Interview mit Lars Fischer zur Open-Access-Petition

Die öffentliche Petition „Wissenschaft und Forschung – Kostenloser Erwerb wissenschaftlicher Publikationen“, die Lars Fischer am 20.10.2009 an den Deutschen Bundestag richtete, erzeugt eine wachsende Diskussion über Open Access.

Bereits über 10.000 Personen haben die Petition unterzeichnet. Sie wird u.a. von dem Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ und der Piratenpartei unterstützt.

Der Initiator Lars Fischer hatte den Petitionstext bereits im August in seinem Blog zur Diskussion gestellt. Lars Fischer ist 31. Er lebt und arbeitet in Heidelberg, ist studierter Chemiker und als Wissenschaftsjournalist für die Blogplattform SciLogs.de des Verlags Spektrum der Wissenschaft tätig. Sein eigenes Blog nennt sich Fischblog.

Cornelius Puschmann und ich haben Lars Fischer einige Fragen zu seiner Petition gestellt.

1. Welche Relevanz hat das Thema Open Access für Sie?

Ich beobachte schon seit einiger Zeit die Entwicklungen auf diesem Gebiet. Open Access ist für jeden relevant, der sich für Wissenschaft interessiert.Wissenschaft lebt von Offenheit, zum einen zwischen den Wissenschaftlern untereinander, aber eben auch nach außen.

Ich bin der Auffassung, dass viele Wissenschaftler speziell in Deutschland den Strukturwandel im Wissenschaftlichen Publikationswesen verschlafen und in Gefahr laufen, international den Anschluss zu verlieren.

2. Wie kam es zu der Idee eine Petition bezüglich Open Access einzureichen?

Am Anfang der Idee stand der „Heidelberger Appell“, ein Propagandapamphlet gegen Open Access, dem die Medien aus nicht nachvollziehbaren Gründen große Aufmerksamkeit geschenkt haben. Ich war, wie viele Wissenschaftler aus meinem Umfeld, der Meinung, dass man einen solchen Text nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen kann.

Der eigentliche Auslöser war allerdings ein Interview, das ich auf dem Nobelpreisträger-Treffen in Lindau mit Bora Zivkovic vom bislang erfolgreichsten Open-Access-Journal PLoS ONE geführt habe

3. Wie sind die bisherigen Reaktionen?

Die Petition ist auf eine für so ein Spezialthema bemerkenswerte Resonanz gestoßen. Allein in der ersten Woche haben 10.000 Menschen unterzeichnet, und es werden immer mehr. Das Aktionsbündnis „Urheberrecht für Wissenschaft und Bildung“ unterstützt das Anliegen genauso wie diverse Universitätsbibliotheken, aber eben auch viele Privatpersonen. Die Petition scheint einen Nerv getroffen zu haben.

4. Wie beurteilen Sie den Umgang mit Open Access in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern? Gibt es Fächer- oder Wissenschaftskulturen, die Open Access aus Ihrer Sicht eher kritisch gegenüberstehen?

Open Access hat es in Deutschland möglicherweise etwas schwerer als anderswo, weil die Diskussion gerade in den Massenmedien oft von einer habituellen Internetfeindlichkeit vernebelt wird. Und nicht zuletzt auch, weil die Forscher hierzulande sehr zurückhaltend sind, was derartige neue Entwicklungen angeht. Da ist man anderswo offener. Aber Wissenschaftler sind insgesamt eher konservativ, nicht nur in Deutschland, und deswegen stehen dem Trend zu Open Access überall erhebliche Beharrungskräfte in der Wissenschaft und dem Publikationswesen entgegen.

Der Erfolg, den Open Access international in den letzten Jahren hatte, ist nicht selbstverständlich und zeugt von der enormen Durchsetzungskraft, die der Gedanke im Zusammenhang mit neuen technischen Möglichkeiten entfaltet.

Vielen Dank für das Interview.

Ein weiteres lesenswertes Interview mit Lars Fischer hat Richard Poynder in Rahmen der Interview-Reihe „Open and Shut?“ veröffentlicht.

Die Petition kann noch bis zum 22.12.2009 unterzeichnet werden.

Update 27.08.2011:

Zum weiteren Verlauf der Petition siehe Teil 2 des Interviews.