Seit heute bin ich Aktionär von Reed Elsevier

„If you can’t beat them, join them“ lautet ein Sprichwort. Nun das habe ich getan. Ab sofort bin ich Kleinaktionär von Reed Elsevier (dem Mutterkonzern von dem STM-Verlag Elsevier). Heute habe ich 300 Elsevier Aktien zu einem Kurs von 17.75 EUR und einem Gesamtwert von 5351 EUR gekauft.

Zugegeben, ich mag Elsevier nicht besonders. Dies hat viele Gründe. Einer davon ist sicher, dass Elsevier wie kaum ein anderer Verlag die Gewinnmaximierung perfektioniert hat und dabei den Kunden (wissenschaftliche Bibliotheken und Wissenschaftler) heuchlerisch vorgaukelt in deren Interesse zu handeln.

So richtig fiel mir dies zuletzt bei einer Präsentation in Bern auf, wo Federica Rosetta (Senior Access Relations Manager) die neuesten Entwicklungen im OA-Bereich vorstellte. Anstatt das ganze Journal-Portfolio auf OA mit CC-BY umzustellen, wird alles andere versucht und dabei als grossen Schritt Richtung OA hingestellt. Da macht Elsevier eine Umfrage bei Autoren, und siehe da, die Autoren wollen plötzlich nicht nur CC-BY sondern auch eine CC-BY-NC-ND. Anstatt OA, offeriert man nun Autoren einen personalisierten Link, mit dem KollegInnen 50 Tage auf das PDF zugreifen können. Anstatt den Repositories direkt das akzeptierte Manuskript zugänglich zu machen, bietet Elsevier eine API an, wo im Repository das Verlags-PDF anzeigt wird, sofern der Besucher eine gültige Elsevier Lizenz dazu hat. Dazu blendet man dann hübsch ein paar Tweets von Forschenden ein, die das neue Angebot von Elsevier loben aber offensichtlich keine Ahnung haben, dass Elsevier ihnen Open Access bewusst vorenthält. Auch die sogenannte „No Double Dipping Policy“ die Elsevier anpreist ist natürlich ein zynischer Witz sondergleichen, da sie die Reduktion von Hybrid-OA global und nicht institutionell verrechnet.

Trotz diesem unsympathischen und unethischen Gebaren von Elsevier, muss man dieser Firma einfach lassen, dass sie finanziell wahnsinnig erfolgreich ist. Eine Gewinnmarge von 39% sagt alles. Novartis zum Vergleich schafft kaum 27%. Ein gerade erschienener Analysten-Report von BernsteinResearch mit dem Titel: Reed Elsevier: Goodbye to Berlin – The Fading Threat of Open Access bestätigt diese positiven Aussichten. Die nüchterne aber auch gut lesbare Analyse zeigt in aller Klarheit, was man als Anleger von Reeds Elsevier erwarten kann. Während die Analysten Reed Elsevier in den letzten Jahren wegen Budgetkürzungen von Bibliotheken, sowie der stärker werdenden Open Access Bewegung die Erwartungen runtergestuft haben, stellen sie heute fest, dass Reed Elsevier so stark ist, wie noch nie:

  • „Subscription publishing appears in good health. Both Reed Elsevier and Wiley have outperformed the respective markets in the past year, supported (at least in part) by the performance of the journal businesses.
  • The threat posed by OA seems to recede. OA policies have proved right, so far, the critics who argued that they would not threaten the status of subscription publishers. The hybrid model deployed by subscription publishers to meet the requirements of the UK government is not threatening in any visible way the subscription model of the journals; the rate of adoption of deposit policies for US federal agencies, and the embargo period of 12 months also protect the position of subscription publishers.
  • OA funding may in fact be adding to the profits of STM. It remains to be seen whether the publishers can provide evidence that they are not double dipping (i.e. pocketing Author Publication Charges (APCs) for OA publishing without lowering their subscription revenues). Absolute verification may prove in fact impossible anyway, but the publishers seem to use practices which leave wiggle room to keep at least some of the money.“

Der Analysten-Report zieht sogar den aktuellen Konkurs von Swets mit ein, der für Elsevier nur von Vorteil ist, als hier ein Zwischenhändler ausgeschaltet werden konnte.

Natürlich frustriert die vorliegende Analyse einen Open Access Aktivisten wie mich gewaltig. Wie kann es sein, dass trotz allen Anstrengungen für Open Access sich nichts ändert? Warum lassen Entscheidungsträger trotz vorhandenen Alternativen zu, dass eine Firma wie Elsevier sich masslos an öffentlichen Gütern bereichert und den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Information bewusst verhindert? Wie ich kürzlich in einem Artikel in 027.7 Zeitschrift für Bibliothekskultur aufzeigt habe, bin ich der Meinung, dass wissenschaftliche Bibliotheken mit ihren Ausgaben es eigentlich in der Hand hätten zu bestimmen wo es lang geht. Offenbar sind sie unfähig das vorhandene Potential zu nutzen.

Selbstverständlich werde ich mich nachwievor für Open Access einsetzen. Zurzeit bin ich in einem privaten Projekt daran offen zulegen, was Schweizer Bibliotheken an Elsevier bezahlen. Wenn ich dabei sehe, wie Schweizer Universitäten und Bibliotheken die privaten Interessen von Elsevier schützen, bin ich guter Dinge heute eine gute Investition gemacht zu haben.

9 Gedanken zu “Seit heute bin ich Aktionär von Reed Elsevier

  1. Soweit ich das sehe, stellen Sie erst dar, dass Sie die Geschäftspraktiken dieser Firma ablehnen und dass Elsevier vollkommen entgegengesetzt zu Ihren moralischen Überzeugungen handelt, um dann zu verkünden, dass Elsevier daraus aber großen finanziellen Nutzen zieht, an dem Sie nun durch die Aktienanteile trotz Ihrer Ablehnung der Firma teilhaben wollen. Was genau soll mir das sagen? Dass letztlich das Geld relevant ist?
    Oder ist mir einfach irgendwo ein wichtiger Zwischenton entgangen?

  2. Nennen wir es eine klassische Gegenwette. Ich wette nicht für Elsevier, sondern darauf dass Wissenschaftsorganisationen und vorallem Bibliotheken es nicht schaffen Elsevier mal endlich Parole zu bieten. Was Elsevier treibt ist schon lange nicht mehr im Sinne der Wissenschaft, trotzdem fliesst gerade aus der Schweiz immer mehr Geld dorthin. Auf dieses Paradox möchte ich aufmerksam machen.

  3. Erstaunlich dass zig-tausende von extrem klugen Köpfen (die gesamte wissenschaftlche Gemeinschaft, die OA will), sich von Elsevier und anderen Verlagen so abreissen llassen. Das hat mit Gier zu tun und zwar auf beiden Seiten. Die einen, weil sie die Schwächen der anderen ausnutzen und die anderen, weil sie aus Karrieregründen um jeden Preis gesehen werden wollen.
    Denkt Euch ein besseres System aus, um Autoren zu bewerten und bekannt zu machen.

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