publishers can provide evidence that they are not double dipping (i.e. pocketing Author Publication Charges (APCs) for OA publishing without lowering their subscription revenues). Absolute verification may prove in fact impossible anyway, but the publishers seem to use practices which leave wiggle room to keep at least some of the money.“

Der Analysten-Report zieht sogar den aktuellen Konkurs von Swets mit ein, der für Elsevier nur von Vorteil ist, als hier ein Zwischenhändler ausgeschaltet werden konnte.

Natürlich frustriert die vorliegende Analyse einen Open Access Aktivisten wie mich gewaltig. Wie kann es sein, dass trotz allen Anstrengungen für Open Access sich nichts ändert? Warum lassen Entscheidungsträger trotz vorhandenen Alternativen zu, dass eine Firma wie Elsevier sich masslos an öffentlichen Gütern bereichert und den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information bewusst verhindert? Wie ich kürzlich in einem Artikel in 027.7 Zeitschrift für Bibliothekskultur aufzeigt habe, bin ich der Meinung, dass wissenschaftliche Bibliotheken mit ihren Ausgaben es eigentlich in der Hand hätten zu bestimmen wo es lang geht. Offenbar sind sie unfähig das vorhandene Potential zu nutzen.

Selbstverständlich werde ich mich nachwievor für Open Access einsetzen. Zurzeit bin ich in einem privaten Projekt daran offen zulegen, was Schweizer Bibliotheken an Elsevier bezahlen. Wenn ich dabei sehe, wie Schweizer Universitäten und Bibliotheken die privaten Interessen von Elsevier schützen, bin ich guter Dinge heute eine gute Investition gemacht zu haben.

Universität Konstanz bricht Lizenzverhandlungen mit Elsevier ab

Konsequenter Schritt: Die Universität Konstanz trägt die ständig steigenden Preise für wissenschaftliche Zeitschriften nicht mehr länger mit. Die Verhandlungen mit dem Verlagsriesen Elsevier wurden jetzt abgebrochen. In einer Pressemitteilung erklärt der Rektor der Hochschule Ulrich Rüdiger:

„Die Universität Konstanz kann und will bei dieser aggressiven Preispolitik nicht länger mithalten und wird ein solches Vorgehen nicht unterstützen. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, den Lizenzvertrag mit Elsevier durch alternative Beschaffungswege zu ersetzen“.

Aufgrund der Preispolitik und des aktiven Lobbyings des Verlages gegen Open Access haben seit 2012 im Rahmen der Initiative „Cost of Knowledge“ über 14.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Zusammenarbeit mit Elsevier eingestellt. Die Umsatzrendite von Elseviers STM-Geschäft betrug 2012 37,8 Prozent. (Vergleich: Die Umsatzrendite von Apple lag im selben Jahr bei 27 Prozent.) 2013 konnte der Verlag seine Rendite auf 39 Prozent steigern.

Die Liste der zehn teuersten Zeitschriften der KIT-Bibliothek gibt einen Einblick in das profitable Geschäft mit den Ergebnissen der öffentlich geförderten Forschung. Alleine für den Online-Zugang zu der Springer-Zeitschrift „Journal of Radioanalytical and Nuclear Chemistry“ zahlt das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) pro Jahr über 15.000 Euro.

Aktuell sieht sich Elsevier unter dem Hashtag #Elseviergate der Kritik ausgesetzt. U. a. wird dem Verlag vorgeworfen eigene Open-Access-Artikel zu verkaufen und damit die freie Zugänglichkeit der eigentlich offenen Publikationen zu unterlaufen. Siehe dazu ausführlich die Dokumentation des britischen Chemikers Peter Murray-Rust.

In diesem Kontext auch der Hinweis auf die laufende Online-Konsultation der Berlin-Brandburgischen Akademie der Wissenschaften zur Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens.

Update, 27.03.14:

  • Eine englische Pressemitteilung der Universität Konstanz ist online.
  • Der Open-Access-Newsletter der Helmholtz-Gemeinschaft berichtet unter dem Titel „Triple Dipping: Elsevier verlangt Geld für den Zugang zu Open-Access-Artikeln eigener Zeitschriften“ über #Elseviergate. Einen weiteren Beitrag dazu gibt es in der Times Higher Education.

[via Ralf Toepfer]

Bundesrat: Zweitveröffentlichungsrecht auch für Hochschulen

Der Bundesrat hat den Kabinettsentwurf  des Zweitveröffentlichungsrechts in seiner 909. Sitzung beschlossen. Die Länder fordern in ihrer Stellungnahme (Drucksache 265/13(B))  jedoch eine Ausweitung des Anwendungsbereiches: Auch Publikationen, die im Rahmen der von den Hochschulen eigenfinanzierten Forschung entstehen, sollen vom  Zweitveröffentlichungsrecht abgedeckt werden. Darüber hinaus wird für die MINT-Fächer eine „Embargofrist von längstens sechs Monaten“ empfohlen. Der Entwurf der Bundesregierung sieht ein Embargo von zwölf Monaten für alle Disziplinen vor. Weiter wird die Einschränkung auf Publikationen, die in „mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlungen“ erscheinen, als „nicht zielführend“ bewertet, „da dadurch einzelne Fächer ohne Grund benachteiligt würden.“

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg würdigt die Entscheidung als „einen wichtigen Meilenstein in Richtung auf ein wissenschafts- und hochschulfreundlicheres Urheberrecht.“

Software Journals – das nächste große Ding

Mit Blick auf die Diskussionen um Open Science ist es dringend notwendig die Erfassung und Bewertung von Forschungsleistungen breiter zu fassen. Der Beschluss der National Science Foundation (NSF) unter dem Begriff „Products“ nicht mehr nur textuelle Publikationen, sondern darüber hinaus auch Forschungsdaten und Software als wissenschaftlichen Output bei der Antragstellung zu erfassen, ist ein überaus wichtiger Beitrag zur Förderung von Offenheit in der Wissenschaft. (Leider hat der Wissenschaftsrat die Relevanz dieses Themas in seinem jüngst veröffentlichten Entwurf eines Kerndatensatz Forschung nicht berücksichtigt, obwohl er z.B. im letzten Jahr „Anerkennungsprobleme“ des Datenmanagements bemängelt hat.)

Während sich in den letzten Monaten mit dem Start von Data-Journals (Beispiel ESSD) und der aktuellen Gründungswelle von Forschungsdaten-Repositorien Verfahren bei der Veröffentlichung von Forschungsdaten formieren, die auf dem etablierten Publikationswesen aufsetzten, steht das Thema Software-Publishing noch in den Startlöchern. Zwar gibt es in einigen Disziplinen seit langem Beispiele für Software-Papers, doch mit Blick auf die dauerhafte und möglichst offene Zugänglichkeit des Programmcodes scheinen die existierenden Veröffentlichungsverfahren wenig befriedigend.

Einblicke in die zukünftigen Entwicklung des Themenfeldes Software-Publishing werden am Beispiel des Journal of Open Research Software (JORS) deutlich. Diese Open-Access-Zeitschrift, die bei Ubiquity Press – einer Ausgründung des University College London (UCL) – erscheint, hat diesen Monat seine ersten Software-Papers veröffentlicht. Auszug aus der Selbstbeschreibung des Journals:

„The Journal of Open Research Software (JORS) features peer reviewed software papers describing research software with high reuse potential. We are working with a number of specialist and institutional repositories to ensure that the associated software is professionally archived, preserved, and is openly available. Equally importantly, the software and the papers will be citable, and reuse will be tracked.“

Einer der jetzt erschienen Artikel beschreibt einen „Drosophila Photo-transduction Simulator“. Die Software, eine Simulation in Matlab, wird anhand eines vorgegeben Schemas in einem Aufsatz dokumentiert. Nach diesem Schema müssen die Autorinnen und Autoren z.B. Aussagen zur Lizenz, unter der die Software zugänglich ist, machen. Die Software selbst muss auf einem Repositorium gespeichert werden (Beispiel). Das Journal empfiehlt dazu eine Auswahl an geeigneten Repositorien. Der Artikel verlinkt dann auf die im Repositorium gespeicherte Software. Folgende Grafik erläutert den Ablauf einer Publikation:

Die zukünftige Entwicklung des Software-Publishings wird sicherlich hochspannend werden. Am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ hat Jens Klump Anfang dieses Jahres einen sehr interessanten Workshop zum Thema veranstaltet. In diesem wurden einige der zentralen Fragen rund um das Thema diskutiert. Z.B.: Welche Anforderungen muss ein Software-Repositorium erfüllen? Wie wird das Zusammenspiel zwischen Software-Journal und Repositorium optimal organisiert? Welche Rolle spielen Entwicklungsplattformen wie GitHub? Kann die Versionierung der Software im Software-Paper abgebildet werden? Welche Perspektiven ergeben sich für das Zusammenspiel von Daten, Software und klassischem (interpretativen) Aufsatz? Welche Identifikationen werden benötigt?

Deutlich ist bereits jetzt, dass die Data-Papers des Journal of Open Research Software die Nachnutzung der Software fördern: Zum einen wird durch die Veröffentlichung des begutachteten Software-Papers sichergestellt, dass Qualitätsstandards bei der Programmierung der Software berücksichtig wurden. Darüber hinaus liefert das Software-Paper eine ausführliche Dokumentation des Programms. Damit werden mögliche Fragen, die bei einer Nachnutzung der Software auftreten im Voraus beantwortet. Weiter wird durch die Speicherung der Software, unter einer freien Lizenz, auf einem Repositorium die langfristige Nachnutzung garantiert. (Unabhängig vom Endes eines Projektes oder des Abschaltens einer Entwicklungsumgebung.) Und zuletzt wird die Arbeit der Entwicklerinnen und Entwickler im Rahmen des wissenschaftlichen Reputationssystems gewürdigt: Das Data-Paper landete auf der Publikationsliste.

Kabinett verabschiedet Entwurf eines Zweitveröffentlichungsrechts

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärt heute in einer Pressemitteilung:

„Mit einem Zweitverwertungsrecht für Wissenschaftler bringen wir Autoren und Nutzer näher zueinander und stärken die Wissenschaft. Wenn die Öffentlichkeit eine Forschungsarbeit fördert, ist es nur gerecht, wenn diese nach Fertigstellung ins Internet gestellt werden kann. Um die Verlagsinteressen zu berücksichtigen, haben wir hier eine Karenzzeit von 12 Monaten geregelt.“

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes“ findet sich hier.

Irritierend ist die Fokussierung des Zweitveröffentlichungsrechts auf „Forschungstätigkeiten, die im Rahmen der öffentlichen Projektförderung oder an einer institutionell geförderten außeruniversitären Forschungseinrichtung durchgeführt werden.“ (S. 14) Wie es scheint sind Publikationen, die im Rahmen von Forschungsprojekten entstehen, die eine Hochschule selbst finanziert nicht betroffen. So heißt es weiter: „Der Anwendungsbereich des Zweitveröffentlichungsrechts ist auf diese Bereiche beschränkt, da hier das staatliche Interesse an einer Verbreitung der Forschungsergebnisse besonders hoch ist.“

Reaktionen und Bewertungen in Auswahl (Stand 24.04.2013)