Nature – lesen ja, drucken nein!

Der Verlag des renommierten Nature-Journals, die Nature Publishing Group (NPG), feiert sich selbst. In einer aktuellen Pressemitteilung des Mutterkonzerns Macmillan Science heißt es „Macmillan Science and Education revolutioniert Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen.“

Die Revolution soll laut Pressemitteilung durch zwei Maßnahmen umgesetzt werden:

„1. Den Abonnenten von 49 Fachzeitschriften von nature.com können eine eindeutige URL zur schreibgeschützten Vollversion eines publizierten wissenschaftlichen Textes an Kollegen oder Mitarbeiter weiterleiten, ganz bequem per E-Mail oder über soziale Medien.“

„2. Zugang für Journalisten und Blogger: 100 Medienkanälen und Blogs auf der ganzen Welt, die über Forschungsergebnisse berichten, die auf nature.com veröffentlicht wurden, können ihre Leser über einen Link zur schreibgeschützten Vollversion eines wissenschaftlichen Originalartikels verweisen und ihnen so Zugang zu tausenden hochwertigen wissenschaftlichen Abhandlungen verschaffen.“

Zukünftig öffnen Personen, die die erwähnte „eindeutige URL“ des Verlags anklicken, in ihrem Browser eine Anwendung namens „ReadCube„. Über diese Anwendung kann die PDF-Datei eines Artikels dann angesehen werden. Druck und Speicherung eines Artikels sind nicht möglich. Weiter besteht die Möglichkeit – nach Anmeldung – Artikel zu annotieren und eigene Sammlungen anzulegen. Vorrausetzung ist jedoch immer, dass die Nutzenden über die „eindeutige URL“ verfügen.

Dieses Vorhaben ist begrüßenswert. Von einer Revolution kann jedoch keine Rede sein.

Interessant sind die Hintergründe der Ankündigung:

  • Von Seiten der Wissenschaft gibt es eine klare Erwartungshaltung: Forschende erwartet heute sofortigen Zugriff auf alle Publikationen, die für ihre Arbeit von Interesse sind. Forschenden deren Bibliothek ein breites Portfolio an Zeitschriften lizenziert hat, haben einen Vorsprung bei der Wissensproduktion. Wer keinen Zugang zu den neusten Publikationen, hat kaum eine Chance im kompetitiven Wissenschaftssystem.
  • Dagegen gibt es auf Seiten der Verlage den Wunsch nach Kontrolle über die verlegten Inhalte. Es liegt – wenig überraschend – im Interesse von Nature, dass der Zugriff auf die Artikel des Verlags über die NPG-Server läuft und nicht über die  Open-Access-Repositorien der wissenschaftlichen Einrichtungen.

Open-Access-Repositorien, sowie der Austausch von Artikeln über Projekt-Wikis, Mailinglisten und andere Kanäle, sind jedoch für viele Forschenden von großer Bedeutung, da ihre Institutionen die ständig teurer werdende Zeitschriften nicht mehr lizenzieren können. Selbst Harvard, die wohl reichste Bildungseinrichtung der Welt, ist nicht mehr in der Lage ihren Forschenden den Zugang zu alle relevanten Zeitschriften sicherzustellen.

Die angekündigte Maßnahme des NPG ist es also eine logische Antwort auf den Wunsch nach Open Access. Darüber hinaus bietet die Maßnahme dem Verlag mehrere Vorteile:

  • Da auch Blogs und Zeitungen die „eindeutige URL“ nutzen können, werden die Klickzahlen auf nature.com erhöht. Mit Blick auf Altmetrics ein nachvollziehbarer Schritt.
  • Weiter wird das Literaturverwaltungssystem „ReadCube“, dass von der Nature-Tochter „Digital Science“ betrieben wird gefördert.

Die Ankündigung von Nature passt gut in die aktuellen Verlagsstrategien rund um Open Science. Die US-Regierung hat 2013 eine Direktive zur Förderung von Open Access erlassen. Nach dieser Verordnung müssen die öffentlichen Forschungseinrichtungen in den USA Open-Access-Policies verankern.

Die Verlage haben dies zum Anlass genommen und eine Initiative namens „CHORUS“ gestartet. Anliegen der Verleger ist es, den Zugang zu den Artikeln weiterhin über ihre Verlagsplattformen zu ermöglichen. Für diese Dienstleistung – unter Kontrolle der Verlage –  sollen die US-Behörden dann zahlen. Dagegen arbeiten die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den USA an einer verteilten und öffentlichen Infrastruktur namens „SHARE„. Diese Infrastruktur basiert auf der Vernetzung der Open-Access-Repositorien der wissenschaftlichen Einrichtungen.

Nun könnte man begrüßen, dass Verlage die Open-Access-Policies aufgreifen an einer Lösung zur Verbesserung des Zugangs bauen. Die Diskussion um die NPG-Ankündigung zeigt jedoch wo die Probleme liegen. Die Bedingungen des Zugangs und der möglichen Nachnutzung werden durch die Verlage kontrolliert und nicht durch die Wissenschaft. Siehe dazu auch den Kommentar von John Wilbanks:

 „So, Nature said a thing about public access tonight. Everything is free to read* they say. But there’s an asterisk, pesky and persistent, next to read. And it’s a big one. The asterisk is that you can’t do anything but read the document, and you have to […] use their proprietary reader software in order to read the document, and you have to hope that someone who has a subscription or is a journalist is kind enough to share a link to the document that you want to read, and if you try to do anything other than look at the document passively on a screen you’re basically gonna get sued for copyright infringement.“

Forschung und Lehre werden also auch weiterhin eine öffentliche Repositorien-Infrastruktur benötigen, die es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch ermöglicht Artikel zu drucken, zu speichern und im Idealfall auch zu bearbeiten (Stichwort: Text und Data Mining).

Die Ankündigung von Nature ist eine gute Marketing-Idee. Sie ist zu begrüßen, solange die Forschenden auch weiterhin die Möglichkeit haben, die Nature-Artikel auf Open-Access-Repositories zu speichern.

Die Ankündigung von Nature zeigt, dass die Diskussion um Open Science immer komplexer wird. Längst geht es nicht mehr nur um den Zugang zu wissenschaftlicher Literatur. Nur wenn Forschenden mit Artikeln arbeiten können, werden sich die Chancen der digitalen Wissenschaft realisieren lassen. Deshalb scheint es wichtig in der Diskussion um Open Access zwischen „gratis“ (freier Zugang) und „libre“ (offene Nachnutzung) zu unterscheiden. Die NPG-Politik sowie auch das Zweitveröffentlichungsrecht in Deutschland, ermöglichen nur den „gratis“ Zugang, längerfristiges Ziel ist es jedoch, die „libre“ Nachnutzung der Inhalte zu ermöglichen. Dieses Ziel kann  jedoch nur erreicht werden, wenn Forschende in ihrer Urheberrechtsposition gestärkt werden und mit offenen Lizenzen Dritten (z. B. auch Maschinen) die Arbeit mit und an den Artikeln auf Basis offener Informationsinfrastrukturen ermöglichen.

Nature-Special zur Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse

Die Nature-Zeitschriftenfamilie befasst sich diesen Monat in einem sehr interessanten Themenheft mit den Chancen und Herausforderungen der Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse. In den Artikeln geht es  u.a. um Transparenz, Offenheit und gute wissenschaftliche Praxis. Auszug aus der Beschreibung:

„No research paper can ever be considered to be the final word, and the replication and corroboration of research results is key to the scientific process. In studying complex entities, especially animals and human beings, the complexity of the system and of the techniques can all too easily lead to results that seem robust in the lab, and valid to editors and referees of journals, but which do not stand the test of further studies. Nature has published a series of articles about the worrying extent to which research results have been found wanting in this respect. The editors of Nature and the Nature life sciences research journals have also taken substantive steps to put our own houses in order, in improving the transparency and robustness of what we publish. Journals, research laboratories and institutions and funders all have an interest in tackling issues of irreproducibility. We hope that the articles contained in this collection will help.“

Alle Artikel zum Thema sind frei zugänglich. Gute Lektüre!

(Crosspost von ALBERTopen)

Neues aus dem Hause Nature

Die Nature Publishing Group (NPG) hat zu Beginn des neuen Jahres drei interessante Pressemitteilungen veröffentlicht.

Am 05.01.2011 gab der Verlag bekannt, Artikel aus den Zeitschriften Nature, Nature Biotechnology, Nature Cell Biology, Nature Medicine und Nature Chemical Biology zukünftig über DeepDyve „ausleihbar“ zu machen. Für 3,99 US-Dollar kann ein Aufsatz 24 Stunden lang betrachtet werden. Druck und Bearbeitung sind nicht möglich.

Darüber hinaus informiert NPG über ein Update des iPad App. Für monatlich 9,99 US-Dollar kann Nature auf dem iPad gelesen werden.

Martin Fenner hat die Neuerungen kommentiert:

In the discussion of subscriptions vs. author-pays for scholarly papers we sometimes forget that it’s really a question of how much we are willing to pay. I’m looking forward to the nature.com app for the iPad, and $9.99 per month seems reasonable. I would not rent a single article for $3.99 – this should either be $0.99 or give me the PDF that I can download and print, something that subscription journals typically charge $10-$30.

Am 06.01.2011 kommunizierte NPG den Start eines Open-Access-Journals namens Scientific Reports. Das Konzept der Zeitschrift erinnert stark an PloS ONE. (Und zeigt so einmal mehr, dass PLoS Innovationsmotor einer ganzen Branche ist.) Auszug aus der Beschreibung des Journals:

Scientific Reports will publish original research papers of interest to specialists within a given field in the natural sciences. It will not set a threshold of perceived importance for the papers that it publishes; rather, Scientific Reports will publish all papers that are judged to be technically valid and original. To enable the community to evaluate the importance of papers post-peer review, the Scientific Reports website will include most-downloaded, most-emailed, and most-blogged lists. All research papers will benefit from rapid peer review and publication, and will be deposited in PubMed Central.

Die Publikationsgebühr beträgt 1350 US-Dollar. Einreichungen sind ab Sommer möglich. Einen lesenswerten Kommentar zu der Ankündigung liefert Cameron Neylon.

Weiter hat NPG am 06.01.2011 in einer Pressemitteilung zum Thema Open Access Stellung genommen. In dieser erläutert David Hoole, Direktor für „Intellectual Property Policy and Licensing“ unter dem Moto „one size does not fit all“ die verschiedenen Open-Access-Aktivitäten des Verlages. Kommentare dazu finden sich u.a. bei Gobbledygook und Trading Knowledge.