Reform der bibliothekarischen Verbünde gefordert

Wie angekündigt hat der Wissenschaftsrat heute „Empfehlungen zur Zukunft des bibliothekarischen Verbundsystems in Deutschland“ (PDF) veröffentlicht. Auszug aus der Pressemitteilung:

Die bisherigen Serviceleistungen der bibliothekarischen Verbünde für ihre Mitgliedsbibliotheken sind in Teilen positiv zu bewerten. Gleichwohl lässt das gegenwärtige Verbundsystem nach Auffassung des Wissenschaftsrates zugleich deutliche Schwächen erkennen. „Eine wirkungsvolle Koordination und Arbeitsteilung bei der Entwicklung moderner Dienstleistungen findet zwischen den regional ausgerichteten Verbünden nicht statt. Einige Dienstleistungen werden mehrfach angeboten, andere stehen gar nicht zur Verfügung. Sollen die wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland den aktuellen und künftigen Herausforderungen gewachsen sein, ist eine grundlegende Reform des Verbundsystems unumgänglich. Dazu gehört auch eine deutliche Reduzierung der Zahl der derzeit sechs Verbünde“, so Peter Strohschneider, scheidender Vorsitzender des Wissenschaftsrates.

Weiter haben Wissenschaftsrat und Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine gemeinsame Erklärung zur Zukunft der sechs Bibliotheksverbünde veröffentlicht. Unter dem Titel „Zur Zukunft der Bibliotheksverbünde als Teil einer überregionalen Informationsinfrastruktur in Deutschland“ (PDF) wird in neun Punkten Handlungsbedarf festgestellt.

Schon im Januar hat der Ausschuss für wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme der DFG ein „Positionspapier zur Weiterentwicklung der Bibliotheksverbünde als Teil einer überregionalen Informationsinfrastruktur“ (PDF) veröffentlicht. Auch dieses wurde heute veröffentlicht. Auszug aus der Pressemitteilung:

Das vom DFG-Ausschuss für wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme erarbeitete Positionspapier analysiert Struktur, Arbeitsweise und Finanzierung des Verbundsystems. Aus gesamtstaatlicher Sicht erkennt es „eine Überversorgung“ im Hinblick auf die Basisdienste, der – an gewandelten Nutzerinteressen und modernen Technologien gemessen – „Versorgungs- und Dienstleistungslücken“ gegenüberstehen. Vor diesem Hintergrund spricht sich der Ausschuss dafür aus, Basisdienste künftig arbeitsteilig zu organisieren und Zusatzdienste verbundübergreifend anzubieten.

Der Wissenschaftsrat hat bereits am 31. Januar 2011 hatte drei Empfehlungen zur Zukunft der Informationsinfrastrukturen veröffentlicht.

Wissenschaftsrat zu Informationsinfrastrukturen

Der Wissenschaftsrat, das zentrale wissenschaftspolitische Beratungsgremium Deutschlands, hat heute drei Empfehlungen veröffentlicht, die je nach Arbeitsgebiet und Disziplin, gut und gerne als Pflichtlektüren bezeichnet werden können:

Übergreifende Empfehlungen zu Informationsinfrastrukturen

Wissenschaftlichen Sammlungen, Bibliotheken, Archiven und Datensammlungen, die unter dem Begriff Informationsinfrastrukturen zusammengefasst werden, kommt nach Auffassung des Wissenschaftsrates eine grundlegende Bedeutung für Forschung, Lehre und Nachwuchsförderung in allen wissenschaftlichen Fächern zu. „Informationsinfra­strukturen sind ein konstitutiver Teil des Wissenschaftssystems. Die Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse wäre ohne sie nicht möglich. Es ist daher eine öffentli­che Aufgabe, ihre Verfügbarkeit für die Wissenschaft zu gewährleisten“, so der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Peter Strohschneider.

Empfehlungen zu Forschungsinfrastrukturen in den Geistes- und Sozialwissenschaften

Hinsichtlich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems ist es aus Sicht des Wissenschaftsrates notwendig, der an wissenschaftspolitischer Bedeutung zunehmenden Infrastrukturent­wicklung für die Geistes- und Sozialwissenschaften in Deutschland mehr Aufmerksam­keit zu widmen. Positiv bewertet er bereits jetzt die Entwicklung der Forschungsinfra­strukturen der quantitativen Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Vor allem im Be­reich großer Umfragestudien konnte hier in den vergangenen Jahren eine internationale Spitzenstellung erreicht werden. Eine vergleichbare Position gilt es auch für die qualita­tiven Sozialwissenschaften und die Geisteswissenschaften anzustreben. In diesem Sinne hat der Wissenschaftsrat Empfehlungen zur Stärkung der internationalen Konkur­renzfähigkeit von Informations- und sozialen Infrastrukturen sowie zur Ausstattung mit Großgeräten in einzelnen Feldern der Geistes- und Sozialwissenschaften in Deutsch­land ausgesprochen. Dabei äußert er sich auch zu Fragen der Archivierung von For­schungsdaten.

Empfehlungen zu wissenschaftlichen Sammlungen als Forschungsinfrastrukturen

Deutschland verfügt über eine reiche und sehr vielfältige Sammlungslandschaft, die Grundlage bedeutender und herausragender Forschung ist. Eine Systematisierung von Arten, die Erkundung evolutionären oder klimatischen Wandels sind ohne solche Sammlungen ebenso undenkbar wie die Erforschung schriftloser oder längst vergange­ner Kulturen oder die Erforschung der Entwicklung von Technik, Wissenschaften und Künsten. Der Wissenschaftsrat hat jedoch feststellen müssen, dass das Potenzial dieser Sammlungen – vor allem im universitären Bereich – noch nicht hinreichend er­kannt und genutzt wird. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Peter Strohschneider: „Viele Sammlungen lagern unbekannt und ungenutzt in Abstellräumen der Universitäten, wo weder ihr dauerhafter Erhalt noch ihre wissenschaftliche Bearbei­tung möglich sind. Womöglich liegen hier noch ungeahnte Schätze für die Forschung.“

Für den 3. Februar 2011 wurden die  Empfehlungen zur Zukunft des bibliothekarischen Verbundsystems in Deutschland angekündigt.

Folien des DINI/Helmholtz Repositorien Workshop online

Vom 30.11. bis 01.12.2010 veranstaltete das Helmholtz Open Access Projekt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation (DINI) im Erwin Schrödinger-Zentrum des Universitätscampus in Berlin-Adlershof einen Workshop zur strategischen Weiterentwicklung von Repositorien. Über 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaft, Infrasturktureinrichtungen und Verlagen informierten und diskutierenden über die zukünftige Rolle von Repositorien in Forschung und Lehre.

Die Folien der Veranstaltung sind auf der DINI-Website zugänglich. Eine „Dokumentation“ der Veranstaltung ist bei Twitter (#dinihg10) zu finden.

Open Access in der „Grünen Netzresolution“

Unter dem Titel „Für ein Internet der Bürgerinnen und Bürger. Grund- und Bürgerrechte im Internetzeitalter“ hat die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gestern eine „Netzresolution“ (PDF) verabschiedet, die u.a. das Thema Open Access aufgreift:

9. Modernisierung des Urheberrechts und Open Access
Bildung und Zugang zu Wissen sind zentral in der Informationsgesellschaft. Das Internet wird die Strukturen der Bildungsvermittlung grundlegend verändern. Die erforderliche Weiterentwicklung des Urheberrechts wird auch vor diesem Hintergrund drängender. Wir wollen einen fairen Interessensausgleich zwischen UrheberInnen und NutzerInnen. Dabei müssen Ansätze zur freien Lizenzierung von Informationen und kreativen Werken (z.B. Creative Commons) weiter gestärkt und auch im öffentlichen Bereich genutzt werden. Grundsätzlich soll sichergestellt werden, dass mit öffentlichen Mitteln erarbeitete Inhalte über Open Access verfügbar sind und damit die Wissensallmende gestärkt wird. Die Grünen unterstützen darüber hinaus die rasche Realisierung der europäischen digitalen Bibliothek.

[via gruen_digital]

„Yes, we are open – Wissenschaft, E-Books und das Urheberrecht“

Es war der Titel der Veranstaltung, der mich bisher abgeschreckt hat. Aber: Die Aufzeichnung des 52. Zukunftsgespräches ist durchaus hörenswert.

Am 02.03.2010 diskutierten:

  • Claudia Lux (Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin)
  • Katja Mruck (Freie Universität Berlin, CeDiS)
  • Eric Merkel-Sobotta (Springer Science+Business Media)
  • Florian R. Simon (Duncker & Humblot Verlag)

über die Zukunft der wissenschaftlichen Informationsversorgung.

Neben den Themenfeldern Open Access und Urheberrecht wurde u.a. das zukünftige Rollenverständnis von Bibliotheken und Verlagen thematisiert.

Insbesondere die Beiträge von Mruck („[…] das Buch ist die Postkutsche der Zukunft.“) und Merkel-Sobotta („Wir nutzen Google Book Search als eines der wichtigsten Marketingtools […]„) sind interessant.

Zur Aufzeichnung.

Die Veranstaltungsreihe Zukunftsgespräche wird von der Berliner Landesinitiative Projekt Zukunft in Zusammenarbeit mit dem Inforadio veranstaltet.

Studie zur Nachhaltigkeit von Publikations- und Digitalisierungsaktivitäten

Die vom Joint Information Systems Committee (JISC) geförderte Strategic Content Alliance und Ithaka S+R haben eine Studie zu den Geschäftsmodellen von Publikations- und Digitalisierungsaktivitäten im Non-Profit-Sektor veröffentlicht:

Maron, Nancy L. et al.: Sustaining Digital Resources. An On-the-Ground View of Projects Today. 2009 (online)

Die Studie befasst sich im Rahmen von 12 Fallstudien mit der Nachhaltigkeit von Publikations- und Digitalisierungsaktivitäten. Ziel der Studie ist es „to help the not-for-profit sector develop cost-effective strategies for financing technology.“

In Interviews wurden Organisations- und Geschäftsmodelle unterschiedlichster Projekte und Institutionen abgefragt, die digitale Informationsdienste betreiben. Untersucht wurden u.a. DigiZeitschriften (Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen), eBird (Cornell University Lab of Ornithology) und  Hindawi Publishing Corporation.

Die Studie beschreibt eine Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsmodelle (S. 21-26):

  • Subscription
  • Licensing to publishers Licensing to users
  • Custom services and consulting
  • Corporate sponsorships and advertising
  • Author fees
  • Endowment
  • Grants
  • Other sources of donated revenue

Als Erfolgsfaktoren für den nachhaltigen Betrieb werden folgende Rahmenbedingungen beschrieben (S. 13-27):

  • Dedicated and entrepreneurial leadership
  • A clear value proposition
  • Minimising direct costs
  • Developing diverse revenue sources
  • Clear accountability and metrics for success

Deutlich wird, dass die Mehrzahl der Aktivitäten auf eine Finanzierung durch ihre Heimatinstitution angewiesen sind:

While many of our case studies, particularly the studies of projects embedded in larger institutions, suggest that this level of host support is a normal state of affairs, we caution project leaders not to take this support for granted. Project leaders should regularly ask themselves whether the host institution will continue to provide these contributions, particularly as more and more digital resources emerge and their collective costs may become more of a burden to bear. Leaders will have to continuously make the case that the project advances the mission or otherwise supports the interests of the host institution. In the absence of clear measures of how this support advances the mission of the host institution, these contributions are at risk, particularly in a time of economic uncertainty. (S. 28)